Autonomes Fahren: Irland forscht

Ebnen fahrerlose Fahrzeuge den Weg in eine bessere Zukunft? Damit beschäftigen sich nicht nur die Auto-Nationen, sondern auch zahlreiche Einrichtungen und Tochtergesellschaften großer Zulieferer und OEMs in Irland. Matthew O’Byrne White, Vice President of Engineering & Green Economy, IDA Ireland, gibt einen Einblick hinter die Kulissen.

 

Kurvige Straßen, auf dem Land wenig und in den Städten viel Verkehr: In Irland forschen zahlreiche Unternehmen am autonomen Fahren. | Foto: Andrew Ridley/Unsplash
Kurvige Straßen, auf dem Land wenig und in den Städten viel Verkehr: In Irland forschen zahlreiche Unternehmen am autonomen Fahren. | Foto: Andrew Ridley/Unsplash
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Redaktion (allg.))

Das Interesse der Verbraucher und Verbraucherinnen an fahrerlosen Autos hat in den letzten Jahren rapide zugenommen und zu einer verstärkten Entwicklung der Technologie sowie zu einer angepassten Gesetzgebung der Regierung geführt. Matthew O’Byrne White, Vice President of Engineering & Green Economy, IDA Ireland, untersucht, wie sich die Landschaft entwickelt und wie die Branche sicherstellen kann, dass automatisierte Fahrzeuge ihr Potenzial voll ausschöpfen, und geht dabei auf mögliche zukünftige Trends, Bedenken und Realitäten ein.

Autonomes Fahren soll Unfälle vermeiden

Autonomes Fahren wird Realität und stößt auf starkes Interesse. Der Hauptvorteil liegt in der Reduzierung von durch menschliche Fehler verursachten Unfällen, die derzeit 90 Prozent der Verkehrsunfälle ausmachen. Durch die Beseitigung solcher Fehler können fahrerlose Fahrzeuge Leben retten und medizinische Kosten senken. Zusätzlich bieten sie verschiedene Anwendungsmöglichkeiten und Kosteneinsparungen, wie etwa erschwingliche Mobilität durch autonome Taxis und Ridesharing-Dienste, wovon Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen profitieren. Die Verringerung von Verkehrsstaus und Kohlenstoffemissionen ist ein weiterer positiver Effekt.

Ein strittiger Punkt im Zusammenhang mit autonomen Fahrzeugen ist jedoch die Klärung der Verantwortung im Falle eines Unfalls. Die britische Regierung hat bereits Änderungen an der Straßenverkehrsordnung vorgenommen, die es Fahrer*innen ermöglichen, die Haftung auf das automatisierte Fahrsystem zu übertragen. Auch die Versicherungsunternehmen stellen sich auf diesen Wandel ein. Diese jüngsten Entwicklungen sind Teil eines umfassenderen Rechtsrahmens, der im Jahr 2025 angekündigt werden soll, um die Auswirkungen der Technologie für fahrerlose Fahrzeuge anzugehen.

Deutschland arbeitet in ähnlicher Weise an einer Regelung für automatisierte Fahrzeuge (AVs) und hat ein Gesetz verabschiedet, das es Unternehmen erlaubt, ab 2022 Robo-Taxis und fahrerlose Lieferdienste auf öffentlichen Straßen einzusetzen. Frankreich ist noch einen Schritt weitergegangen und hat im November 2021 als erstes europäisches Land Fahrzeuge zugelassen, die „völlig autonom auf öffentlichen Straßen fahren“.

Irland an der Spitze: Das Rätsel des fahrerlosen Fahrzeugs lösen

Die Nachfrage in der Bevölkerung und die daraufhin erlassenen Vorschriften für autonome Fahrzeuge haben den Unternehmen einen neuen Sinn für diese technologische Innovation gegeben. Die von Google unterstützten Waymo-Sensoren, -Radare und -Technologien für autonomes Fahren und die Partnerschaft mit Jaguar Land Rover (JLR) sind von zentraler Bedeutung für die Herstellung des weltweit ersten selbstfahrenden Premium-Elektrofahrzeuges.

Ein Teil dieses Erfolgs ist auf Partnerschaften mit staatlich geförderten Initiativen zurückzuführen, wie dem Future Mobility Campus Ireland (FMCI). Diese Initiative zielt darauf ab, Start-ups, KMU, multinationalen Unternehmen und Forscher und Forscherinnen die Möglichkeit zu geben, gemeinsam Lösungen für Systeme und Technologien in einem „Labor unter realen Bedingungen“ zu erproben, zu testen und zu entwickeln. Dies hat sich als ausschlaggebend für die Forschungs- und Testfortschritte von JLR erwiesen, das sich für eine Zusammenarbeit mit dem FMCI sowie mit globalen Software-, Mobilitäts- und Telekommunikationsunternehmen entschieden hat, um ein Smart-City-Hub zu schaffen, zu schaffen, in dem es seine autonomen Systeme in Shannon testen kann.

Am LERO-Institut, einer Einrichtung der Universität Limerick, die sich mit Softwareforschung beschäftigt, arbeiten Experten und Expertinnen unter anderem an leistungsfähigeren Sensoren und Algorithmen, um das autonome Fahren voranzubringen. Infolge dieser Fortschritte entscheiden sich immer mehr Unternehmen für Irland als Standort für ihre AV-Technologieentwicklung.

