Grünes Gespann, großer Radius

Dethleffs und ZF E.Home präsentieren einen vollelektrisch angetriebenen Wohnwagen. Wir sind mal Probe gefahren, zumal das Konzept auch für gewerbliche Anhänger spannend sein kann.

Mit dem elektrisch angetriebenen Trailer sollen knapp 400 km ohne Nachladen möglich ein – sogar mit dem Audi e-tron als Zugfahrzeug. | Bild: Dethleffs
Mit dem elektrisch angetriebenen Trailer sollen knapp 400 km ohne Nachladen möglich ein – sogar mit dem Audi e-tron als Zugfahrzeug. | Bild: Dethleffs
Redaktion (allg.)

Zwar bieten mittlerweile viele Stromer brauchbare Anhängelasten, doch sobald man die nutzt, ist es Essig mit der Reichweite. Wie es anders gehen kann, zeigt jetzt ein Pilotprojekt der Hymer-Tochter Dethleffs, das gemeinsam mit dem Tech­nologiepartner ZF umgesetzt wurde und vom Prinzip weit über das Reisegeschäft hinaus weist. Die denkbaren Anwendungsfälle sind zahlreich, gewerbliche Anhänger, Pferde-Trailer, Frigo-Hänger: Mit der Elektrifizierung des Trailers eröffnet sich eine ganze Spielwiese an Möglichkeiten.

Immer auf Zug: Gleichmäßige Belastung der Kupplung

Schließlich verfügt das einachsige, hier hydraulisch scheibengebremste Hänger­konzept E-Home über ein autarkes System mit einem eigenen E-Antrieb aus zwei ZF-E-Maschinen, die ihre Kraft von je 30 kW Dauerleistung (90 kW Peak, 90 Nm) direkt an die beiden Räder abgeben. In Serie denkt ZF an den hauseigenen, Hochvolt-Zentralantrieb in achsparalleler Ausführung. Dabei lässt das Steuergerät der Trailer Mobility Control (TMC) in jeder Fahrsituation genau so viel Vortrieb zu, dass die Anhängekupplung mit einer stets gleichmäßigen Zuglast belastet ist.

Die Energie im Trailer liefert ein modulares Akkusystem, das hier die volle Spanne von zwei mal 40 kWh nutzt, aber somit auch 600 Kilogramm extra wiegt. Um das Zusatzgewicht des gesamten elektrischen Antriebs auf unter 400 Kilogramm zu reduzieren, sollen in der Serie Batteriemodule mit niedrigerer, bedarfsgerechter Kapazität zum Einsatz kommen. Damit will der Hersteller den maximalen Zuglasten aktueller Elektrofahrzeuge Rechnung tragen, die sich bei den wenigen Fahrzeugen mit Anhängerkupplung meist zwischen 1.200 und 1.800 Kilogramm bewegen. Aber auch hinter Verbrennern ließe sich der Stromanhänger nutzen, und somit den Mehrverbrauch im Zugbetrieb reduzieren oder gar kompensieren. So könnte man auch einen Kleinwagen mit Anhängerkupplung für die „große Fahrt“ hernehmen. Damit würde sich die Zugfahrzeugwahl nicht mehr am Maximalbedarf, der häufig nur wenige Male im Jahr aufritt, bemessen, sondern am Durchschnittsbedarf. „In den meisten Fällen lassen sich so die Fahrzeugklasse oder die Motorisierungsvariante eine Nummer kleiner wählen und damit die Anschaffungskosten wie auch der Verbrauch und die Betriebskosten senken“, wirbt der Hersteller.

Die Reichweite schrumpft normalerweise bei E-Autos mit Trailer um 50 Prozent!

