ADAC definiert Langstrecken-Stromer: 200 Kilometer in 30 Minuten

Der Automobilclub fasst Erkenntnisse zum Thema Laden zusammen, konstatiert verschiedene Ladestrategien und stark abweichende Ladegeschwindigkeiten und empfiehlt CCS als Serienausstattung.

Tempo Tempo! Der ADAC hält die Schnellladefähigkeit auf hohem Niveau als entscheidend für die Langstreckeneignung eines E-Fahrzeugs. | Foto: ADAC/Uwe Rattay
Tempo Tempo! Der ADAC hält die Schnellladefähigkeit auf hohem Niveau als entscheidend für die Langstreckeneignung eines E-Fahrzeugs. | Foto: ADAC/Uwe Rattay
Christine Harttmann
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Der Automobilclub ADAC hat eine neue Definition für die Langstreckeneignung bei Elektrofahrzeugen vorgenommen. Dabei schlägt man vor, dass E-Autos in einer halben Stunde 200 Kilometer Strecke nachladen können müssen und über eine Mindestreichweite von 300 Kilometern im realitätsnahen ADAC-Eco-Test erzielen. In dem Zusammenhang forderte der Club auch einen serienmäßigen Einbau von CCS-Schnellladern in den Fahrzeugen.

"Diese Definition bedeutet in der Praxis, dass bei einer Autofahrt etwa alle zwei bis drei Stunden eine Ladepause erforderlich wird. Das ist ein Pausen-Intervall, das auch beim Reisen mit einem Verbrenner eingehalten werden sollte. Und insofern hält sich die Reisezeit mit dem Elektroauto in vergleichbaren Grenzen", so die Einschätzung der Club-Experten. 

Von den Fahrzeugen, die zum Erhebungszeitpunkt für die Messungen des Clubs zur Verfügung standen, erfüllten lediglich die Premium-SUV Mercedes EQC sowie der Audi e-tron die so gefassten Kriterien für die Langstreckentauglichkeit. "Aufgrund der bekannten Daten der Tesla-Modelle sowie des Porsche Taycan sollten diese E-Modelle bei den Messungen sogar noch besser abschneiden", ergänzen die ADAC-Tester.

Sie verweisen auch auf kommende Modelle wie den VW ID.3, den Ford Mach-E oder den Polestar 2, die den Anforderungen gerecht werden sollten. Zudem gebe es immer mehr Modelle, die mit mehr als 70 bis zu 110 kW laden können, etwa Hyundai Kona Elektro (64-kWh-Batterie) sowie der Kia e-Niro und der e-Soul mit der 64-kWh-Batterie. Mit dem Opel Corsa-e, Peugeot e-208 und dem Citroën DS E-Tense steht das Trio des französischen PSA-Konzerns mit angekündigter 100 kW Ladeleistung bereit. Ebenso übrigens mitterweile auch die mit dem gleichen Antriebs- und Ladeset ausgestatteten Nutzfahrzeuge des Konzerns.

Bei entsprechender Effizienz können 100 kW genügen

Grundsätzlich zeichne sich ab, dass bei einer entsprechenden Verbrauchseffizienz des jeweiligen Autos Ladeleistungen ab etwa 100 kW ausreichen könnten, um die definierte Langstreckentauglichkeit zu erreichen. Die anderen bisher untersuchten Autos genügen dagegen zumindest dem ADAC-Anspruch der Langstreckentauglichkeit nicht. Nach dem Dafürhalten der Tester fühlten sich etwa der Opel Ampera-e, der Renault Zoë und der Nissan Leaf eher im regionalen Einsatzszenario wohl. Für die Langstrecke sollten sie nur selten und mit entsprechendem Zeitpuffer verwendet werden, so die Empfehlung. Ob Autos mit Ladeleistungen von weniger als 100 kW langstreckentauglich sein können, müssten die kommende Tests zeigen.

