Formel E in London: Heißes Renn-Wochenende mit glücklosen Favoriten

Sieger des Wochenendes sind: Jake Dennis auf Avalanche Andretti und Lucas di Grassi auf Rokit Venturi.

Eine Strecke sah rot: Jake Dennis holten den Sieg und Rang zwei. | Foto: Simon Gallaway/Motorsport Pictures
Eine Strecke sah rot: Jake Dennis holten den Sieg und Rang zwei. | Foto: Simon Gallaway/Motorsport Pictures
Christine Harttmann
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Es war wieder ein wildes Wochenende voller Überraschungen: Das erste Rennen in London gewann Jake Dennis, der von der ersten bis zur letzten Runde eine souveräne Vorstellung bot. Bisher konnte er sich kaum im Top-Feld platzieren, aber seine Vorjahreserfolge auf dem Outdoor/Indoor-Straßenkurs im ExCeL London wiederholen: Dem Briten liegt seine Hauptstadt einfach. Die Tribünen waren diesmal voll und die britischen Fans spendeten „ihrem“ Fahrer teils stehende Ovationen. Denn schon früh griff ihn der Führende in der Fahrerweltmeisterschaft, Stoffel Vandoorne an, doch all diese Angriffe konnte Dennis souverän parieren. Immerhin konnte sich Vandoorne Rang zwei sichern, was ihm auf dem Weg zur Meisterschaft wertvolle Punkte brachte – zumal sich seine engsten Konkurrenten mit hinteren Plätzen begnügen mussten. Enttäuschend verlief das Wochenende auch für die deutschen Fahrer, die kaum in die Kämpfe um Punkte einsteigen konnten. Dennis gab zu:

„Ehrlich gesagt war es eines der härtesten Rennen, die ich je gefahren bin.“

Und er freute sich über sein zuverlässiges Auto:

„Es war ein technisches Rennen, bei dem es darum ging, mit Stoffel und Nyck zurechtzukommen, zwei Teamkollegen, die offensichtlich zusammenarbeiten. Das Team hat einen großartigen Job gemacht, das Auto war unglaublich, und die Strategie war stark. Und dann ging es nur noch darum, es in den letzten 15 Runden nach Hause zu bringen und auf Stoffels Fanboost aufzupassen. Aber ja, es war ein Wahnsinnsrennen, und als ich die Zielflagge überquerte und die Fans hörte, war das eines der besten Erlebnisse meines Lebens - so, so cool. Ein großes Dankeschön an all die Fans hier draußen und die britische Unterstützung."

 Am Ende der ersten Runde fuhren Edoardo Mortara auf Venturi Racing als Zweiter und Mitch Evans von Jaguar TCS Racing als Dritter voll auf Angriff, wobei Mortara bald in die Box musste, was ihn völlig aus dem Kampf warf. Stattdessen fuhr der amtierende Weltmeister Nyck de Vries nach vorn und schirmte Vanddore nach hinten ab, hartnäckig verfolgt von Nick Cassidy auf Envision Racing. Und auch de Vries hilet durch: Am Ende kam er auf Rang drei! Cassidy musste sich mit dem vierten Platz begnügen, nachdem er sich mit relativer Leichtigkeit durch das Feld gekämpft hatte. Er fuhr vor Oliver Askew ins Ziel, der damit zwei Avalanche Andrettis unter den ersten fünf platzierte, womit Askews Aufwind anhielt.

Von den übrigen Titelanwärtern konnte dagegen erstmal nur Mitch Evans als Sechster noch Meisterschaftspunkte sammeln und war damit der beste der anderen vier Titelanwärter vor dem Wochenende. Vergne konnte sich als 13. nicht aus dem Mittelfeld befreien und Mortara wurde nach einem Kontakt schon in Runde eins Letzter. Damit wuchs der Vorsprung in der Fahrer-Weltmeisterschaft bei Vandoorne, von 11 auf 26 Punkte, und Evans rückte auf Rang zwei vor Mortara vor. Bei den Teams baute Mercedes-EQ den Vorsprung auf DS Techeetah auf 37 Punkte aus.

