Das erste Museum für Bademode und Badekultur der Welt
Seit Anfang Juli können Besucher in Bad Rappenau die Entwicklung der Badekleidung ab 1860 bis hin zum modernen Bikini nachvollziehen und in vergangene Zeiten abtauchen.
Frauenpower! Die Befreiung
Die Geschichte der Emanzipation kann auch in vielen Aspekten der Badekultur auf einen langen und steinigen Weg zurückblicken: Über 100 Jahre kämpften Frauen auf vielen Kontinenten gegen gesellschaftliche Erwartungen und politische Badevorgaben. Schwimmen war anfangs mit der vorgeschriebenen Kleiderfülle sogar lebensgefährlich. Auch heute gibt es noch viele Vorbehalte und in den „Burkini-Ländern”, mit der in den westlichen Ländern überwundenen Ganzkörperbadebekleidung, zum Teil nur eingeschränktes Badevergnügen. Ob und inwieweit eine Frau ihren Körper beim Baden zeigen möchte, sollte letztendlich ihre individuelle Entscheidung sein – unabhängig von der „idealen Bikini-Figur”, die häufig in der Medien- und Werbewelt propagiert wird. „Unsere Mission ist es daher, Frauen jeden Alters, Figur und Hautfarbe zu bestärken, ‚mutig‘ zu sein und sich von konventionellen Schönheits-
idealen ein Stück weit zu lösen. Das BikiniARTmuseum ist eine Hommage an die entschlossenen Vorausgängerinnen und Wegbereiterinnen im Gestern und Heute. Dafür haben wir ‚JANARA‘ ins Leben gerufen, unsere Symbolfigur, die für den langen Weg der Befreiung steht.", sagt der Initiator des BikiniARTmuseums Alexander Ruscheinsky, genannt Alexx.
Die Entstehungsgeschichte des Museums
Alexx liebt Wärme, Strand und Bermudas. Eines sonnigen Februartags in Rio de Janeiro – ein Montag – lernt er die bemerkenswerte Brasilianerin Alda kennen. Alda ist zu dem Zeitpunkt 70 Jahre jung und eine echte Lebenskünstlerin. Sie erzählt von ihrem Leben, ihrer Bademodenfabrik und ihren vielen turbulenten Ehen, einige davon in Europa, an der Côte d‘Azur. Sie zeigt Alexx ihr großes Fotoalbum mit den unglaublichsten Erinnerungen und Bildern: von damals in Badekleidung auf Yachten oder beim Sonnenbaden am Strand. Alda deutet auf zwei Fotos von sich mit der monegassischen Prinzessin, Caroline Grimaldi, und mit Jean-Paul Belmondo am Strand und auf dem Boot, natürlich in Badekleidung, und lächelt verschmitzt. Ihr Traum: Ihre Lebensgeschichte in einer Bikini Ausstellung zu kuratieren. Einen Raum voll mit ihren persönlichen Erinnerungsstücken, Fotos und unvergesslichen Strandmomenten zu schaffen. Leider blieben ihre Versuche bis dahin ohne Ergebnis.
Zurück in Deutschland geht Alexx diese Begegnung nicht mehr aus dem Kopf. Er beginnt sich mit dem Thema Bademode auseinanderzusetzen, entdeckt immer mehr Faszinierendes und eine vorher nicht vermutete Tiefe und Breite des Themas. Auch gibt es keine zentralen Treffpunkte von Bademode und Badekultur – höchstens Verkaufsveranstaltungen – geschweige denn ein Bademodenmuseum.
Er entdeckt viele sehr persönliche Geschichten, auch über Firmen, über Verbote und Skandale und von ganz starken Frauen, die hier zu Wegbereiterinnen wurden. Die Vision eines Bikini-Museums nahm immer mehr Gestalt an. Vielfältige Begegnungen prägen heute das Museum: Dabei seien hervorgehoben, die Treffen in Miami mit dem Kunstexperten und Museumskurator („WEAM“) Helmut Schuster oder mit Bruce Wigo, der als Präsident und CEO von 2005 bis 2019 die „International Hall of Swimming“ (ISHOF) in Fort Lauderdale, USA, geleitet hat. Gespräche in Paris mit der weltweit führenden Bademodenexpertin- und Sammlerin, Ghislaine Rayer, und ihrem Partner Patrice Gaulupeau, führten schließlich zur Idee, dem BikiniARTmuseum ihre außergewöhnliche und nicht übertreffbare Bademodensammlung mit einem Umfang von über 400 Exponaten endültig zu übergeben, um diese im Ganzen nachhaltig und an einer herausragenden Stelle bewahren zu können. Und so nahm die Entwicklung des BikiniARTmuseums ihren Lauf.
Alexx traf Alda nie mehr. Die vorhandene E-Mail-Adresse sowie die Telefonnummer Aldas blieben stumm. Zu gerne hätte er Alda davon erzählt, dass aus ihrer Idee einer privaten Bikini-Ausstellung in Rio de Janeiro tatsächlich das weltweit erste Museum für Bademode und Badekultur entsteht. „Vielleicht hat sie ja wieder einen Mann geheiratet und ist an die Riviera gezogen“, sinniert Alexx, „aber vielleicht spaziert sie eines Tages in das Museum und sagt „bom trabalho, meu amigo!“
Das skandalöseste Kleidungsstück der Geschichte hat endlich ein Zuhause gefunden
Am 5. Juli 1946, nur wenige Tage nach den verheerenden Atombomben-Tests der USA im Bikini-Atoll, detonierte inmitten Frankreichs eine „Bombe“ ganz anderer Art. Für diesen Tag hatte der französische Bademodendesigner Louis Réard eine Misswahl im bekannten Pariser Schwimmbad Molitor ausgerufen. Hier stellte er den bis dato kleinsten Badeanzug der Welt vor, den „Bikini“. Symbolisch sollte der Bikini – damals eine absolute Provokation der Gesellschaft – mit der Sprengkraft der Atomversuche assoziiert werden. Und es wäre auch kein anderer Name passender gewesen, denn Réards „Erfindung“ schlug ein wie eine Bombe. Es war ein ungeheuerlicher Skandal, der sich in den darauffolgenden Tagen wie ein Lauffeuer um die Welt verbreitete. Ghislaine Rayer, weltweit führende Expertin für Lingerie- und Bademode und Autorin des wichtigsten Buches über Bademode, „Bikini, la légende“, erklärt: „Louis Réard, der Schöpfer des Bikinis, war unglaublich visionär und seiner Zeit weit voraus. Seine Badeanzüge wurden von den großen internationalen Stars dieser Zeit oder von Frauen der High Society getragen. Da sie hauptsächlich nach Maß gefertigt wurden, sind sie praktisch nicht zu finden. Das BAM ist das einzige Museum der Welt, in dem gleich mehrere der exklusiven Werke von Louis Réard zu sehen sind.” Ein Réard-Bikini ist das Herzstück jeder Bademodensammlung. Der Goldene Réard ist das Juwel!”
Natürlichkeit & raffinierte Erotik, Ästhetik & Vermarktung, Freiheit & Verbote – Im Bikini steckt eine niemals erklärbare Sprengkraft. Heiße Sommertage haben eigene Gesetze. Selbstbestimmung und Wohlfühlen können nicht zur Disposition gestellt werden.
Alexander Ruscheinsky, Initiator BikiniARTmuseum
Fotos: BikiniARTmuseum, Fotograf Florian Busch / Eberhard Göhrum