Bisher sei von vielen Fahrern zu beobachten, dass ihr E-Auto mal schneller, mal weniger schnell lädt – und das sogar an ein und derselben Schnellladesäule. Erklärt werde diese Phänomen mit der Regelungsstrategie des Batteriemanagement-Systems, das über die tatsächliche Ladeleistung entscheidet. Das Batteriemanagement hat dafür Sorge zu tragen, dass der Akku beim Laden nicht zu sehr belastet wird, um die Lebensdauer nicht zu sehr zu beeinträchtigen.

"Um die ideale Ladeleistung und somit kurze Ladezeiten zu erreichen, muss die Temperatur der Antriebsbatterie beim Ladevorgang stets im Wohlfühlbereich sein. Ist der Akku beispielsweise im Winter ausgekühlt, wird sich die Ladedauer beim Schnellladen deutlich verlängern, da er erst auf Temperatur gebracht werden muss", erklären die ADAC-Experten.

Die Autohersteller geben die Ladezeiten bei der Schnellladung üblicherweise für bis zu 80 Prozent der Batteriekapazität an. Das ist sinnvoll, weil die Ladeleistung zur Schonung der Antriebsbatterie umso mehr reduziert wird, je voller die Batterie ist. Im Fokus ist dabei der für Schnellladungen relevante Bereich zwischen 10 und 80 Prozent Batterieladung.

Erkenntnisse: Unterschiedliche Ladestrategien

Die Tests des Clubs bisher hätten sehr unterschiedliche Ladestrategien der Hersteller ergeben. So lade der Audi e-tron im relevanten Bereich erstaunlich konstant mit höchster Leistung von knapp 150 kW, was eine durchschnittliche Ladeleistung von 145 kW ergibt. Im Unterschied dazu regle der Mercedes EQC seine Ladeleistung von nominell 110 kW schon bei knapp 40 Prozent Batteriestand kontinuierlich herunter. Im Leistungsbereich um 50 kW zeige der Nissan Leaf ebenfalls eine konstant hohe Ladekurve, der Renault Zoë hingegen fange bereits bei knapp halbem Batteriestand an, die Leistung stetig zu reduzieren. Andere Fahrzeuge wie etwa der Opel Ampera-e reduzierten die Ladeleistung nicht kontinuierlich, sondern stufenweise, skizzieren die Tester.

Neben hoher Ladeleistung sei auch der Verbrauch des Fahrzeugs wichtig. Praxisrelevant für den Autofahrer ist im Endeffekt der Vergleich von nachgeladener Reichweite pro Zeit. So lud der Audi e-tron innerhalb der ersten zehn Minuten 113 Kilometer Reichweite nach, der Nissan Leaf dagegen nur 40 Kilometer. Bei einer halben Stunde aufladen speichert der e-tron mit der geladenen Energie 305 Kilometer, der Nissan Leaf 124 Kilometer.

Zudem hält der Club folgende allgemeine Tipps für E-Autofahrer bereit:

  • Je besser die Schnellladefunktion, umso flexibler kann ein Elektroauto im Alltag sowie für längere Strecken genutzt werden

  • Vor dem Kauf überlegen, wie häufig ein Fahrzeug für Strecken über die Fahrzeugreichweite hinaus eingesetzt werden soll. Je häufiger, desto wichtiger ist die Qualität der Schnellladefunktion

  • Immer die Schnellladefunktion mitbestellen, falls diese nicht zum Serienumfang gehört

  • Den Akku unterwegs stets nur bis 80 Prozent aufladen, darüber hinaus dauert das Laden unverhältnismäßig lang

  • Ein E-Auto sollte für längere Strecken mindestens 300 Kilometer Reichweite gemäß ADAC Ecotest und ca. 200 Kilometer nachgeladene Reichweite in 30 Minuten haben

  • Zur Schonung der Antriebsbatterie nur dann schnell laden, wenn wirklich erforderlich

  • Bei kalten Temperaturen die Batterie vortemperieren bzw. längere Ladezeiten einkalkulieren

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