Bilstein: Vom Beschläge-Spezialisten zum Stoßdämpfer-Profi

Das nordrhein-westfälische Unternehmen versorgt heute die Automobilbranche als Erstausrüster mit Dämpfungs- und Fahrwerkkomponenten. Doch die Erfolgsgeschichte begann vor 150 Jahren mit der Produktion von Fensterbeschlägen.

Vor 150 Jahren gegründet, seit knapp 70 Jahren Stoßdämpferspezialist, ist Bilstein seit 1973 auch mit einem Tochterunternehmen in den USA vertreten. | Bild: Bilstein.
Vor 150 Jahren gegründet, seit knapp 70 Jahren Stoßdämpferspezialist, ist Bilstein seit 1973 auch mit einem Tochterunternehmen in den USA vertreten. | Bild: Bilstein.
Redaktion (allg.)
(erschienen bei PROFI-Werkstatt von Claudia Leistritz)

1873 und somit zu einer Zeit, da es noch keine Automobile gab, gründete August Bilstein ein Unternehmen zur Herstellung von Fensterbeschlägen. Das ist genau 150 Jahre her. Mitten in der Zeit der Hochindustrialisierung, in der Technik und Gesellschaft einem tiefgreifenden Wandel ausgesetzt waren, vergrößerte sich der Betrieb durch stetige Anpassungen an moderne Fertigungstechnologien. Zu seinem Jubiläum erzählt der Ennepetaler Dämpfungsexperte aus seiner Geschichte.

Stetiges Wachstum

So kam 1885 mit einer eigenen Temperei, die das Erhitzen von Materialien über einen längeren Zeitraum hinweg ermöglichte, die Erweiterung auf Baubeschläge und Schraubzwingen hinzu. Ein nächster großer Schritt folgte 1919, als der Sohn Hans die Firma übernahm und ein eigenes Bandeisen-Walzwerk errichtete: die Investition war notwendig geworden, da zu dieser Zeit die erforderlichen Halbrundstangen für Fensterbeschläge kaum noch zu bekommen waren.

In dieser Zeit nahm auch die Entwicklung des Automobils langsam Fahrt auf. Mitte der 1880er- Jahre brachte Carl Friedrich Benz seinen Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 heraus, 1897 erfand Rudolf Diesel den ersten Dieselmotor und 1900 baute Ferdinand Porsche das erste Automobil mit Allradantrieb. Weitere Meilensteine waren 1913 die Fließbandproduktion des Ford T in den USA und die Übernahme dieser Herstellungsweise erstmals in Deutschland bei Opel 1924. Zehn Jahre später erhielt Ferdinand Porsche den Auftrag zum Bau eines „Volkswagen“. Die Massenproduktion des 1938 serienreifen Kleinwagens verhinderte der Krieg.

Beginn mit Stoßstangen

Für Hans Bilstein bahnte sich der Weg in die Automobilbranche, als er 1930 die Hebezeugfabrik „Levator“ übernahm und als erster verchromte Stoßstangen für den Einsatz an Serienfahrzeugen herstellte. In dieser Richtung ging es dann konsequent weiter, und Bilstein baute 1938 mit Übernahme der Wiener Firma Rodolf Robitschek, einem Hersteller von hydraulischen Wagenhebern, seine Marktposition weiter aus. Ein neues Gebiet erschloß sich Hans Bilstein 1940 mit dem Bereich Schwenk- und Drehkräne zur Instandsetzung von Militärfahrzeugen – ein dann vor allem in der Nachkriegszeit gefragtes Betätigungsfeld.

Spezial-Stoßdämpfer

Die Spezialisierung auf die heutige Domäne Stoßdämpfung wurde 1954 eingeleitet: Die Bilstein-Ingenieure setzten im serienreifen Einrohr-Gasdruck-Stoßdämpfer erstmals das De-Carbon-Prinzip um, das bis heute als wichtiger Beitrag in Bezug auf Fahrsicherheit, Leistung und Komfort gilt. Mercedes-Benz verwendete das Bauteil erstmals 1957 in einem Serienfahrzeug. Ihre Überlegenheit gegenüber den Teleskop-Dämpfern machte die Komponente auch für den Motorsport interessant, in den Bilstein Anfang der 60er-Jahre einstieg: 1961 baute Porsche den Stoßdämpfer in seine Formel-1-Rennwagen ein und stattete ab 1962 alle seine Rennfahrzeuge damit aus, dann ab 1965 auch alle Prototypen und Sportwagen.

Weitere Standbeine

Die globale Ausweitung kam 1973 mit Gründung der Firmentochter Bilstein Corporation of America im kalifornischen San Diego. Zehn Jahre später, 1983, entwickelte man für den Formel-1-Rennstall McLaren neue Stoßdämpfer. Bereits im Jahr darauf folgte der erste Zweirohr-Gasdruckdämpfer, eingesetzt in den Mercedes-Benz 190. Einige Jahre später, 1988, wurde das gesamte Unternehmen August Bilstein GmbH mit allen Niederlassungen und Beteiligungen an die Hoesch AG verkauft, die wiederum 1992 vom damaligen Krupp-Konzern übernommen wurde. Mit Aufkommen der ersten elektronischen (semi)-aktiven Dämpfungssysteme stellte man den Bereich Kranbau ein.

Nach der Fusionierung von Krupp mit dem Stahlkonzern Thyssen 1999, die zur Umbenennung in Thyssenkrupp Bilstein führte, baute man die Geschäftsbeziehungen zu Mercedes-Benz, einem der ersten Auftraggeber im Automobilgeschäft, weiter aus. So erhalten seit diesem Jahr alle Mercedes S-Klassen ein Bilstein-Luftfederungssystem , und seit 2002 produziert man das Luftfedermodul für die Mercedes-Benz E-Klasse. Eine weitere Innovation kam 2004 mit DampMatic, der passiven amplitudenselektiven Dämpfkraftverstellung für die Mercedes-Klassen sowie in Zusammenarbeit mit Porsche das elektronisch stufenlos verstellbare Dämpfungssystem DampTronic. Ein Jahr später folgten weitere Luftfedermodule für die Mercedes S-Klasse.

Noch heute zählen führende Automobilhersteller auf Bilstein in der Erstausrüstung – unter anderem dank der hohen Qualitätsstandards der Marke, wie das Unternehmen berichtet. Als weitere Marken werden Aston Martin, Audi, BMW, Bugatti, Jaguar und Land Rover genannt. Den höchsten Anforderungen würden aber auch die Bilstein Aftermarket-Produkte entsprechen, da sie von denselben Produktionslinien kommen. Das Portfolio umfasst Hochleistungsdämpfer, Sport- und Gewindefahrwerke sowie Komponenten zur Fahrwerksoptimierung und kann damit laut eigenen Angaben auf jede gewünschte Fahrzeugcharakteristik eingehen. Mittlerweile ist Bilstein neben mehreren Standorten in Deutschland und den USA auch in Mexiko, England sowie in China mit eigenen Niederlassungen vertreten. Gegenwärtig produzieren weltweit rund 4.600 Mitarbeiter an sechs Standorten rund 13 Millionen Stoßdämpfer jährlich.

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