DRIVE IS LIFE - Warum der Actros cooler ist als das Büro

Chrystelle Schafroth mit ihrem Actros 1840.

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Redaktion (allg.)

Nur noch wenige Meter Beschleunigungsstreifen. Chrystelle konzentriert sich auf den Seitenspiegel und sucht die Lücke. Sie muss jetzt auf die Autobahn. Lichthupe von dem Kollegen links hinter ihr. Einfädeln. Chrystelles Actros zieht auf die A1 Richtung Lausanne. Fast Stoßstange an Stoßstange schiebt sich der Verkehr voran. „Hier ist regelmäßig so viel los. Etwas stressig“, sagt Chrystelle. 

Eine Stunde zuvor: Chrystelle Schafroth steht mit ihrem Actros 1840 am Bahnterminal von Daillens in der Schweiz, nordwestlich von Lausanne. Die 26-Jährige arbeitet für die Dreier AG. Das Unternehmen ist Profi für den kombinierten Verkehr auf Schiene und Straße. Fast alles, was Daillens auf der Schiene erreicht, verteilen die Dreier-Trucks in der Region. Chrystelles Auftrag wird sie bis nach Genf führen, die Wechselbrücke ist mit Textilien für eine große Modekette beladen.

Sie öffnet die Fahrertür und legt ihre Handschuhe in die Ablage. Daumen hoch und ein kleines Lächeln für den Kollegen oben im Kran. Nächster Programmpunkt: ein Selfie mit dem Actros. „Ich schieße immer mal ein Foto. Wenn mir eins gefällt, stelle ich es auch ins Netz. Trucks zu fahren gehört jetzt zu meinem Leben. Mir macht es Spaß, das zu zeigen.“ Entsprechend sieht ihr Instagram-Profil @swiss_pink aus: ein echtes Trucker-Tagebuch.  Dafür, dass sie am Steuer des Actros sitzen kann, hat Chrystelle einiges auf sich genommen. Mit 19 arbeitete sie für einen Mineralöl-Lieferanten. „Ein Bürojob eben“ – ihr Gesichtsausdruck verrät, was sie davon hält. Irgendwann aber begleitet sie einen Fahrerkollegen auf dessen Tour. „Das war’s, da hat’s ganz einfach Klick gemacht. Seitdem weiß ich, was ich machen möchte. Von Autos und Motorrädern war ich schon immer fasziniert, aber jetzt toppen das die Trucks“, sagt sie und grinst. Es folgen harte Jahre.

Um die hohe Summe für den Führerschein zusammenzukriegen, fährt sie unter der Woche einen Transporter und kellnert zusätzlich an den Wochenenden in einem Restaurant. Heute tut Chrystelle das mit einem Schulterzucken ab: „Dafür genieße ich jetzt die Unabhängigkeit. Ich sitze allein im Lkw und treffe die Entscheidungen. Außerdem sehe ich viel von der Region, meiner Heimat. Die Berge, die Seen – ich liebe das!“

Immerhin rund 80.000 Kilometer ist ein Fahrer der Dreier AG im Jahr unterwegs. Jeden Tag kommen in Daillens auf der Schiene 40 Wechselbrücken für die Spedition an. Noch einmal 50 Touren fährt Dreier für das ansässige Distributionszentrum. Allein an diesem Standort sind 80 Trucker für Dreier unterwegs, darunter auch drei Frauen. „Fahrer, Fahrerin, das spielt bei uns keine Rolle“, so Niederlassungsleiter Carlos Pfund. „Chrystelle und ihre Kolleginnen machen die Arbeit genauso gut wie die Männer.“ Die Stellen bei Dreier sind gefragt. Die starke Wirtschaft der Schweiz und der moderne Fuhrpark des Unternehmens locken Fahrer aus ganz Europa hierher. Die engen Ortsdurchfahrten, die starken Steigungen und Gefälle – für Fahrer und Lkw sind anspruchsvolle Touren an der Tagesordnung. Zudem sind sowohl Autobahnen als auch Landstraßen mautpflichtig. Die Transporte müssen also wirtschaftlich sein. Dreier versucht, mit modernen Trucks und guten Fahrern so effizient wie möglich zu arbeiten. In der Regel beendet sie ihre Touren abends an der Spedition. „Das ist okay, aber ich würde gern auch mal eine Zeit im internationalen Fernverkehr fahren. Das ist für mich der nächste Schritt, die große Freiheit“, sagt sie und greift nach der weißen Sonnenbrille.

Wie sieht es sonst mit der Zukunftsplanung aus? „Ich möchte einfach nur fahren. Das ist mein Traum. Die Zeit will ich genießen. Dinge wie Familienplanung haben jetzt keine Priorität.“ Sie erreicht das Areal des Kunden in Genf. An der Rampe zieht sie mit dem Hubwagen Paletten aus der Wechselbrücke. Zwei weitere Stationen liegen heute noch vor ihr. „Ist einiges zu tun“, sagt Chrystelle, während sie einen Blick auf die Frachtpapiere wirft. Sie hat jetzt ihre Jacke gegen eine pinke Warnweste getauscht. Und da ist dann doch der Unterschied zu den männlichen Kollegen – Pink steht ihr einfach besser.

Ich habe hart dafür gearbeitet, jetzt genieße ich den Job. Auch wenn er anstrengend ist.
Chrystelle, Truck-Fahrerin der Dreier AG

Fotos: Bernhard Huber, RoadStars

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