Heidelberg Amperfied: Jetzt auch für Flotten und Unternehmen
Die eigentliche Meldung fasste Heidelberg kurz und knapp zusammen: Heidelberg Amperfied erweitert das Angebot für Flotten und bietet dazu umfassende Software und Service. Das Angebot beinhaltet ab sofort ein cloud-basiertes Backend und ein Leasingmodell für Ladeinfrastrukturen.
Diese Entwicklung markiert laut Heidelberg-CEO Davide Ghione auch einen wichtigen Schritt hin zu umfangreicheren Projekten im Bereich der Ladeinfrastruktur. Zuvor hatte Amperfied sein Sortiment, das ursprünglich auf Privatkunden ausgerichtet war, bereits um Produkte wie die Wallbox connect.business für Geschäftskunden und die AC-Ladestation connect.public für öffentliche Bereiche erweitert. Amperfied Ladetechnik ist nach eigenen Angeben je nach Zählweise aktuell auf Platz drei in Deutschland und hat eine Produktionskapazität von rund 1.000 Einheiten täglich!
Elektronik und Steuertechnik als Brücke zur Druckmaschine
Außenstehende fragen , wo die Gemeinsamkeiten zwischen Druckmaschinen und Ladetechnik liegen könnte: Es ist die Elektronik und Steuertechnik, wie man uns später noch im Detail zeigen sollte. Womit wir auch schon mitten in Ghiones Einführung sind, die trotz aller Widrigkeiten großes Wachstum im EV-Markt und dem Markt der Ladeinfrastruktur prognostiziert – und damit im Gegensatz zur Drucktechnik steht, die nach wie vor das Gros des Heidelberg-Umsatzes macht.
Den Haupttreiber der Elektrifizierung und Ladetechnik sieht man auch bei und in Heidelberg im Fleet- und Unternehmensbusiness. Weshalb man 2023 die zweite smarte Amperfied-Wallbox einführte, die mit rund 1.000 Euro auch deutlich kompetenter ist als das mittlerweile rund 450 Euro teure Urmodell. Dazu kommt auch eine große AV-Station mit zwei Anschlüssen, jetzt erweitert um ein Backend und einen Installationsservice. Ab 2025 möchte Heidelberg auch Finanzierungprodukte einführen und eventuell selbst als Betreiber der Ladelösungen auftreten. Außerdem ist ein weiteres Produkt geplant.
Vorerst bleibt man beim AC-Laden bis 22 kW, was für viele Unternehmen auch der (deutlich preisgünstigere) Weg sein dürfte, Ladeinfrastruktur aufzubauen. Aber die großen Druckmaschinen arbeiten doch mit Gleichstrom, also müsse man da doch Erfahrung haben? Was Ghione mit einem vielsagenden Lächeln beantwortet – nun ja, man denke darüber nach – wobei man ihm entlocken kann, dass DC von Heidelberg Amperfied eher 50 bis maximal 150 als 350 bis Megawattladen umfassen dürfte.
80 Prozent er Ladungen erfolgen zu Hause oder am Arbeitsplatz
Was man im Flottenmarkt genau vorhat, präsentieren im Anschluss Florian Franken, Head of Product Management and Business Development und Josip Jovic, Product Manager bei der Amperfied GmbH. Grundsätzlich geht Franken davon aus, dass der Anteil der E-Autos weiter steigen wird und Firmenflotten die Treiber der Entwicklung sein werden – auch weil hier der Druck, CO2 zu reduzieren, am größten ist. Interessant: Franken sah hier 2023 einen nachhaltigen Anstieg der BEV-Zulassungen im gewerblichen Bereich trotz dem Auslauf der Förderung im August. Der Verbrenner blieb auf stabilem Niveau. Und nach wie vor fänden 80% aller Ladungen im Home-Bereich oder am Arbeitsplatz statt, wobei ein großer Teil davon auch das Laden von Firmenwagen umfasst, womit sofort die Abrechnungsthematik aufploppt. Dazu kommen seiner Meinung nach 20% Laden im öffentlichen Raum respektive Schnellladen auf Langstrecken.
Während Heidelberg Amperfied mit der Energy Control Wallbox mit Lastmanagement für mehrere Benutzer und der Connect.business Wallbox mit MID-Stromzähler zur Erfassung und Abrechnung im Home- und Firmenladen hardwareseitig schon ganz gut aufgestellt ist, zielt man mit den neuen barrierefreien 22 kW bietenden connect.public und der eichrechtskonformen smartEVO duo Wallbox mit zwei 22 kW Anschlüssen auch in den öffentlichen Raum oder auf große Firmenparkplätze. Und legt vor allem bei Software und Services nach. Mit einem eigenen Backend zur cleveren Verwaltung samt Vertragsmanagement, Tarifierung und Abrechnung. Ermöglicht wird durch die Software auch die „Öffentlichmachung“ der Ladepunkte durch Roaming und Ad-hoc-Laden, wie Josip Jovic erklärt.
Der Service wird wichtiger - idealerweise all-in
Und da seiner Erfahrung nach viele Kunden sich nur ungern bis gar nicht mit der Ladetechnik befassen wollen, legen die Heidelberger auch beim Service nach: Mit einem PreCheck (samt Vor-)installation, Inbetriebnahme und einem Wartungspaket für sorgenfreies Laden. Das kann man auch als Mietmodell haben, denn: So lassen sich laut Jovic die hohen Anfangsinveste gut abfedern und man kann den jährlich nötigen Service gut mit in eine Pauschale verrechnen.
