Arbeitsplatz Lkw

Ob in Hamburg, Hürth oder Rosenheim – Speditionen in ganz Deutschland haben es schwer, qualifizierte Berufskraftfahrer zu finden. Wir haben bei drei Speditionen nachgefragt, um zu erfahren, wie es ihnen gelingt, sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Bojan Totic lässt uns teilhaben an seinem Alltag als Fahrer bei BTK und erzählt, in welche Rolle er für seine kroatischen Kollegen schlüpft.

Arbeitsplatz Lkw | Bild: Josh. Martens
Arbeitsplatz Lkw | Bild: Josh. Martens
Redaktion (allg.)

„Auch die Lkw-Fahrer hätten es verdient, beklatscht zu werden!“

Zu den Aufgaben von Susanne Martens-Ulrich gehört es, jederzeit ein offenes Ohr für die Fahrer zu haben. Kurz vor Beginn des Interviews war die Geschäftsführerin der Spedition Johs. Martens noch dabei, einen Fahrer zu „verarzten“. „Er war nicht krank, sondern musste einfach mal Dampf ablassen – auch das gehört zu meinen Aufgaben,“ sagt Martens-Ulrich. Sie ist die Enkelin von Johannes Martens, der 1945 die Spedition in Hamburg gegründet hat. Zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Mann führt sie das Speditionsunternehmen. Vater Hans zieht sich derzeit aus der aktiven Geschäftsführung zurück. Dass die ganze Familie „mitmischt“ funktioniere prima, da die Geschäftsbereiche untereinander gut aufgeteilt sind. Marcus Ulrich kümmert sich um die Kunden und das Tagesgeschäft, Martina Martens ist für die Finanzbuchhaltung zuständig, und Susanne Martens-Ulrich für das Personal. Da die Spedition sich auf Mineralöllogistik spezialisiert hat, gingen die Corona-Krise und der Lockdown nicht spurlos an ihr vorüber. Bis Juni war Kurzarbeit angemeldet, da zu ihren Kunden neben Tankstellen auch die Flughafenbetreiber gehören, die massive Einbrüche zu beklagen hatten und selbst Stellen abbauen mussten.

Von den 218 Mitarbeitern sind 191 Lkw-Fahrer. Während die Geschäftsleitung zu 50 % in weiblicher Hand liegt, sind es unter den Fahrer:innen nur 2 %. Dafür sind viele unterschiedliche Nationalitäten vertreten. Neben Polen und Russen kommen die Fahrer aus Kasachstan, der kirgisischen Republik, Albanien, Afghanistan, Belgien, dem Irak, Ghana, Holland, Rumänien und Tunesien. Dass sich so viele unterschiedliche Nationalitäten unter ihren Fahrern tummeln, war Susanne Martens-Ulrich gar nicht so bewusst. „Das zeigt aber auch, dass die Nationalität bei uns gar keine so große Rolle spielt. Bei uns ist es wichtig, dass sich die zwei Fahrer verstehen, die ein festes ‚Tandem‘ bilden, d.h. die sich ein Fahrzeug teilen und Früh- bzw. Spätschicht übernehmen. Und da wir Gefahrgut transportieren, müssen alle gut Deutsch sprechen, und sich auch am Telefon gut verständigen können.“

Azubi gesucht!

Für die Suche nach Fahrern nutzen sie bisher die normalen Kanäle und schalten Annoncen. Gut funktioniere die Mundpropaganda, wenn ein Fahrer positiv von seinem Job berichtet. Aber schwierig sei es schon, neue Fahrer zu gewinnen. „Der Fernfahrerjob wird einfach nicht positiv wahrgenommen, die Lkw werden eher als Störfaktor auf der Autobahn wahrgenommen,“ meint Martens-Ulrich. Habe sich denn das durch die Lieferengpässe am Anfang der Corona-Pandemie nicht geändert? Martens-Ulrich verneint. Das Pflegepersonal sei beklatscht worden, dabei hätten auch die Lkw-Fahrer es durchaus verdient, beklatscht zu werden, meint sie. Johs Martens bildet ab August wieder einen Berufskraftfahrer-Azubi aus. Eigentlich hätten sie zwei Stellen frei, aber es gibt keine Bewerber. Susanne Martens-Ulrich sieht sich nicht als Vorreiterin. „Klar ist die Logistik immer noch männerdominiert und ich war häufig die einzige Frau in Meetings.“ Sie ist gelernte Speditionskauffrau und hat Betriebswirtschaft studiert. 1992 ist sie in den Familienbetrieb eingestiegen. Dass sie und ihre Schwester die Nachfolge antreten, war nie eine große Frage. Sie empfindet es sehr angenehm, dass alle Belange, auch die Finanzen, in Familienhand seien. Letztes Jahr – wenn Corona nicht dazwischen gefunkt hätte, hätte man das 75-jährige Firmenjubiläum groß feiern können. Dafür bereitet man sich nun vor, jetzt wieder voll durchzustarten.