Am Sonntag geigte dann Lucas di Grassi groß auf: Er holte in der 14. Runde des SABIC London E-Prix seinen ersten Sieg für ROKiT Venturi Racing-Team. Er setzte sich in einem hart umkämpften, abermals sehr strategisch gefahrenen 38-Runden-Kampf auf dem 2,14 km langen Stadtkurs im ExCeL London gegen Jake Dennis auf Avalanche Andretti durch, der abermals stark fuhr.

Di Grassi hatte nach der letzten von drei obligatorischen Attack-Mode-Aktivierungen genug Power in der Hinterhand, um sicher zu gehen, dass er an Jake Dennis vorbeikommen würde, als der Brite seinen letzten 30-kW-Boost zog. Der Publikumsliebling Dennis war nach seinem gestrigen Sieg von der Pole Position von Julius Bär gestartet, doch der Brasilianer baute seinen Vorsprung in den letzten Runden bis zur TAG Heuer Added Time aus, um die Zielflagge zu erobern. Abermals Dritter wurde Nyck de Vries, während sein Mercedes-EQ-Teamkollege, der Tabellenführer Stoffel Vandoorne, von Startplatz 13 auf den vierten Rang vorfuhr – womit Mercedes EQ weiter der Konstrukteursmeisterschaft entgegenfährt. Di Grassi freute sich:

„Es war ein harter Kampf mit Jake. Es war sehr strategisch - im richtigen Moment den Attack Mode zu nutzen, im richtigen Moment Energie zu sparen. Das Team hat mir das perfekte Feedback gegeben. Das Auto war heute erstaunlich, und nach dem, was gestern passiert ist, denke ich, dass wir es sehr verdient haben.“

Dennis freute sich trotzdem über Rang zwei:

„Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich an diesem Wochenende vor heimischem Publikum Erster und Zweiter werde, hätte ich das nicht gedacht. Ehrlich gesagt war das Rennen so physisch, und die britische Unterstützung hat wirklich einen großen Unterschied gemacht.“

Mitch Evans (Jaguar TCS Racing) hatte sich zu Beginn des Rennens von Platz 14 bis auf Rang vier vorgearbeitet, doch ein spätes technisches Problem beendete sein Rennen in London vorzeitig und versetzte seinen Titelchancen einen herben Dämpfer: Er schied aus und wurde nicht gewertet.

 Auch Edoardo Mortara auf ROKiT Venturi Racing kämpfte hart, doch aus dem 17. Startplatz wurde am Ende nur Rang. Noch bitterer traf es Jean-Éric Vergne auf DS Techeetah: Er schied nach einer Berüghrung früh aus und musste seinen Kampf um die Fahrer-Weltmeisterschaft damit auch aufgeben. Immerhin fuhr sein Teamkollege António Félix da Costa auf den fünften Platz vor. Für Nissan e.dams holte Sebastien Buemi als Sechster sein zweitbestes Ergebnis der Saison 8 einfuhr. Robin Frijns (Envision Racing) wurde Siebter und Sam Bird belegte für Jaguar TCS Racing auf heimischem Boden den achten Platz.

 

Erstmals in den Punkten: Sérgio Sette Câmara auf Dragon Penkse Autosports auf Rang neun: Lange bedrängte er auf Rang fünf die or ihm Liegenen, bis er ab Runde 13 die Pave verlor und auf Rang neun „durchgereicht“ wurde. Pascal Wehrlein rundete die Top 10 für das TAG Heuer Porsche Formula E Team ab, das abermals kaum ins Geschehen eingreifen konnte.

Im Titelrennen hat nur Evans rechnerisch noch die Möglichkeit, Vandoorne den Titel abzuluchsen: 58 Punkte sind in zwei Wochen beim Hana Bank Seoul E-Prix zu vergeben, den letzten beiden Rennen der Saison 8. Positiv für Mercedes: das Kundenteam Rokit Venturi Racing verdrängte DS Techeetah vom zweiten Platz in der Team-Weltmeisterschaft, während Mercedes-EQ seinen Vorsprung auf 35 Punkte ausbaute. Damit liegen beide Mercedes-angetriebenen Teams vorn.

Was bedeutet das?

Mercedes EQ zieht abermals eine erfolgreiche Formel E-Saison durch und dürfte sich abermals den Konstrukteurs-Titel holen. Und nachdem die Fahrer immer stark punkten, könnte es auch mit der Fahrermeisterschaft klappen.   

 

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