Autonome Lkw: Forschungsprojekt plant 2025 fahrelose Autobahnfahrten

Mit bebündelten Kräften wollen MAN Truck and Bus, Knorr-Bremse, Leoni und Bosch Sicherheit, Flexibilität und Effizienz in die Logistik bringen. Zusammen mit dem Anbieter für automatisierte Logistik Fernride und dem Test-Tool-Hersteller BTC Embedded Systems wollen sie im Projekt Atlas-L4 bis Mitte dieses Jahrzehnts erstmals autonom fahrende Lkw auf der Autobahn zum Einsatz bringen.

Mitte des Jahrzehnts sollen autonome Trucks auf den Autobahnen unterwegs sein, so das Ziel der Projektpartner. Bild: ATLAS-L4
Mitte des Jahrzehnts sollen autonome Trucks auf den Autobahnen unterwegs sein, so das Ziel der Projektpartner. Bild: ATLAS-L4
Christine Harttmann
(erschienen bei Transport von Nadine Bradl)

Das Forschungs- und Entwicklungs-Projekt Atlas-L4 (Automatisierter Transport zwischen Logistikzentren auf Schnellstraßen im Level 4) soll zeigen, dass der Einsatz von Level-4-automatisierten und damit von fahrerlosen Fahrzeugen auf der Autobahn machbar ist, und so die Basis für innovative Transport- und Logistikkonzepte legen, teilen die Projektpartner mit. Das Projekt greife damit unmittelbar die neuen Möglichkeiten auf, die sich aus dem 2021 verabschiedeten Gesetz zum autonomen Fahren eröffnen, mit dem Deutschland global eine Pionierstellung einnimmt. Damit trage Atlas-L4 sowohl zur zukunftsfähigen Ausgestaltung des Straßengüterverkehrs, aber auch zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland bei.

Weniger Staus, mehr Effizienz

Das übergreifende Ziel des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Vorhabens: mit autonomem Fahren zwischen Logistik Hubs auf der Autobahn einen wirksamen Beitrag zur Vermeidung von Staus und Unfällen zu leisten, die Fahrzeuge verbrauchseffizienter zu betreiben und dem Fahrpersonalmangel durch den Wegfall weniger attraktiver Fahraufgaben zu begegnen.

Fahrermangel begegnen

Weltweit seien Lkw für den Transport von Waren unverzichtbar – doch die Branche stehe unter Druck: Staus verursachen allein in Deutschland jedes Jahr einen volkswirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe, rund 90 Prozent der Unfälle auf den Straßen resultieren aus menschlichem Versagen, Fahrpersonalmangel bremst bei vielen Unternehmen das Wachstum. Nach Angaben des Branchenverbands BGL fehlen hierzulande schon heute mindestens 60.000 Berufskraftfahrer. Rund 17.000 Berufseinsteigende stehen jedes Jahr etwa 30.000 Berufskraftfahrern gegenüber, die in Rente gehen, sodass die Problematik stark zunehmen wird.
Autonome Lkw bieten hier Lösungsansätze. Mit ihnen können laut den Unternehmen die Sicherheit im Verkehr verbessert, Staus durch vorausschauende Planung reduziert und Einsatzzeiten optimiert werden.

Weniger Kraftstoff, mehr Umweltfreundlichkeit

Zugleich fahren autonome Lkw gleichmäßiger, sind dadurch kraftstoffeffizienter und somit umweltfreundlicher unterwegs. Automatisierte Abläufe entlang der Lieferkette – beispielweise auf Betriebshöfen, an Umschlagsplätzen oder zwischen Logistikzentren – entlasten Fahrer und können so dazu beitragen, das Tätigkeitsfeld des Lkw-Fahrens angenehmer zu gestalten: Gut für die Berufsgruppe, gut für die Gesellschaft, gut für die Unternehmen und nicht zuletzt gut für die Umwelt – eine mehrfache Win-win-Situation, sind sich die Projektpartner sicher.

Mit ATLAS-L4 machen die Projektbeteiligten nun einen großen Schritt, um autonome Nutzfahrzeuge Realität werden zu lassen. Bis Mitte des Jahrzehnts soll ein auf die Industrialisierung übertragbares Konzept für den Betrieb automatisierter Lkw auf der Autobahn vorliegen. Jeder Partner bringt dabei seine individuelle Expertise in die Entwicklung des fahrerlosen Prototypen-Lkw ein.

