Alles auf „Super“ in Södertälje

Wenn Scania-Trucks eine revolutionäre Entwicklung in sich tragen, dann bekommen sie traditionell das Label „Super“. Der neue Triebstrang mit dem neuen 13-Liter-Sechszylinder als Herzstück ist so eine Entwicklung. Spät, aber doch noch bekommt der DC 13 einen modernen Zylinderkopf mit Dekompressions-Motorbremse. Weitere Schmankerl ergeben einen neuen Triebstrang, der acht Prozent Sprit sparen soll.

Scania-Trucks | Bild: Anders Larsson YDMB/Content Production
Scania-Trucks | Bild: Anders Larsson YDMB/Content Production
Redaktion (allg.)

„Es ist eine Tatsache“, ist sich Stefan Dorski, oberster Chef von Scania Trucks, sicher, „dass die Welt immer noch in hohem Maße auf die Transportleistung von Lkw mit Verbrennungsmotoren angewiesen sein wird.“ Da hat er zweifellos recht. Denn so hoch das Tempo der Lkw-Elektrifizierung derzeit auch scheint: Gerade im schweren Bereich ist in diesem Jahrzehnt mit praktikablen und vor allem bezahlbaren E-Lösungen nicht wirklich zu rechnen. Und das schon bei uns, in Mitteleuropa. Vom weltweiten Wechsel hin zu E-Trucks gar nicht zu reden.

Eine realistische Einschätzung also, die auch schon die Entwicklungsziele des neuen 13-Liter-Sechzylinders ahnen lässt: Er sollte voll kompatibel mit biogenen, dieselähnlichen Kraftstoffen wie HVO (Hydrogeniertes Pflanzenöl) sein und auch E-Fuels (aus grünem Wasserstoff und CO2) vertragen. Diese Vorgaben erfüllt der neue Scania DC 13 mit den Typnummern 176 bis 173 (420 PS bis 560 PS) schon mal. Ein weiterer Grund für die Neuentwicklung war die Zielvorgabe „Wirkungsgrad steigern“. Mehr Effizienz in der Verbrennung also. Und auch dieses Ziel haben die Södertäljer Motorenbauer in Form von 50 Prozent thermischem Wirkungsgrad erfolgreich umgesetzt. Das klingt jetzt erst mal wenig spektakulär, ist es aber. Denn wenn man weiß, dass moderne Dieselmotoren dieser Hubraumgröße derzeit maximal um die 47 Prozent thermischen Wirkungsgrad liefern, dann ist das schon eine Hausnummer. Ein Plus von drei Prozent ist eine Hausnummer? Yepp. Denn bislang galten Steigerungen im Wirkungsgrad von nur einem Prozent alle zehn Jahre schon als ein Triumph der Effizienzsteigerung.

Ein neuer tat not

Immerhin war schon der Vorgängermotor nicht schlecht und heimste so manchen Spritspar-Rekord ein. Warum also einen neuen Diesel bauen, wenn der alte die nächsten zehn bis 15 Jahre noch gepäppelt und gepimpt werden könnte? Schwerlich, denn das Ende der Fahnenstange war erreicht. Vor allem die Scania-typischen Einzel-Zylinderköpfe (mit Stoßstangen-Ventilbetätigung und seitlich im Block untergebrachter Nockenwelle) standen weiteren Entwicklungsstufen im Weg. Die Einzelköpfe waren zwar servicefreundlich, weil stückweise zu demontieren. Sie ließen aber die Integration zum Beispiel einer wirkungsvollen Ventilhebel-Dekompressions-Motorbremse einfach nicht zu. Dazu braucht man eine oben liegende Nockenwelle, bei Vierventilern derer sogar zwei. Und das wiederum bedingt einen durchgehenden Zylinderkopf. Und ist der erst mal nötig, kann man gleich einen neuen Motor konstruieren. „From the scratch“, also mit einem weißen Blatt Papier loslegen zu können, ist natürlich der Traum eines jeden Konstrukteurs. Stimmt aber hier auch nicht ganz – weil, man muss auch an die Fertigung denken. Und da sind die Zylinderabstände in relativ engen Grenzen vorgegeben, sonst ist auch gleich noch ein neues Motorenwerk fällig. Bei Entwicklungskosten von zwei Milliarden Euro könnte man meinen, dass ein neues Motorenwerk gleich eingepreist wäre – dem ist nicht so. Alles Geld floss in die neue Maschine und weitere Energiesparmaßnahmen im Antriebsstrang.

