Renault 5: Wiederkehr einer Legende

Christine Harttmann
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Renault hat einige Klassiker im Programm: darunter seit 1972 auch den R5. Gott sei Dank hat Luca de Meo das erkannt! Denn das Design des Urmodells samt seines Nachfolgers war zeitlos und ikonisch: Von 1972 bis zum Produktionsende 1994 findet der als „kleiner Freund“ verkaufte R5 in zwei Generationen über neun Millionen Käufer. Damals genügten 3,51 Meter Außenlänge und nur 9,8 Meter Wendekreis, trotzdem blieb genügend Platz für vier Erwachsene und ihr Gepäck. Das glattflächige Design mit großen Scheinwerferaugen, einer Interpretation des „Kindchenschemas”, weckte Sympathien, blieb aber zeitlos. Mehr als ein Gag waren vor allem die erstmals bei einem Serienfahrzeug eingesetzten großflächigen Kunststoffstoßfänger anstelle der bis dato üblichen, völlig unpraktischen Stoßstangen. Vorteil der Schutzflächen: Sie sind unempfindlich und lassen sich nach einem Unfall viel kostengünstiger austauschen. Renault kreiert damit einen neuen Industriestandard, den später die gesamte Branche aufgreift.

Nicht minder futuristisch wirkten die hochkant angeordneten Rückleuchten. Sie ermöglichen den Einbau der breiten, tief heruntergezogenen Heckklappe und damit auch das bequeme Be- und Entladen des Kofferraums.

Starkes und mutiges Trio: Produktchef, Entwicklungschef und Designer

Als geistiger Vater des Renault 5 gilt Bernard Hanon. Unter seiner Regie startet der Kompaktwagen im Jahr 1967 seine Karriere als „Projekt 122”. Hanon kommt frisch aus den USA, wo er neben seiner Arbeit für Renault als Professor für Management an der New York University tätig war. Von dort bringt er zwei Erkenntnisse mit: Dass die junge Generation ein Faible für das Unkonventionelle hat, und dass die Gesellschaft vor tiefen Umbrüchen steht. Die wenig später einsetzende Studentenrevolte wird ihm recht geben. Um diese Erkenntnis in ein Auto zu übersetzen, gehen der frisch zum Direktor für Planung und Produkt beförderte Hanon und Renault Entwicklungschef Yves Georges einen völlig neuen Weg: Sie werten Kundenbefragungen aus. Bis dahin ist es gang und gäbe, bei der Konzeption neuer Pkw-Modelle einzig auf die Ingenieure zu hören. Jetzt bekommen erstmals auch die potenziellen Besitzer eine Stimme. Renault Designchef Gaston Juchet beauftragt Michel Boué, seinen jüngsten Mitarbeiter, mit der Gestaltung. Bereits der zweite Entwurf überzeugt derart, dass er mit nur wenigen Retuschen zur Grundlage für den Typ 122 wird. Boué konzipiert den kleinen Renault als „ein Auto, das in der Lage ist, soziale Grenzen zu überschreiten – weil sich die Frau von Welt, der Arzt und der Arbeiter mit ihm vor einer roten Ampel treffen und sich dabei gleichermaßen wohlfühlen können”, so der Designer. Gleiches gelang auch VW mit dem Golf, nicht mehr aber dem Renault Clio.  

Damit traf er den Nerv der Kunden, die von Boués Schöpfung derart begeistert sind, dass Renault die Bestellungen anfangs kaum schnell genug abarbeiten kann. In Deutschland wird die ursprünglich für Frühjahr 1973 vorgesehene Markteinführung auf Herbst 1972 vorverlegt. Alle loben die Raumausnutzung, die mit Quer- statt Längsmotor vorn noch besser gewesen wäre. Renault tat damals gut daran, den ab 1984 verkauften Nachfolger zwar in Sachen Rostschutz und Qualität weiterzuentwickeln, das Design aber grundsätzlich beizubehalten. Doch die Zeit der Zahlen ging bei Renault dem Ende zu und ab 1990 folgte der größere und nochmals viel erwachsenere Clio dem R5, der parallel noch bis 1994 weitergebaut wurde.

Was bedeutet das?

Der Renault 5 war 1972 das richtige Auto zur richtigen Zeit. Und macht auch in einer elektrischen Neuauflage eine gute Figur! Manchmal darf sich Geschichte wiederholen.

 

 
Optisch orientiert sich die elektrische Version an den Urmodellen. | Foto: Renault
Optisch orientiert sich die elektrische Version an den Urmodellen. | Foto: Renault
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