Bei unserer ersten Probefahrt der Testkombination Audi e-tron mit E.Home-Anhänger glänzte der Stromzug mit leiser und starker Schubkraft. Wie von Geisterhand beschleunigt die E-Kombination auf Marschtempo 100 km/h, beim Verzögern rekuperieren Audi und Trailer gemeinsam. Größter Vorteil: Die sonst um bis zu 50 Prozent schrumpfende Reichweite des elektrischen Zugfahrzeugs bleibt durch den Strom-Trailer voll erhalten. Reisen mit 400-Kilometer-Etappen könnten so auch mit einer BEV-Einheit möglich werden. Allerdings muss man dann hoffen, gleich zwei Ladesäulen zu erwischen: Denn selbstverständlich lässt sich der E-Trailer eigenständig laden, per AC und per DC mit 7,2 und 50 kW. Am Campingplatz könnte man für die Rück- oder Weiterreise bei 2,1 kW binnen 24 Stunden 50 kWh nachladen. „Die Reichweiten der aktuellen Elektrofahrzeuge und der derzeitige Stand der europäischen Lade­infrastruktur sind für den Solobetrieb ausgelegt, berücksichtigen aber nicht die Anforderungen an den Anhängerbetrieb, beispielsweise mit einem Caravan“, erklärt Dethleffs-Geschäftsführer Alexander Leopold.

Eigentlich ist der E-Trailer ein eigenes E-Fahrzeug, nur eben ohne Fahrerkabine und Lenkung. Auf einem modularen, kastenförmigen Grundrahmen, einer Deichsel mit Standard-Kugelkopfkupplung und Auflauf-Bremseinrichtung sowie zentraler Gummifederachse sind alle möglichen Aufbauarten und -größen möglich. Achse und Akkus sind so positioniert, dass sich die Gewichte der zentral angeordneten Elektromotoren und der Batteriepakete gleichmäßig verteilen und dadurch die Stützlast und die Nutzlastverteilung denen eines herkömmlichen Wohnanhängers entsprechen. Der Fahrzeugrahmen verfügt zudem über Crash-Elemente: Die Anforderungen ans Fahrgestell des E-Home-Caravan unterscheiden sich grundlegend von denen an konventionelle Wohnwagenchassis. Sie gleichen in Aufbau und Funktion eher einer Karosserie für einen Elektro-Pkw. Antriebsstrang samt Traktionsbatterie, Sensorik und Steuerungselektronik, Verkabelung, Verschlauchung und Kühlung sind dabei sämtlich im Chassis untergebracht. Praktisch ist der Mover-Modus, womit man den Trailer per App oder Tablet steuern und etwa auf dem Campingplatz in die gewünschte Nische bugsieren kann.

Zusatzvorteile: Energie­autarkie und Fahrdynamik

Oder man sucht sich gleich einen ruhigen Platz: Denn natürlich hat das Konzept auch einen Autarkieaspekt: Mindestens eine Woche lang ließe sich mit der Energie der Akkus der E-Camper betreiben, taxiert ZF-Ingenieur Udo Gillich. In Kombination mit Photovoltaik würden sich noch ganz andere Zeiten realisieren lassen, in denen man fernab der Zivilisation Urlaub machen könnte.

Auch fahrdynamisch wurden wir positiv überrascht: Die Beschleunigung ergänzt eine stabile Kurvenfahrt dank tiefem Schwerpunkt und sicherem Geradeauslauf, zumal das Gespann auch bei einer Bergabfahrt stets „gestreckt“ bleibt. Das sei tatsächlich messbar, werben die Dethleffs-ZF-Ingenieure. „Der E-Home-Caravan ist eine attraktive Anwendung, die wir mit unserer Erfahrung und unserem Portfolio für die Elektrifizierung aller Fahrzeuggattungen unterstützen“, ergänzt Stephan von Schuckmann, im ZF-Vorstand verantwortlich für elektrifizierte Antriebstechnologien.

Dethleffs-Geschäftsführer Leopold sieht zwar noch einige Hürden auf dem Weg zur Serienreife und zur Zulassungsfähigkeit. Denn die Fahrzeugkategorie „Anhänger mit Antrieb“ ist aktuell nicht definiert und somit nicht zulassungsfähig. Zudem ergeben sich aufgrund des Mehrgewichts durch den Antrieb zusätzliche Fragen, etwa nach der Anrechnung des Gewichts der Antriebskomponenten auf die zulässige Anhängelast des Zugfahrzeugs oder nach der Führerscheinklasse, die für das Ziehen angetriebener Trailer gefordert ist. Der VDA brachte hier eine Initiative in die EU für die Zulassung von E-Hängern ein und auch der Bundesverband E-Mobilität arbeitet an der Definition dieser Fahrzeuggattung. Mal sehen, wie das hochspannende Gespann weiter Fahrt aufnimmt.

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