"Die Politik treibt die Autoindustrie in die nächste Vertrauenskrise"

Im Vergleich zum Grenzwert des Jahres 2021 muss der CO2-Ausstoß neuer PKW bis 2030 um 37,5 Prozent sinken. Am vergangenen Montag hat nun der EU-Ministerrat abschließend den verschärften Emissionsnormen für neue PKW zugestimmt. Dr. Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft ERDGAS, kommentiert die Entscheidung: 

Insbesondere grünes Gas bietet als Kraftstoff großes Klimaschutzpotenzial. Foto: Zukunft ERDGAS / Kai-Uwe Knoth
Insbesondere grünes Gas bietet als Kraftstoff großes Klimaschutzpotenzial. Foto: Zukunft ERDGAS / Kai-Uwe Knoth
Bert Brandenburg

"Der Beschluss zu verschärften Grenzwerten wirkt auf den ersten Blick zwar wie ein ambitionierter Entschluss für mehr Klimaschutz. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber um ein bloßes Lippenbekenntnis: Die Festlegung, Autos nur am Auspuff und somit Elektrofahrzeuge per Definition als Null-Emissionsfahrzeuge zu bewerten, ist Augenwischerei. Denn wer schnell Klimaschutz will, darf die Vorkettenemissionen für die Energieerzeugung und Fahrzeugproduktion nicht außer Acht lassen. Und hier gerät Elektromobilität klar in das Hintertreffen, da der deutsche Strom einen großen CO2-Fußabdruck hat, solange der Kohleausstieg nicht vollzogen ist, wie die jüngste Studie 'Kohlemotoren, Windmotoren und Dieselmotoren: Was zeigt die CO2-Bilanz?' des ifo zeigt. 

Besonders deutlich wird die Fehlsteuerung bei sogenannten Plug-in Hybriden: Diese Fahrzeuge mit der Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor haben auf dem Papier oft absurd niedrige CO2-Emissionswerte, in der Praxis sehen sie die Ladesäulen hingegen nur sehr selten. So erfüllt ein Porsche Panamera Plug-In-Hybrid mit 60g CO2/km auf dem Papier heute schon die Grenzwerte von 2030, und das obwohl er auch über einen kraftvollen Sechszylinder-Verbrennungsmotor mit 330 PS verfügt. Ein mit Biomethan betriebener, also klimaneutraler VW eco up!, dessen kleiner Dreizylindermotor 68 PS leistet und der nur knapp ein Zehntel in der Anschaffung kostet, hat hingegen 82g CO2/km im Kfz-Schein stehen. Mit diesem Wert wird er die politisch gesetzten Zielwerte verfehlen. Es wird deutlich erkennbar: Den Herstellern droht in Anbetracht solch irreführender Angaben eine noch weitreichendere Vertrauenskrise als beim Diesel. 

Und auch industriepolitisch ist es ein Spiel mit allerhöchstem Einsatz, alles auf die Elektrokarte zu setzen: Nicht weniger als hunderttausende Arbeitsplätze stehen auf der Kippe – und damit die Zukunft des wichtigsten Industriezweigs Deutschlands. Dabei darf der Verbrennungsmotor nicht per se verteufelt werden. Denn mit CNG – in Kombination mit einem zunehmenden Anteil an grünem Gas – könnten Fahrzeughalter bereits heute ohne Einschränkungen und Mehrkosten die Ziele für 2030 erfüllen, wie es die Studie des ifo zeigt. Die Politik muss jetzt einlenken und sauberen Kraftstoffen durch die Betrachtung der Gesamtkette, also 'Well-to-Wheel', endlich Vorfahrt gewähren."

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