Projektpartner und Rollen

  • Der Nutzfahrzeughersteller MAN Truck & Bus ist verantwortlich für die Gesamtsystementwicklung und die Integration aller Komponenten in das Fahrzeug. Auch die Datenübertragung zum Fahrzeug und die Inbetriebnahme des Control Centers, das die Testfahrten im Sinne der im Gesetz zum autonomen Fahren vorgesehenen technischen Aufsicht überwachen wird, liegen in der Verantwortung von MAN.
  • Knorr-Bremse entwickelt die spezielle, redundant ausgelegte Bremssystemarchitektur, die den sicheren Betrieb eines Level-4-Lkw in jeder Situation ermöglicht.
  • Der Projektpartner Leoni stellt sicher, dass ebenso das Bordnetz und die elektronische Leitungsverteilung des Automatisierungssystems unabhängig von möglicherweise auftretenden Fehlern immer zuverlässig funktionieren.
  • Bosch Automotive Steering entwickelt ein fehlertolerantes Lenksystem für ATLAS-L4, das alle Anforderungen für die SAE-Level-4-Automatisierung erfüllt.
  • Das Münchner Startup Fernride untersucht die Möglichkeiten von Teleoperation im vom Projekt adressierten Hub-to-Hub-Szenario. Mit Fernrides Teleoperations-Plattform können autonome Fahrzeuge überwacht und bei Bedarf ferngesteuert werden.
  • Der Test-Tool-Hersteller BTC Embedded Systems AG widmet sich szenarien-basierten und simulativen Testansätzen zur Gesamtfahrzeugverifikation und Sicherheitsvalidierung unter besonderer Berücksichtigung von kritischen Fahrsituationen.
  • Das Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC erarbeitet im Projekt Methoden für Security-Risikoanalysen, die speziell auf das Umfeld automatisierter Lkw zugeschnitten sind.
  • Der Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der TUM steuert seine Expertise hinsichtlich verschiedener Fahrdynamikaspekte bei und erarbeitet Interaktionskonzepte für die technische Aufsicht.
  • Das Institut für Regelungstechnik der TU Braunschweig erarbeitet unter anderem Konzepte für den sicheren Betrieb von Level-4-Lkw sowie für die technische Self-Awareness von automatisierten Fahrzeugen.
  • TÜV SÜD wird bei den Projekttestfahrten seine umfassende Erfahrung mit Testumgebungen für automatisierte Fahrzeuge einbringen, dabei die Fähigkeiten der Fahrzeuge selbst sowie die Validität der Simulation testen und im Rahmen des Freigabeprozesses die Sicherheit der Fahrzeuge im Förderprojekt bewerten.
  • Mit der Einführung des ersten kooperativen Dienstes „Baustellenwarner“ hat die Autobahn GmbH die Grundlagen für das vernetzte und automatisierte Verkehrssystem der Zukunft gelegt und bringt aus Sicht des Straßenbetreibers ihre Erfahrung in Bezug auf die Anforderungen an das automatisierte Fahren in das Projekt ATLAS-L4 ein.

Dr. Frederik Zohm, Vorstand für Forschung und Entwicklung bei MAN Truck & Bus, sagt: „ATLAS-L4 ist für MAN ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Hub-to-Hub-Automatisierung, mit dem wir bereits künftige Serienanwendungen für eine Logistik 4.0 in den Blick nehmen. Die umfassende Kompetenz der Projektpartner bei ATLAS-L4 mit im Boot zu haben, ist ein unschätzbarer Vorteil hinsichtlich der hohen Sicherheitsanforderung und Einsatztauglichkeit künftiger autonomer Lkw.“

Dr. Jürgen Steinberger, Mitglied der Geschäftsführung, Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH, fügt hinzu: „Wir freuen uns sehr, gemeinsam mit unseren Projektpartnern bis Mitte dieses Jahrzehnts hochautomatisiert fahrende Lkw zu entwickeln und damit den Marktanforderungen zu begegnen. Knorr-Bremse übernimmt im Rahmen des Projekts alle Themen rund um die redundante Bremssystemarchitektur – inklusive eines Sicherheitskonzepts. Diese ermöglicht den sicheren und wirtschaftlichen Betrieb eines Level-4-Nutzfahrzeugs und gewährleistet ein Abbremsen sowie die sichere Kontrolle in jeder Situation.“

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