Ein Wunderwerk

Nun bringt ein durchgehender Zylinderkopf noch nicht wirklich eine derartige Steigerung im Wirkungsgrad. Da muss mehr passieren. Zum Beispiel strömungsoptimierte Kühlwasser- und Ölkanäle in Block und Kopf. Die sind nämlich die Voraussetzung für einen gesunden Wärmehaushalt. Womit wir beim eigentlichen Verbrennungsvorgang wären. Hier spielt die Musik, wenn es um Effizienz geht. Am einfachsten erhöht man dazu die geometrische Verdichtung. Die liegt jetzt bei gewaltigen 1 : 23. Das heißt, dass nur noch 1/23 des gesamten Hubraums als Brennraum im Moment der Einspritzung übrig bleibt. 1 : 18 war da schon mal ganz gut. Entsprechend hoch ist der maximale Verbrennungsdruck, der letztlich für die Kraft auf die Kurbelwelle verantwortlich ist. Der liegt jetzt bei 250 Bar. Die Schwierigkeit dabei ist, erst mal genug Brennstoff, fein verwirbelt, in sehr kurzer Zeit in ein hoch vorverdichtetes Volumen reinzubringen. Das erledigt die Scania-XPI-Einspritzung: Ein Wunderwerk der Einspritztechnik, das schon vor vielen Jahren für Furore sorgte, weil eigentlich niemand so richtig verstand, was da hydraulisch in dieser winzigen Einspritzdüse vorging. Aber gut…

Wer so hoch verdichtet, hat mit zwei Problemen zu kämpfen: Wird der Diesel (oder Biodiesel oder HVO etc.) gleich auf einmal eingespritzt, gibt’s eine super-harte Verbrennung mit enormen Spitzen, die nicht nur besonders laut ist, sondern auch geeignet, in kurzer Zeit die Zylinderkopfdichtung zu zerstören. Das umgehen die Konstrukteure mit einer fein getimten Mehrstufen-Einspritzung, die der Verbrennung diese knallharte Spitze nimmt und für (für einen Diesel) vergleichsweise samtenen Lauf sorgt.

Mehr AdBlue

Bleibt das Problem der besonders heißen, weil besonders effektiven Verbrennung: Die ist immer mit besonders hohen Stickoxid-Werten (NOx) verbunden, die nicht nur im chemischen Sinne reduziert werden wollen. Dank Harnstoff-(AdBlue-) Einspritzung ist aber auch das nur noch ein peripheres Thema: Gleich zwei AdBlue-Düsen sorgen für homogene und besonders effektive Reduktion der Stickoxide. Die eine sitzt gleich hinter Turbolader und Auspuffklappenbremse und nutzt die hier noch hohe Abgastemperatur, die andere sitzt wie gewöhnlich in den Tiefen des SCR-Kat und erledigt den Rest. Wo gehobelt wird, fallen Späne: Und so steigt der AdBlue-Verbrauch nach Angabe von Motorenentwickler Mats Waldekrantz auf zehn Prozent des Dieselverbrauchs. Merke: Hoher AdBlue-Verbrauch ist gleich niedriger Dieselverbrauch.

Nun gehen die acht Prozent Verbrauchseinsparung nicht ganz allein auf das Konto des neuen Motors. Scania spricht vom neuen „Antriebsstrang“, der so viel weniger Sprit konsumiert. Dazu gehört auch das Getriebe: Die erst 2020 neu eingeführten Opticruise-Getriebe hat Scania abermals verbessert. Das neue G33CM soll dank Vollaluminiumgehäuse bis zu 60 kg leichter sein als die Vorgänger der GRS-Reihe. Wirklich neu ist der gewichtsmäßig nochmal um 15 Kilo abgespeckte kleine Bruder G25CM mit bis zu 2.500 Nm Eingangsdrehmoment, vorgesehen für die 420- und 460-PS-Varianten. Erstaunlich ist die weite Spreizung, die laut den uns gezeigten Charts einen Anfahrgang (Crawler) mit 1 : 21 bietet und einen Overdrive im Bereich 1 : 0,8. Letzterer senkt wie schon bei den Vorgängermodellen die Marschdrehzahl auf deutlich unter 1.000 Umdrehungen, wenn nur wenig oder Teillast gefordert ist. Spezifiziert werden die Triebstränge aber immer auf den direkt durchtreibenden, zweithöchsten Gang, denn der ist unter Last stets der sparsamste.

