Fahrbericht Fisker Ocean: Offene Überraschung!

Unsere erste Fahrt im Fisker Ocean überraschte uns in mehrfacher Hinsicht.

Im California-Mode öffnet der Ocean auf einen Knopfdruck alle Fenster (bis auf die Windschutzscheibe) und das Dach - Cabriofeeling! | Foto: G. Soller
Im California-Mode öffnet der Ocean auf einen Knopfdruck alle Fenster (bis auf die Windschutzscheibe) und das Dach - Cabriofeeling! | Foto: G. Soller
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Für den ersten Eindruck hat man ja in der Regel immer drei Sekunden Zeit – und Fisker nutzt die bestens: Denn man greift in elektrisch ausfahrende solide Türgriffe und sieht hinter der Tür einen sauberst verarbeiteten Rohbau. Dann nimmt man Platz, findet sofort die perfekte Sitzposition, bevor die Tür wertig ins Schloss fällt. Hier spürt man, das Firmengründer und CEO Henrik Fisker Designer ist, denn auch wenn man weitere Details wie die Verkleidung des Kofferraums anschaut oder am an der Windschutzscheibe umgeschlagenen Dachhimmel entlangfährt, liefert der Ocean, der in Österreich bei Magna montiert wird – wo man sonst Jaguar und den Mercedes G baut.

Dass Fisker eine US-Firma ist, merkt man aber auch an der Tatsache, dass zur ersten Ausfahrt ein paar Wochen vor Marktstart noch keine Verbrauchsangabe möglich war und auch nicht einzusehen war, wie viele Kilometer Reichweite das Solardach zusätzlich bescheren könnte. Dafür bräuchte es noch ein Update, ebenso wie beim Startprozess: Grundsätzlich sperrt man auf, setzt sich, tritt die Bremse und zupft am Fahrwähl-Lenkstockhebel und der Fisker meldet, dass er „bereit“ ist, aber: In unserem Fall fordert er ein weiteres Vorhalten des Schlüssels vor einen Transponder, bevor alle Anzeigen kurz christbaumartig aufleuchten und Fahrbereitschaft signalisieren. Ein Punkt, den man per Update noch korrigieren will, denn sehr viele Fahrende missinterpretierten diesen System-Check als Warnmeldung. Weshalb sich der Ocean künftig dezenter fahrbereit melden wird.

Straffes, aber nicht unkomfortables Fahrwerk

Wir rollen los und der gute Eindruck setzt sich fort: Der Ocean rollt leise los und orientiert sich auch in Fahrt schwer an Europas Topsellern: Er federt straff aber nicht unkomfortabel und lässt sich durchaus ambitioniert und freudig bewegen. Und verkneift sich auf schlechten Untergründen trotz Vorserienstatus jegliches Knistern und Knarzen.

Spezielles Bedienkonzept – Klimatisierung per Tasten

Beim Bediensystem setzt Fisker auf eine dreigeteilte Lösung: Die Klimatisierung wurde tatsächlich noch auf blind bedienbare Tasten unter dem Zentralscreen gelegt (danke dafür!!!), der links eine senkrechte Direkteinsprungtaste für diverse Menüs anbietet. Oder man toucht direkt auf die Karte oder Inhalte auf dem Center-Screen. Gut, Lenkradbedienung oder die Ausstömrichtung der Lüftungsgitter hätte man jetzt nicht in Menüs packen müssen, aber grundsätzlich kommt man mit den Funktionen gut zurecht und die Rechengeschwindigkeit und Darstellung gehen in Ordnung, aber wie gesagt - hier bieten Updates ja noch Luft nach oben.

Die braucht der feinnervige Spurhalteassistent nicht, dafür raten wir, sich immer anzuschnallen und die Tempolimitübertretung immer wegzuschalten. Sonst bimmelt einen der Fisker permanent voll. Letztere wird gesetzlich immer wieder neu aktiviert und nervt auch bei anderen Fabrikaten und gehört unserer Meinung nach zu den unsinnigsten Innovationen. Sollte man beim zu schnellfahren Schaden anrichten oder geblitzt werden, muss man auch die Konsequenzen tragen!

Schade auch, dass das Maß der Rekuperation im Menü ertoucht werden muss, wobei Fisker hier auf einen kompletten One-Pedal-Drive verzichtet, ebenso wie auf komplett freies Rollen. Stattdessen gib es drei unser Meinung nach stimmige Rekuperationsstufen, die von kaum merklich bis zupackend-verzögernd agieren. Für uns passt das, aber auch hier könnte Fisker per „Update“ noch die für manche „fehlenden“ zwei Stufen nachprogrammieren…dafür sind die Fahrmodi Earth (Eco), Fun (Normal) und Hyper (Sport) per Lenkradtaster durchzuklicken – und nachdem unser Ocean Extreme mit seinen zwei E-Maschinen bis zu 415 kW (das sind nach alter Rechnung 564 PS) an alle vier Räder schickt, fühlt man sich selbst im geerdeten „Erd-Modus“ nie untermotorisiert. In „Hyper“ springt der Ocean. Damit erreicht der Ocean die 100-km/h-Marke in 3,9 Sekunden und ist bis zu 205 km/h schnell.

