„Girls only“ machen sich startklar

Im Golf GTI TCR geht das Frauenteam „Girls only“ beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring an den Start. Wie bereitet sich die Crew auf die Mammutaufgabe vor?

24-Stunden Extrembelastung für das Auto: Bei den „Girls only“-Mechanikerinnen ist der kampferprobte Golf GTI TCR in guten Händen.
24-Stunden Extrembelastung für das Auto: Bei den „Girls only“-Mechanikerinnen ist der kampferprobte Golf GTI TCR in guten Händen.
Bert Brandenburg

Zuerst war es bloß eine originelle Idee, aber sie nahm schnell Tempo auf. Im Frühjahr 2018 dachten Nicole und Thorsten Willems vom Rennstall WS Racing darüber nach, ein rein weibliches Team in die Gran-Turismo-Saison 2019 zu schicken (wir berichteten) – nun treten die jungen Frauen von „Girls Only“ tatsächlich beim berühmten ADAC TOTAL 24h-Rennen gegen rund 150 Teams an. Das Auto: ein Golf GTI TCR. Der Termin: vom 20. bis 23. Juni auf dem Nürburgring, Nordschleife und Grand-Prix-Strecke. Highlight und Härtetest zugleich.

Die 20 Girls haben die knappe Zeit bestens genutzt: In drei Rennen der VLN (steht für „Veranstaltergemeinschaft Langstreckenmeisterschaft Nürburgring“) Langstreckenmeisterschaft ist die bunte Truppe im Frühjahr zu einem starken Team zusammengewachsen. Vom plötzlichen Schneechaos bis zum Radlager-Schaden wurden sie mit allen Schwierigkeiten fertig. Die Frage bleibt trotzdem: Wie bereitet man sich auf einen 24-Stunden-Marathon vor, in dem alles passieren kann?

Grob überschlagen ist der 24-Stunden-Wettbewerb im Vergleich zu den bisherigen Rennen die sieben- bis achtfache Belastung. Das heißt: Das Team wird alle Abläufe genau planen – und sich gleichzeitig darauf vorbereiten, spontan alle Pläne über den Haufen zu werfen. „Vor allem nachts kann es jederzeit passieren, dass eine Fahrerin plötzlich einen Durchhänger hat“, sagt „Girls only“-Teamchefin Ellen Lehmann. „Deshalb muss für den spontanen Wechsel immer mindestens ein Ersatz bereitstehen.“

Die Standard-Boxenstopps gibt es mit dem Golf GTI TCR auf der Nordschleife ungefähr alle neun Runden, also nach rund 90 Minuten. Dann ist der 100-Liter-Tank leer und muss gefüllt werden. Der bisherige Boxenstopp-Rekord der Girls lag bei einer Minute und 44 Sekunden – Zeit genug für einen fliegenden Wechsel am Steuer. Wie oft es den in 24 Stunden geben wird? Das werden die drei Fahrerinnen unter sich ausmachen. Gerade in den Nachtschichten gibt es unterschiedliche Ansätze. Wenn eine Fahrerin hier lange durchhält, haben die anderen parallel mehr Zeit zum Ausruhen. Allerdings ist in der Dunkelheit und beim notorisch schlechten Nürburgring-Wetter die Konzentration besonders kraftraubend – das spräche wiederum für schnellere Wechsel.

Wichtig ist auch, das Rennen in der Boxengasse gut vorzubereiten. „Die Läufe starten am Samstag, aber die ersten von uns werden schon am Montag zum Aufbauen da sein“, sagt Ellen Lehmann. „Nach drei, vier Tagen ist es dann wie im Urlaub: Man hat sich an den Ort gewöhnt und findet alles wie im Schlaf.“

Vorgeschriebener Dresscode: neben den Overalls die feuerfeste Rennunterwäsche. Die Fahrerinnen werden einen Helmtrockner aufstellen, der die Kopfbedeckungen frisch für den nächsten Einsatz macht. „Auch die Unterlagen und Pläne zum Auto werden in der Box bereitliegen, obwohl wir das meiste davon im Kopf haben“, sagt Mechanikerin Chiara Messina, „falls man im Trubel schnell checken will, welches Werkzeug für welche Detailarbeit gebraucht wird.“ Auch wichtig: Helmlampen für die Arbeit bei Nacht.

Wie bleibt man wach?

„Vielleicht kannst du dich ja zwischendurch mal ein bisschen zurückziehen und schlafen“, hat Ellen Lehmanns Ehemann vorgeschlagen. „Da hab ich geantwortet: ,Wenn mein Auto da draußen ist, kann ich doch nicht pennen! Das wäre eine viel größere Qual als Wachbleiben!’“

Mit anderen Worten: Die meisten der 20 Girls rechnen damit, die 24 Stunden buchstäblich durchzumachen – allein schon, weil sie innerlich so sehr unter Strom stehen werden. Einer der LKWs wird als Ruheraum eingerichtet werden, aber hauptsächlich als Ort zum kurzen Durchatmen, an dem man nicht ständig angesprochen wird. Die drei Fahrerinnen sind hier die Ausnahme. „Für uns ist es wichtig, wenigstens ein bisschen Ruhe zu bekommen“, sagt Ronja Assmann. „Wenn ich sicher weiß, dass ich nicht als nächstes dran bin, will ich kurz ins Hotel gehen und eine Stunde schlafen.“ Ansonsten sollen in der Nacht vor allem Wasser und Energy Drinks beim Wachbleiben helfen, eventuell ein kleiner Sprint durch die Box. „Wir haben schon vereinbart: Wer einschläft, wird angemalt“, lacht Corinna Schäfer. „Die Drohung sollte eigentlich ausreichen.“

Das Ziel

Über das Ziel, das für „Girls only“ gilt, sind sich im Prinzip alle einig: Sie wollen durchkommen. „Darum geht es auch bei den Topteams“, sagt Teamchefin Ellen. „Die haben auch keinen Motor, der länger hält als unserer. So gesehen starten hier alle mit denselben Voraussetzungen.“

Sollte es innerhalb der Klasse auch noch für eine respektable Platzierung reichen, für gutes Mittelfeld oder sogar mehr? „Umso besser! Was on top draufkommt, ist ein weiterer Sieg für uns“, sagt Ronja Assmann, die als einzige im Team bereits 2015 und 2017 am 24-Stunden-Rennen teilgenommen hat.

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