Die Fragen, die die potenziellen Kunden haben, gleichen sich immer wieder, weshalb klar war, dass es ein eigenes Backend braucht, das Jovic dann auch live vorführt. Tatsächlich kann man damit ziemlich viel machen und einstellen. Die wichtigsten Punkte sind natürlich die Ladepunkt- & RFID-Kartenverwaltung, die Abrechnung und das Vertragsmanagement inklusive der Tarifierung, die Rückerstattung von Stromkosten bei Dienstwagenfahrerinnen und –fahrern, die Möglichkeit, Ladepunkte über Roaming & Ad-hoc-Laden öffentlich zugänglich zu machen, oder der csv-Massenimport von RFID-Karten. Und da tippt sich Jovic schon mitten durchs Programm, legt exemplarisch zusätzliche individualisierte RFID-Tags an, verwaltet die dann über das KFZ-Kennzeichen, den Namen oder die Mitarbeiternummer, weist sie verschiedenen Kostenstellen zu und zeigt, wie das mit Geschäftskunden oder Gästen klappt, da das System auch eine Mandantenfähigkeit hat. Und klar, geupdated werden kann automatisch over the air. Und wenn da schon Fremdanbieter verbaut sind? Die kann man laut Jovic natürlich mit einbinden!
Franken erklärt dann noch mal Services und das Mietmodell: Heidelberg arbeitet hier mit Installationspartnern für Wandmontage und Tiefbauarbeiten sowie Servicepartnern für Wartung und Geräteprüfungen sowie Reparaturen zusammen. Und macht anschließend eine Beispielrechnung für 20 Connect-Public-Ladepunkte auf, für die man beim Kauf rund 105.000 Euro rechnen muss plus 645 Euro Kosten pro Monat. Man kann das Ganze aber auch für 3000 Euro mieten, wozu pro Ladepunkt nochmal 151 Euro pro Monat kommen, in Summe monatlich 3020 Euro. Über 48 Monate landet man dann bei 288.960 Euro, wo man bei der Anschaffung nur 135.960 Euro bezahlt, aber eben nicht „all in“ hat. Noch günstiger wird das Ganze über eine Lebensdauer von acht bis zehn Jahren gerechnet, von denen Franken ausgeht. Und auf die Frage, wer wann und warum kauft oder mietet, antwortet er prompt: Sobald es Förderungen gebe, ginge die Tendenz sofort zum Kauf - sofern sich im Unternehmen Menschen eingehend mit dem Thema befassen. Mit der Miete kann man diesen Punkt "entschärfen", denn der monatliche Betrag beinhaltet Hardware, Software und Dienstleistungen, die man zwischen 30 und 60 Monaten buchen kann – zumal man Professionelle Wartung und Unterstützung mitbucht.
In den Hallen und Laboren der Druckmaschinen erschließen sich die Synergien
Anschließend gibt es noch ein Führung durch F&E sowie die Fertigung. Jetzt übernimmt Chief Technical Officer Ulrich Grimm und steigt etwas tiefer in die Elektronik, Elektrik und Forschung ein. Und da ist es gut, zu wissen, wie eine Platine entsteht, die Heidelberg selbst entwickelt, fertigt und bestückt und welche gigantischen Rechnerleistungen moderne Druckmaschinen benötigen. Womit die Amperfied-Produkte plötzlich vergleichsweise "einfach" erscheinen. Vorteil: Amperfied kann die Elektronikfertigung als auch die Labore mit nutzen.
Grimm öffnet die Tür zur EMV-Kammer wo man jegliche elektromagnetische Unverträglichkeit aufspüren kann. In die müssen alle CE-geprüften Ladetechnikprodukte. EMV-Kammern kann man mieten, aber Heidelberg hat sie vor Ort und kann so flexibler testen und reagieren. Es geht weiter in die Platinenfertigung, in der Heidelberg mehrere Straßen 24/7 laufen hat, denn Elektronik ist das „Gehirn“ der Druckmaschinen – und der Ladetechnik. Und obwohl man ohnehin schon eine sehr engmaschige Wareneingangskontrolle hat, hat man die laut Grimm mit der Automotive-Industrie nochmal massiv aufgebohrt. Von jedem noch so kleinen Schräubchen einer beliebigen Wallbox könne er das Anzugdrehmoment eruieren, in welcher Charge die Schraube angeliefert wurde und in welcher Gerätenummer sie ausgeliefert wurde. Dazu kommen diverse Klimakammern, die man von minus 30 bis plus 45 Grad temperieren kann. Und Grimms Kollege im Labor könnte noch die chemische Zusammensetzung überprüfen. Und dank Rasterelektronenmikroskop könnte man auch auf ein zweitausendstel Millimeter genau prüfen. In der Montage finden sich dann mehrere Arbeitsplätze, die je nur immer drei Schritte umfassen und identisch aufgebaut sind. Wie gut funktioniert die Qualitätsprüfung denn? Oh ja – von den über 300.000 ausgelieferten Stationen seien bisher keine zehn(!) mit groben Mängeln aufgefallen.
Was bedeutet das?
Auf den ersten Blick erschließt sich dem Betrachter die Synergie zwischen den beiden Heidelberg-Produktzweigen Druckmaschinen und Ladeinfrastruktur nicht. Geht man dann durch die Hallen, ändert sich das und es wundert nicht, dass Heidelberg nicht nur bei den Druckmaschinen zu den Großen gehört.