Die Softwareplattform wurde von Fisker selbst entwickelt und programmiert

Ach ja, und auch hier will Fisker per Update ab 2024 ein Schneeprogramm addieren, dass dann tatsächlich einfach nur „snow“ heißen könnte. Ebenfalls 2024 soll eine Vehicle-to-Load-Funktion soll 2024 freigeschaltet werden. Ebenfalls wieder per digitalem Update, mit dem künftig alle Fisker-Modelle auf aktuellst möglichem Stand gehalten werden sollen. Interessant: Die Software entwickelt Fisker komplett inhouse und setzt dabei bewusst auf automotive-ferne Spezialisten: Der Chefentwickler des Infotainments, Joe Thompson entwickelte früher Nachtsichtgeräte für die US-Army und Microsofts AR-Brille Holo. Was teils zu einfachen, aber klareren Grafiken führt, da die Bedienung immer im Fokus steht (und so auch Kosten gespart werden können).

Der Akku ist für die Fahrzeuggröße riesig – und sorgt für Riesen-Reichweiten

Keine Kosten und Mühen gescheut wurden beim 113-kWh-Akku, von dem 106 kWh nutzbar sind. Beim Start zeigte uns der Ocean bei 94 Prozent Akkustand dann auch üppige 654 Kilometer Reichweite an – bis zu 707 sollen nach WLTP möglich sein. Den Verbrauch gibt man bei Fisker nach WLTP mit rund 18 kWh/100 km an. Der Akku soll auf einer eigenen Linie gefertigt werden und die aktuell modernst-mögliche NMC-Zellchemie (Nickel-Mangan-Kobalt) und das aktuellste Zellpackaging enthalten, das CATL liefern kann. Auch das Akkumanagement wurde gemeinsam mit CATL entwickelt. Ebenfalls für ein Update aufgehoben hat man die manuelle Akkukonditionierung, welche das laden nochmal beschleunigt. Positiv überrascht waren wir dann vom Verbrauch, zumal wir den Ocean auf einem verkürzten Teil unserer eigenen Testroute bewegen konnten: Nach 86,5 Kilometern Strecke wurden in der Motorworld an der Fisker-Zentrale rund 15 kWh nachgeladen, was einen Durchschnitt von 17,3 kWh/100 km ergäbe – allerdings ohne Stopp-and-Go in der Stadt und mit einem wesentlich kürzeren Autobahnanteil als sonst. Spannend ist hier, ob man den Ocean im Sommer trotzdem unter 20 kWh/100 km halten könnte – der erste Eindruck war jedenfalls positiv!

California-Mode: Fast Cabrio-Feeling!

Am DC Lader soll sich der Ocean dann mit bis zu 250 kW wider vollziehen können, womit er hier ganz vorn mitfährt. Das Solardach soll in sonnigen Gegenden bis zu 2.400 km Extrareichweite bringen können. Womit wir gegen Ende der Fahrt endlich die ganzen kalifornischen Gimmicks aus Henrik Fiskers Wahlheimat ausprobieren können: Im California-Mode versenkt der Ocean sämtliche Scheiben und fährt das Dach zurück – und das ganz leise und unmerklich und unserer Meinung nach ein ganz kleines bisschen zu langsam. Doch dann durchbrist es das ganze Auto, dass selbst eingefleischte Cabriofahrer Freude haben könnten.

Typisch amerikanisch: Das Taco-Tray, dazu kommen sieben „Ostereier“ – kleine Design-Gimmicks

Im Stand kann man sich im Hollywood-Mode Filme ansehen und Tacos naschen, wozu Fisker in die Mittelarmlehne ein ausklappbares Taco-Tray konstruiert hat. Und statt dem Handschuhfach gibt es für den Beifahrer auch einen Ausklapptisch. Und genug Platz vorn und hinten: Das Kofferraumvolumen gibt Fisker mit 476 bis 918 Litern an und auch hier ist alles sauber und sehr fein verarbeitet. Klar, Fiskers Designer-Anspruch. Und immerhin 50 Kilogramm des verbauten Materials sollen aus recyclierten Materialien bestehen. Mehr als 70 Prozent der Zulieferer sollen keine 1000 Kilometer vom Magna-Steyr-Werk Graz sein. Die Die Sitzbezüge sind natürlich vegan und mit besonders wenigen Nähten verarbeitet, ebenso wie man die Speaker nicht sieht. Das sorgt für eine smarte Reduktion und spart Produktionskosten. Denn im Gegensatz zu seinen einstigen opulenten Kreationen nutzt Fisker sein Designerwissen bei den kommenden Volumenmodellen um tolle optische Qualität zu bieten, das Ganze aber hochwertig, doch nicht abgehoben zu verpacken. Jetzt bitte noch ganz schnell die Updates draufladen und der Ocean sollte eine tolle Verkaufswelle machen!

Was bedeutet das?

Auch Fisker startet mit dem Ocean nicht ganz glatt, aber: Er überzeugt fahrerisch auf ganzer Linie – punktet mit Qualität, Sparsamkeit und Variabilität. Wichtig ist nur, das zum Start alle Updates gefahren wurden!

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