Das senkt den Verbrauch, getreu dem alten Lehrsatz „Runter mit der Drehzahl, rauf mit der Last“. Dazu nötig ist freilich auch eine lange Hinterachs-Übersetzung, die diesen neuen Antriebsstrang vervollständigt. Die neue, einfach übersetzte Hinterachse heißt R765. Die schnellste ihrer acht verfügbaren Übersetzungen beträgt ein in dieser Bauart noch nicht da gewesenes Verhältnis von 1,95 : 1. Das ist wirklich sehr lang und ermöglicht nun auch drehzahlarme Gesamtübersetzungen etwa für Low-Deck-Zugmaschinen mit ihren kleinen Radgrößen. Entsprechend groß fällt das Banjo in der Mitte aus, das Antriebs- und Tellerrad beherbergt. Lange Übersetzungen ergeben niedrige Marschdrehzahlen und niedrigen Verbrauch, benötigen aber auch drehmomentstarke Motoren. Die Anfahr-Eigenschaften in Steigungen dürfen darunter nicht leiden, sonst gibt es Stress für die Kupplung. Mit den neu angepassten Komponenten hat Scania nun also einen Triebstrang-Baukasten, der all dies kann.

Fast nebenher haben die Södertäljer auch noch ihre Rahmen und wichtige Anbauteile auf Vordermann gebracht. Neue, standardisierte Lochmuster begünstigen die Montage schwerer Anbauteile wie etwa Kipphydrauliken oder Kräne hinterm Fahrerhaus. Die Tanks können nun weiter nach hinten rücken, was die Vorderachse entlastet.

Sauberer Kraftstoff

Ein ganz neues Gadget ist das Kraftstoff-Optimierungs-Modul (Fuel Optimization Unit, FOU): Es hat zwar noch keinen richtigen Namen (wie wär’s mit „Puffer-Tank“) und befindet sich in einer Kunststoffbox an der Stirnseite des Haupttanks. Darin verbergen sich ein rund 26 Liter großer Zwischentank, eine Niederdruckpumpe und ein Vorfilter mit integriertem Wasserabscheider. Was kann das Teil? Nun, in erster Linie sorgt es für sauberen Kraftstoff in jeder Lage. Und dafür, dass die Tanks nun tatsächlich fast leer gefahren werden können, ohne Gefahr zu laufen, Schmutz, Wasser und am Ende sogar Luft anzusaugen. Unabhängig von der Lage (Steigung, Gefälle, extreme Schrägfahrt) bekommt der Motor immer sauberen Sprit, das tatsächlich nutzbare Tankvolumen erhöht sich dadurch laut Entwickler Ola Henriksson von 87 auf 97 Prozent. Dieser Effekt sei auch der Grund dafür, dass sich die Reichweite der Super-Scanias erhöht habe – bei weniger mitgeführtem Sprit und damit auch Gewicht. Ganz nebenbei ist aber auch der Motorblock nun viel besser zugänglich, da die ihn zubauenden Komponenten nun in der FOU am Tank sitzen. Wie fahren sich die neuen Motoren? Antwort: ganz unspektakulär, fast wie die alten. Aber: Trotz der hohen Drücke klingen die neuen sogar einen Tick weicher und tiefer im Sound, der gut vernehmbar aber nie aufdringlich ist. Und: Sie vertragen tatsächlich Drehzahlen von sogar unter 900 pro Minute ohne Murren und Knurren, laufen erstaunlich geschmeidig. Die neue Ventilhebel-Dekompressionsbremse, Scania nennt sie CRB (Compression Release Brake), packt mit bis zu 354 kW Bremsleistung (481 PS) zwischen 1.700 und 2.400 Touren beherzt und sogar relativ leise an. Sie dürfte für mittelschwere Strecken eine um rund 100 Kilo leichtere und preislich deutlich günstigere, interne Konkurrenz für den Freewheeling-Retarder werden. Was der neue Antriebsstrang wirklich kann, werden wir im Frühjahr 2022 in den ersten Tests herausfinden.

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