„Mit Klischees aufräumen“

„Es ist definitiv schwer, Fahrer zu finden“ sagt Björn Zimmer, Senior Specialist Corporate Communications & Marketing bei der Alfred Talke GmbH & Co. KG in Hürth und berichtet, dass sie intensiv auf der Suche nach qualifizierten Lkw-Fahrern sind. Da sich die Spedition auf den Transport von Chemikalien und Schüttgut spezialisiert hat, ist ein ADR-Schein Pflicht, also der Nachweis, dass der Fahrer auch gefährliche Stoffe befördern darf.  „Hier denken wir auch langfristig, denn wir wissen ja, wie viele unserer Fahrer in den kommenden fünf Jahren in Rente gehen werden.“ Hinzu komme der lokale Aspekt. Am Standort Hürth sei der Bedarf am größten. Derzeit beschäftigt das familiengeführte Mittelstandsunternehmen 250 eigene Fahrer, die fest angestellt sind. Über Subunternehmer sind noch einmal so viele Fahrer für Talke unterwegs.
Laut Björn Zimmer ist das „Employer Bran-ding“ elementarer Bestandteil der Kommunikation von Talke. Dazu werden auch die sozialen Medien genutzt – mit einem Schwerpunkt auf Facebook, da hier die Zielgruppe der 30- bis 50-jährigen erreicht wird. „Es besteht noch eine große Kluft zwischen der öffentlichen Wahrnehmung des Berufsbilds des Berufskraftfahrers und der Realität und da setzen wir an, um ein realistisches Bild zu vermitteln – mit Interviews von Kollegen und Berichten über den ‚Arbeitsplatz‘, sprich den Lkw selbst.“ Auch Jobangebote werden natürlich gepostet. Inwiefern die Posts auf Facebook etwas bringen, um Interessierte auf die Karriereseite zu lotsen, wird nicht analysiert, aber im Gespräch mit Bewerbern werden die Social-Media-Posts durchaus erwähnt.

Auch bei Talke sind verschiedene Nationalitäten unter den Fahrern vertreten – sie kommen aus Russland, Albanien, Polen, Griechenland oder Italien. Momentan machen eine Frau und ein Mann ihre Ausbildung zum Berufskraftfahrer bei Talke – Bewerbungen seien immer willkommen, betont der Marketing-Spezialist. Insgesamt liegt der Frauenanteil unter den Fahrern bei weniger als einem Prozent. „Auch hier müsse man mit Klischees aufräumen. Natürlich ist es verständlich, wenn sich junge Frauen nachts unterwegs nicht so sicher fühlen, aber was die körperliche Arbeit angeht, sei das alles machbar.“ Wichtig sei es, dass einfach auch die Infrastruktur da ist, damit Frauen diesen Beruf ausüben können, das fängt damit an, dass in den Autohöfen und Unternehmen separate Duschräume für Frauen vorhanden sind.

Fahrer gesucht in Texas

Deutsche Gründlichkeit ist auch „über dem Teich“ gefragt. Seit 2018 hat Talke einen Standort in Houston, Texas, und ist dort direkt an den Öl- und Gaskonzern ExxonMobil angeschlossen. Mitarbeiter von Talke über-nehmen die Kommissionierung im Lager und den Transport vom Werk zum Hafen. Auf der Website werden Fahrer gesucht. Es locken zahlreiche Sozialleistungen und ein Stundenlohn von mindesten 20 US-Dollar.

Erfreulich für die Fahrer des Logistikers hierzulande: Talke musste nicht auf Kurzarbeit umstellen – das Unternehmen hat die Regelungen während der Corona-Pandemie so umgesetzt, dass es keine Einbußen für die Fahrer gab. Wer sich impfen lassen will, wird freigestellt. Zimmer betont, dass auch der Verdienst überdurchschnittlich sei und die Fahrer 27 Tage Urlaub bekommen. Dass viele Dinge inzwischen digitalisiert sind, ziehe vor allem junge Menschen an.

