Bundestag lehnt Tempolimit ab - Regierung will Klimapaket zügig durchwinken

Während sich eine überwältigende Mehrheit im Bundestag gegen ein Tempolimit von 130 km/h ausspricht, will die Regierung das Klimaschutzpaket zügig verabschieden.

Land der unbegrenzten Geschwindigkeiten: Der Bundestag lehnte einen Antrag der Grünen auf ein Tempolimit von 130 km/h ab. | Foto: Pixabay
Land der unbegrenzten Geschwindigkeiten: Der Bundestag lehnte einen Antrag der Grünen auf ein Tempolimit von 130 km/h ab. | Foto: Pixabay
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Mit einer überwältigenden Mehrheit hat der Deutsche Bundestag den Antrag der Grünen abgelehnt, in Deutschland aus Sicherheits- und Klimaschutzgründen zum 1. Januar 2020 ein allgemeines Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen einzuführen. 498 Abgeordnete hatten sich gegen den Vorstoß ausgesprochen, nur 126 votierten dafür. Unterdessen zeigte eine neue Umfrage, dass mittlerweile eine Mehrheit der Deutschen für ein Tempolimit auf Autobahnen ist. 56,5 Prozent votierten in einer repräsentativen YouGov-Umfrage im Auftrag von mobile.de für ein Tempolimit aus, nur 16,8 Prozent waren strikt dagegen. Auch die Gewerkschaft der Polizei hatte sich aus Gründen der Verkehrssicherheit schon im Frühjahr gemeinsam mit einem breiten Bündnis mit Unfallopfer- und Umweltverbänden für ein Tempolimit ausgesprochen und erhofft sich eine signifikante Reduzierung der Zahlen bei den schweren Unfällen. Deutschland verliere bei der Verkehrssicherheit den Anschluss an die europäische Spitzengruppe, so die Aussage damals. Laut GdP sterben rund 300 Menschen sterben jedes Jahr bei Unfällen auf Autobahnabschnitten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung.

„Es gibt keinen triftigen Grund, der gegen ein generelles Tempolimit spricht", hieß es in einer Erklärung.

Wie eine Studie des Instituts Agora Verkehrswende zeigt, ließen sich durch ein Tempolimit von 130 km/h ab dem Jahr 2020 die Kohlendioxid-Emissionen des Autoverkehrs in Deutschland um 1,1 bis 1,6 Prozent sinken können, über eine Million Tonnen CO2. 

Ein Tempolimit war wegen der Weigerung der CSU-Fraktion und des Bundesverkehrsministers auch nicht Teil des Klimapakets, das die Bundesregierung jetzt schnell verabschieden will. Aus einer jüngsten Strategiesitzung wurde laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks verlautbart, dass mehrere Gesetze zur Verringerung des CO2-Ausstoßes noch in diesem Jahr in Kraft treten sollen, unter anderem höhere Steuern auf Flugtickets und eine höhere Pendlerpauschale. Für ein schnelleres Procedere soll das Paket in einem verkürzten Verfahren parallel in Bundestag und Bundesrat eingebracht werden.

Was bedeutet das?

Abgesehen davon, dass die Bundestagsabgeordneten ihr sonst für populäre Aktionen so feines Gehör diesmal nicht sonderlich weit aufgesperrt haben können: Eine Mehrheit ist mittlerweile für ein Tempolimit. Gut so! Es ist in Zeiten der Klimakrise eigentlich keinem vernünftig denkenden Menschen mehr vermittelbar, warum man nicht alle nur erdenklichen Maßnahmen ergreift, um die immer dramatischer sichtbaren Folgen einzudämmen. Anderthalb Prozent CO2-Einsparung, das nimmt man doch für das Aufstellen von ein paar Schildern locker mit. Sozusagen ein erstklassiges Preis-Leistungs-Verhältnis, für das sonst etwa eine halbe Million Mittelklasse-Pkw von der Straße verschwinden müssten! Zumal, wenn man jährlich hunderte von Verkehrsunfällen mit Todesfolge und schweren Schicksalsschlägen für die Familien vermeiden könnte und der Autobahnalltag auch für Lkw- und Busfahrer leichter wäre, wenn die Differenzgeschwindigkeiten nicht mehr so gravierend wären.

Daneben erfordern Elektromobilität und autonomes Fahren über kurz oder lang ohnehin Limitierungen. Zum einen um die temposensiblen Akkus zu schonen, zum anderen, weil ein steter Verkehrsfluss nötig ist, um überhaupt automatisierte Prozesse im Verkehr zu realisieren. Die Abgeordneten hätten darüber hinaus die Chance gehabt, ein Signal in alle Welt zu senden: Das in der westlichen Welt einzige Land ohne Tempolimit hat verstanden, wir machen uns auf den Weg und nehmen Klimaschutz und Verkehrssicherheit ernst. So ernst kann es den Repräsentanten damit offenbar nicht sein. Es ist höchst irrational und irritierend, dass sich fast fünf von sechs Parlamentariern der Vernunft und den Fakten verweigern. So ernst kann es ihnen nicht sein, mit dem Klimaschutz.

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