Valeo fertigt in Tuam seine Nahfeldkameras

So erreichte der französische Automobilzulieferer Valeo im April 2022 einen großen Meilenstein, als er in seinem Werk in Tuam (Irland), das derzeit rund 850 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt, die hundertmillionste Nahfeldkamera (die für die Rück- und Rundumsicht im Auto sorgt) produzierte.

Irland punktet mit Tech-Standorten

Irland entwickelt sich zu einem wichtigen Hotspot für AV-Technologien und Fahrzeugtests — es beherbergt heute einige der weltweit am besten ausgebildeten Forschungstalente in den Bereichen Fintech, Cybersicherheit, künstliche Intelligenz (KI) sowie Ingenieur- und Industrietechnik. Der Talentpool ist sehr engagiert, was es spezialisierten Teams ermöglicht, schnell zu wachsen. Der Indeed-Bericht „2020 State of European Tech“ hat ergeben, dass in Irland sowohl eine hohe Nachfrage nach als auch ein großes Angebot an technischen Berufen besteht, darunter Software-Ingenieure und -Ingenieurinnen, Anwendungsentwickler und Anwendungsentwickler, Datenwissenschaftler und Datenwissenschaftlerinnen, UI/UX/Grafikdesigner und -designerinnen und Webentwickler sowie Webentwicklerinnen.

Auch bei den wissenschaftlichen und technischen Qualifikationen liegt Irland an der Spitze der EU. Vier Prozent der unter 30-Jährigen haben einen Abschluss in einem der MINT-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, was fast doppelt so hoch ist wie der EU-Durchschnitt.

Anspruchsvolle Bedingungen für autonomes Fahren

Das irische Klima ist ideal für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Im Gegensatz zu trockenen und geraden Straßen sind die anspruchsvollen Fahrbedingungen im Westen Irlands optimal für die Erprobung unter härtesten Bedingungen. Darüber hinaus hat General Motors Irland zu einem seiner wichtigsten Zentren erklärt. GM Ireland entwickelt neue Technologien in den Bereichen autonomes Fahren, Ridesharing und sicherere Fahrlösungen. GM hat sich zum Ziel gesetzt, die Zukunft der persönlichen Mobilität durch die Konvergenz von Elektrifizierung, autonomen Fahrzeugen, Konnektivität und gemeinsamen Mobilitätsdiensten voranzutreiben. Auf diese Weise leisten internationale Unternehmen Pionierarbeit bei der Nutzung autonomer Fahrzeuge in Irland.

Ein im Wortsinn kurvenreicher Weg vor uns 

Die jüngsten Mc Kinsey-Berichte deuten darauf hin, dass sich die Branche derzeit im Stadium der teilautomatisierten Technologie (Stufe 2) mit Fahrerassistenzfunktionen befindet. Andere Unternehmen sind jedoch auf dem Vormarsch, wie beispielsweise Waymo und JLR, die Stufe 3 erreichen, bei der die Fahrzeuge selbstständig Entscheidungen treffen können. 

Aber auch wenn die Ära der AV schnell näher rückt, gibt es immer noch verschwommene und unsichere Fragezeichen, die beantwortet werden müssen. Wird zum Beispiel die Debatte über Robo-Taxis und Autos den derzeitigen Appetit der Verbraucher*innen auf einheimische Autos zum Guten oder zum Schlechten verändern? Werden Carsharing und Robo-Taxis angesichts der anfänglich hohen Preise für Privatfahrzeuge die Zukunft sein, in der eine Person dieses Transportmittel nur bei Bedarf nutzen kann? Für die große Mehrheit der Menschen scheint dies das kraftstoffsparendste und kostengünstigste Verkehrsmittel zu sein. Aber wie wird sich dies auf die reguläre Fahrzeugindustrie auswirken? 

 

Und was die Cybersicherheit angeht, so werden AVs durch die Abhängigkeit von der Technologie für Cyber-Bedrohungen immer verlockender. Darüber hinaus ist die Frage der Haftung in ganz Europa für die Aufsichtsbehörden auf jeder Ebene der AVs weiterhin ein Problem. Die Auswirkungen, die dies auf die Versicherungsunternehmen haben wird, können nicht unterschätzt werden. 

Und schließlich ist die Herausforderung, Vertrauen aufzubauen und Legitimität zu erlangen, vielleicht eines der am schwersten zu überwindenden Hindernisse. Obwohl die Menschen AVs in der Zukunft begrüßen könnten, fällt es ihnen vielleicht schwer, sie jetzt zu akzeptieren. Die Legitimierung dieser Fahrzeuge wird Zeit brauchen, vielleicht Jahrzehnte, aber wenn man herausfindet, was die Kunden und Kundinnen von diesen Technologien erwarten, werden die Unternehmen in der Lage sein, fahrerlose Fahrzeuge so herzustellen, dass sie möglichst vielen Menschen zugutekommen. 

Was bedeutet das?

Auch wenn die vollständige Einführung autonomer Fahrzeuge noch Jahrzehnte dauern wird, werden sie aufgrund ihrer Sicherheit, ihrer Kosten, ihres Komforts und anderer Faktoren allgegenwärtig und unverzichtbar sein. Die Unternehmen, die sich am schnellsten anpassen und vorausschauend planen können, werden nicht nur überleben, sondern die Welt, in der wir heute leben, für immer revolutionieren.

Gastbeitrag von Matthew O’Byrne White, Vice President of Engineering & Green Economy, IDA Ireland

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