Abladen, Ausruhen und Surfen in der „Fahrer-Lounge“

Am Freitagabend pünktlich zuhause sein und auch unter der Woche genug Zeit, um alle Termine ohne Stress einzuhalten – das verspricht die BTK Befrachtungs- und Transportkontor GmbH den Fahrern, die bei dem Logistiker anheuern. 185 festangestellte Fahrer beschäftigt die Spedition mit Hauptsitz in Rosenheim. Aktuell sucht das Logistik-Unternehmen zwei bis vier Fahrer. Bewerbungen gibt es, diese seien zwar „ein stetiges, aber eher laues Lüftchen“, erzählt Geschäftsführer Franz Weiß. Nur ganz wenige Bewerbungen kommen von Deutschen, interessiert sind Fahrer aus Kroatien, der Slowakei oder Polen. Die Spedition konkurriert hierzulande mit dem öffentlichen Nahverkehr und der Industrie. Denen, die den Job im Fernverkehr an den Nagel hängen, sei es wichtig, abends zuhause zu sein, weiß der Geschäftsführer.

BTK hat einige offene Stellen für Berufskraftfahrer. Wer die Firma „beschnuppern“ will, für den ist die Facebook-Seite erste Anlaufstelle: www.facebook.com/fahr.BTK. Interessierte im Raum Rosenheim können auch gleich Sepp oder Alex anrufen, um Näheres zu erfahren – so jedenfalls steht es auf der offiziellen Homepage: www.btk.de | Bild: BTK
BTK hat einige offene Stellen für Berufskraftfahrer. Wer die Firma „beschnuppern“ will, für den ist die Facebook-Seite erste Anlaufstelle: www.facebook.com/fahr.BTK. Interessierte im Raum Rosenheim können auch gleich Sepp oder Alex anrufen, um Näheres zu erfahren – so jedenfalls steht es auf der offiziellen Homepage: www.btk.de | Bild: BTK

Franz Weiß hat schon einige Vorschläge parat, wie man den Beruf des Truckers attraktiver gestalten könnte: „Es müsste an den Ladestellen Aufenthaltsräume geben. So eine Art Fahrer-Lounge in der sich Fahrer ausruhen können, essen, trinken, surfen oder fernsehen. Es geht nicht, dass ihnen Ladearbeit die Ruhezeit raubt. Mal ganz abgesehen vom Umgang miteinander! Fahrer sind erstklassige und wichtige Dienstleister und müssen wie jeder andere auch mit Respekt behandelt werden.“ Was er auch für wichtig hält: Dass interessierten Berufsanfängern der Einstieg in den Beruf leichter gemacht wird. Er fordert eine praxisorientierte Lehre und die Möglichkeit, dass auch die Fahrer Verantwortung übernehmen. Bei ihnen gehört das selbstverständlich mit dazu, ebenso wie ein gutes Gehalt. Auch ein festes Team soll dazu beitragen, dass sich die Fahrer wohlfühlen. Ein Fahrerbetreuer und fester Disponent bildet mit dem Fahrer ein Dreierteam. Und dass sich auch die Kollegen aus Kroatien besonders wohl fühlen, beweist der Bericht von Bojan Totic.


Fahrer sind erstklassige und wichtige Dienstleister und müssen wie jeder andere auch mit Respekt behandelt werden.
Franz Weiß, Geschäftsführer BTK Befrachtungs- und Transportkontor GmbH

Unterwegs mit Bojan Totic

Totic, der Dolmetscher: „Wenn jemand ein Problem hat, kommt er auf mich zu, und wir finden eine Lösung.“ Die Hilfestellung für seine kroatischen Kollegen reicht dabei von Behördenschreiben, die ausgefüllt oder beantwortet werden müssen, über Hilfe bei der Steuer bis zu Ratschlägen, was zu tun ist, wenn einer der Kollegen geblitzt wurde. | Bild: BTK
Totic, der Dolmetscher: „Wenn jemand ein Problem hat, kommt er auf mich zu, und wir finden eine Lösung.“ Die Hilfestellung für seine kroatischen Kollegen reicht dabei von Behördenschreiben, die ausgefüllt oder beantwortet werden müssen, über Hilfe bei der Steuer bis zu Ratschlägen, was zu tun ist, wenn einer der Kollegen geblitzt wurde. | Bild: BTK

