Fahrbericht Yanwang U8: BYDs wahre Traumfabrik
Yangwang klingt in europäischen Ohren seltsam preisgünstig, ist aber bei BYD der Gipfel der Träume – nie war die Marke näher an ihrem Slogan „build your dreams“, wenngleich dieser Traum für manche auch traumatisch sein kann.
Katapultstart: In 3,6 Sekunden sind (mit Insassen) 3,6 Tonnen 100 km/h schnell
Zum Beispiel, wenn man aufs Fahrpedal steigt und fast 3,5 Tonnen binnen 3,6 Sekunden auf 100 km/h katapultiert werden. Um knapp 35 Meter weiter wieder zu stehen. Was am Steuer viel mehr Spaß macht als auf den übrigen Plätzen. Wir entern einen Innenraum, der in reichlich orangelastigem Leder und Wildlederimitat ausgeschlagen ist, dazu mit edlem Sapele-Holz. Auf allen Plätzen ist das volle Wohlfühlprogramm geboten: Sitzheizung, -belüftung und Massage in mehreren Programmen. Optisch durchaus eigenständig, grundsätzlich dürfte das aber im arabischen Raum sowie in den USA und Russland tendenziell besser ankommen als in anderen Regionen.
Man kriegt aber auch dezentere Innenraumfarben. Die D-Säule ist in dem fall als „Energieturm“ gestaltet und zeigt blinkend an, das geladen wird und je nach Stand der Ladebalken auch, wie voll der Akku ist.
Platz hat er genug, klar bei 5139 mm Länge, 2050 mm Breite, 1930 mm Höhe und 3050 mm Radstand. Die Böschungswinkel fallen mit 36,5 Grad vorn und 35,4 Grad hinten ordentlich aus, auch die 25,5 Grad Rampenwinkel helfen offroad.
Braucht man Power, läuft der Verbrenner immer mit
Beim Katapultstart stört dann eigentlich nur der belanglos vierzylindernde Range-Extender, welcher den Strom für die vier 220-kW-Kraftwerke erzeugt, die auf dem, schnellen Rundkurs um die Wette „torquevektoren“ und ein für den Koloss ein vergleichsweise gelungenes Handling erzeugen; die Luftfederung mit einer ordentlichen Dämpfung hilft, gemeinsam mit dem niedrig liegenden wasserdicht verpackten Blade-Akku, Bodenhaftung zu bewahren; bei all dem, was Yangwang da auffährt. Immerhin sind 880 kW in alter Währung 1196 PS, dazu kommen 1280 Nm Drehmoment. Wir rechnen kurz nach: Wenn der 49er-Akku rund 180 km Reichweite nach nachsichtigem CLTC-Standard bieten soll und dann noch 820 km fehlen, zieht der Verbrenner 9,15 l/100 km – nicht sparsam…
Windgeräusche treten dann ab 130 km/h hinzu und werden schnell lauter, aber diese Tempi erreicht man in China ohnehin selten. Wie überhaupt auffällt, dass der U8 in all einer Fülle im Detail einen kleinen Perfektionsabstand zu den europäischen Premiums und Luxus-SUV lässt, aber dafür ist der Preis für das Gebotene super heiß: Eine Million Yuan will Yangwang dafür haben, das sind nach aktuellem Wechselkurs rund 130.000 Euro – kriegt man gerade mal nen Basis-Taycan für…
Ein neuer Trend? Das reifenkillende Wenden auf der Stelle, genannt „Tank-Turn“
Und da es mit 5,3 Metern Länge manchmal ein bisschen eng werden könnte beim Wenden, kann der Yangwang auch einen „Tank-Turn“, also wie ein Panzer auf der Stelle drehen, was auch Mercedes-Benz beim neuen EQG in Las Vegas präsentiert hat: Dazu tritt man die Bremse, wählt man die Funktion aus und gibt den Winkel ein und startet das Programm. Fuß von der Bremse und der Riese dreht auf der Stelle: Zwei Räder drehen nach vorn, zwei nach hinten – das kostet zwar Reifen für etliche 1000 Kilometer aber egal. Und: Sollte man in einen feindlichen Hinterhalt geraten, könnte man auf der Stelle drehen, sofern die Straße gut 5,3 Meter breit ist. Oder: Man taxiert mit der Front eine Lücke längs zur Fahrbahn und das Heck schwingt dann mit quietschenden Reifen krabbenartig schräg hinterher…
Schwimmen mit bis zu 3 km/h für 30 Minuten
Ähnlich ist auch das Notwassern gedacht: Der U8 kann tatsächlich bis zu 30 Minuten schwimmen und dort auch wie ein Hund mit den „Pfoten“, also den lenkbaren Vorderrädern dezent gesteuert werden. Dann kann man bei der nächsten sanften Überflutung Menschen retten. Aber in einem reißenden Strom wenn wieder mal ein Bächlein zum wilden Yangtse anschwillt, richtet man mit der Teilzeityacht eher weniger aus. Aber man könnte…danach muss der U8 übrigens zum Service und auf Dichtigkeit geprüft werden.
…sich als Fondpassagier derweil virtuell schminken; die Screens bieten dazu das passende Programm plus Spiele plus TV plus plus plus. Derweil der Fahrende aus 15 Fahrprogrammen wählen kann, links on-, rechts offroad. Dem chinesischen Spieltrieb wird hier also freier Lauf gelassen. Und ja, in der Summe seiner Eigenschaften ist der Yangwang U8 tatsächlich in mancherlei Hinsicht nochmal eine neue „Dimension“, wenn es die schiere Zahl der Möglichkeiten geht, was man mit einem Hyper-SUV alles machen KÖNNTE, wenn man nur WOLLTE.
Klingt nach abgehobener Blingbling-Welt? Ist es vielleicht auch ein bisschen, aber nicht, wenn man die chinesischen Firmenflotten anschaut, respektive deren dienstwagenberechtigte Chefetagen: In China soll es mittlerweile 30.000 Vorbestellungen geben und seit Produktionsbeginn fanden bisher durchaus ein paar tausend Exemplare auf der Straße: Aktuell soll der Yangwang U8 „sein Segment“ - wer auch immer da noch dazugezählt wird – absatzseitig anführen. Ja, der U8 schafft tatsächlich etwas Neues, was man vielleicht am besten mit diesem Satz umschreibt: Träumen darf doch noch erlaubt sein?
Was bedeutet das?
Mit der Marke Yangwang setzt BYD bewusst auf ein Schaufenster der Möglichkeiten. Mit den gleichen 220-kW.Kraftwerken kommen noch die Limousine U7 und der Sportwagen U9. Die Relevanz für Europa? Bisher eher null, für die europäische Autoindustrie aber gewaltig. Denn die Yangwang-Modelle zielen aufs Topsegment der Premium- und Luxushersteller und dürften denen einige Kunden abgraben, was die Stückzahlen bestätigen: 1.500 U8 können im Monat gebaut werden – bei angeblichen 30.000 Vorbestellungen wäre die Produktion für gut eineinhalb Jahre ausverkauft. Wie gesagt, das Auto an sich ist von keiner echten Relevanz. Die Aussage dahinter inklusive der dystopischen „was-wäre-wenn“- Annahmen stimmen dagegen sehr nachdenklich.