Erneuerbare Energien: Vorfahrt für Strom an der Tankstelle

Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung Tankstellenbetreiber zum Umbau animieren. Künftig wird dreifach angerechnet, wenn man Ökostrom statt Sprit verkauft, ein Anreiz für Investitionen in Ladeinfrastruktur. E-Fuels aus Ökostrom zählen dagegen nur doppelt.

Zapfen oder Ziehen, das ist hier die Frage: Mineralölkonzerne, die Ladeinfrastruktur schaffen, sollen sich das dreifach auf ihre CO2-Bilanz anrechnen lassen können, E-Fuels aus Ökostrom dagegen nur zweifach. | Foto: Aral
Zapfen oder Ziehen, das ist hier die Frage: Mineralölkonzerne, die Ladeinfrastruktur schaffen, sollen sich das dreifach auf ihre CO2-Bilanz anrechnen lassen können, E-Fuels aus Ökostrom dagegen nur zweifach. | Foto: Aral
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Die Bundesregierung hat ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Vorgaben in Form der Erneuerbaren-Energie-Richtlinie II an Tankstellen auf den Weg gebracht, mit dem Mineralölkonzerne zu Investitionen in die Ladeinfrastruktur animiert werden sollen. Gemäß EU-Plan sollen die Anteile erneuerbarer Energie im Verkehrssektor bis 2030 sukzessive von sechs auf 22 Prozent steigen, den die Tankstellenbetreiber über Biokraftstoffe an Treibhausgasen einsparen müssen. Dabei können sie jetzt Ökostrom dreifach auf ihre Bilanz anrechnen lassen, E-Fuels, die aus Ökostrom gewonnen werden konsequenterweise nur zweifach. Sie gelten als der bei weitem weniger effiziente Weg, weil bei der Herstellung viel Energie verloren geht. Die Bundesregierung und die zuständige Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) setzen daher auf E-Fuels in Bereichen, in denen es wohl keine gute Alternative zum Sprit in jeglicher Form gibt, etwa im Schwerverkehr, bei Schiffen oder Flugzeugen. Bei letzteren etwa sollen bis 2030 zwei Prozent des Kerosins ersetzt werden.

"Wir schaffen so einen Anreiz, mehr in die Ladeinfrastruktur zu investieren", erklärte Schulze zu dem Vorstoß.

Der bisherige Anteil wurde von den Mineralölkonzernen über die Beimischung von Biokraftstoffen zu Benzin oder Diesel realisiert. Wobei häufig der Anteil an Palmöl kritisiert wurde. Dieser wird jetzt gedeckelt und der Anteil von Pflanzen, die auch als Nahrungsmittel oder Futter dienen können, soll 4,4 Prozent des Energiegehalts nicht überschreiten. Bis 2026 soll dann Palmöl vollständig aus deutschen Tanks verbannt sein. Svenja Schulze hält die Umweltimplikationen für zu groß. "Dafür Wälder zu roden, ist nicht nachhaltig", kommentierte sie. Die Ministerin setzt stattdessen auf die konsequentere Verwertung von Reststoffen wie Stroh oder Gülle, die zu Sprit umgewandelt werden sollen.

Kritik von ADAC und Fuhrparkverband

Kritik an dem Vorstoß äußerten sowohl der Automobilclub ADAC wie auch der Bundesverband Fuhrparkmanagement e.V. Man unterstütze zwar ausdrücklich die Bemühungen, Treibhausgasemissionen zu mindern. Allerdings wäre es wünschenswert, wenn in diesem Zusammenhang auch die Rahmenbedingungen für alternative Kraftstoffe wie eFuels, Biogas und Wasserstoffe verbessert würden. Diese sind aus Verbandssicht ungenügend, weil die Praxis der Mehrfachanrechnungen nicht technologieneutral sei. Bereits in der Vergangenheit haben Branchenverbände kritisiert, dass das Bundesumweltministerium mit aus ihrer Sicht „Mehrfachan­rech­nungen der E-Mobilität und anderen Rechentricks“ zulasten von anderen Kraftstoffen erreichen wolle, so der Vorwurf. Das Ministerium spiele E-Mobilität und Biokraftstoffe gegeneinander aus, anstatt beide Optionen zu nutzen, findet der Verband. Eine Umstellung auf reine Elektromobilität alleine sei nicht in kurzer Zeit erreichbar, glaubt der Fuhrparkverband. Der ADAC forderte Chancengleichheit für strombasierte Kraftstoffe.

"Die Elektromobilität spielt beim Klimaschutz im Verkehr eine entscheidende Rolle. Wir dürfen aber die Bedeutung von alternativen Kraftstoffen für zusätzliche Fortschritte nicht unterschätzen. Nur wenn wir auch Lösungen für Pkw mit Verbrennungsmotoren finden, die auch noch in zehn Jahren die Mehrheit im Fahrzeugbestand sein werden, lassen sich die Klimaschutzziele im Verkehr erreichen", meint ADAC Technikpräsident Karsten Schulze.

Was bedeutet das?

Endlich mal ein Gesetz, das nicht verwässert, sondern klare Prioritäten setzt - und zwar strikt nach Effizienz. Es ist nun mal effizienter den erzeugten Strom direkt in einen Akku zu speisen und damit Vortrieb zu erzeugen, als ihn über komplexe und energieintensive Umwege in flüssigen Sprit zu verwandeln. Den E-Fuels wird von zahlreichen Experten im Pkw jedenfalls auch keine große Zukunft mehr vorhergesagt. Und Entscheidungen wie jüngst vom Auto-Giganten GM, sich auf die batterieelektrische Mobilität bei Pkw zu fokussieren, dürften diesen Prozess beschleunigen. E-Fuels werden ihre Nische und Berechtigung erhalten, aber nicht in Personenkraftwagen. Wer hier den "Bestand" aufmöbeln und "neutralisieren" will, der hätte schon viel früher auf die Brückentechnologie Biomethan setzen müssen, auch und gerade in Pkw. Dazu waren die Mineralölkonzerne, aber auch Autohersteller nicht im großen Stil bereit. Die Ernte fahren jetzt in Form von LNG die Lastwagen ein, bei denen sich Biomethan-Antriebe zuletzt größter Beliebtheit erfreuen.

Und wenn man sieht, wie derzeit Mineralölkonzerne die Wende versuchen und Ladesäulen zubauen, dann muss man davon ausgehen, dass die Befürchtungen der Verbände vielleicht etwas ängstlich sind. Dazu kommt, dass umweltbewusste Energiekonzerne wie EnBW massiv in Schnellladenetze investieren, sodass die "pure" E-Mobilität vielleicht doch schneller aus den Puschen startet, als ADAC und Fuhrparkverband das derzeit etwas hasenfüßig prognostizieren. Für die vermeintliche "Technologienneutralität" fehlt uns jetzt schlicht die Zeit, viele Schüsse bleiben nicht mehr, um das Klimaruder herumzureissen. Nun heißt es, auf die "beste verfügbare Technologie" (BVT) zu setzen, sich zu fokussieren statt sich wieder zu verzetteln: Und die heißt für Pkw nun mal BEV. 

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