Kufstein – Straßburg und zurück

Bojan Totic ist seit 20 Jahren Fernfahrer. Seit sechs Jahren arbeitet er für die Spedition BTK in Rosenheim. Sein Einstieg dort war auch der Beginn einer besonderen Verbindung zwischen seiner kroatischen Heimat in Krapina – ca. 50 km nördlich von Zagreb – und der oberbayerischen Spedition. Seitdem hat die Spedition auf seine Empfehlung hin an die 30 weitere Fahrer aus seiner Heimatregion angestellt. Allesamt sind sie Wochenendpendler. Fünf Stunden dauert die Fahrt zwischen Krapina und Rosenheim. Bojan ist sehr zufrieden mit seinem Arbeitgeber und er ist inzwischen in die Rolle des Ansprechpartners und Koordinators geschlüpft. Er fungiert als Mittler zwischen seinen kroatischen Kollegen, die bei weitem nicht so gut Deutsch können wie er, und dem Fuhrparkleiter Josef Oettl.

Rasenmäher für Frankreich

Seine eigene Route führt ihn jeden Tag über zwei Grenzübergänge: Von Kufstein aus, wo er seinen Scania 410 LNG mit Gartengeräten belädt, geht es nach Straßburg. Die etwa 500 km schafft er mit einer Übernachtung. Am nächsten Tag geht es wieder zurück. Man könnte meinen, die Franzosen seien Weltmeister im Rasenmähen, aber beliefert wird dort das europäische Zentrallager einer großen Spedition. Auf dem Rückweg nach Rosenheim hat er Papierrollen geladen. An der Grenze zu Österreich ist die Wartezeit oft besonders lang aufgrund der Blockabfertigung, nach Frankreich geht es schneller. Was immer spannend bleibt: Die Suche nach einem Rastplatz. Spätabends sind die Autohöfe voll, so dass Bojan nichts anderes übrig bleibt, als in einem Industriegebiet nach einem Stellplatz für die Nacht zu suchen. Was er sehr schätzt, ist früh losfahren zu können und sich die Zeit eigenverantwortlich einteilen zu können.

Klimafreundlich unterwegs

Bojans Scania hat ungefähr eine Reichweite von 1.200 km, damit schafft er seine Route. „Das ist ökologisch natürlich gut und wir müssen keine Maut zahlen, aber eine größere Reichweite und mehr Tankstellen mit LNG wären gut“, meint der Kroate.

Auch das Betriebsklima ist bestens

Dafür dass das Betriebsklima bei BTK hervorragend ist, spricht bereits die Tatsache, dass über Bojan so viele seiner Landsmänner ebenfalls bei der Rosenheimer Spedition eine Arbeit aufgenommen haben. Natürlich spielt es eine Rolle, dass sie hier etwa doppelt so viel verdienen wie in der Heimat. Aber auch für den Umgang untereinander findet Bojan nur lobende Worte. „Alle Kollegen werden hier mit Respekt behandelt, egal woher sie kommen. Und der Chef begrüßt jeden, wenn er ihm begegnet.“ Was schätzt er an den deutschen Kollegen? Die Pünktlichkeit und dass man sich auf sie verlassen kann. Und die kroatischen Kollegen sind immer bereit, jede Aufgabe zu übernehmen. „Die Arbeit wird dann so erledigt, dass keiner meckern kann“, lobt Bojan seine Kollegen.

Was die Arbeit trübt

Was weniger schön ist an der Arbeit als Fernfahrer neben der lästigen Parkplatzsuche: In letzter Zeit sind wieder vermehrt Planenschlitzer und Dieselklauer unterwegs. „Ein Kollege hat es gar nicht gemerkt, dass ihm über Nacht der Diesel abgezapft wurde,“ erzählt er. Hier wäre es gut, wenn die Sicherheit nicht nur auf Autohöfen, sondern auch auf normalen Rastplätzen höher wäre. Was ihm noch ein Anliegen ist: Jeder Autofahrer sollte einmal in die Fahrerkabine eines Lkw steigen und selbst erfahren, wie leicht es ist, Pkw-Fahrer zu übersehen, die im toten Winkel fahren. Nicht  jeder Lkw ist nämlich mit einer Dash-Cam oder einem Abbiegeassistenten ausgestattet. Was ihn ebenfalls ärgert: Er  macht häufiger die Erfahrung, dass Pkw-Fahrer ihn überholen und ihn dann ausbremsen. „Das ist wirklich gefährlich. Pkw-Fahrern ist nicht bewusst, was bei einer Vollbremsung mit voller Ladung passieren kann.“ Tatsächlich ein sehr unschönes Verhalten! Sich in die Rolle des Lkw-Fahrers hineinzuversetzen und sich weniger aggressiv zu verhalten, stünde jedem Autofahrer gut an – egal mit wie viel PS er unterwegs ist.

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