Honda auf der Milan Design Show: Nachhaltiger denn je
Wir staunten nicht schlecht, als wir den „Garten der Ideen“ in Mailand betraten und das in Japan noch rote Sustaina-C Concept wiedersahen, das erstmals auf der Japan Mobility Show 2023 präsentiert wurde. Honda zeigte gleich drei Konzeptfahrzeuge auf der „Garden of Ideas“-Ausstellung, die von Vanity Fair Italia im Rahmen der Milan Design Week ausgerichtet wird. Der Honda Stand befindet sich dabei im Innenhof des Museo Diocesano und fügt sich mit seinen verspiegelten Außenwänden in die historische Umgebung ein – mit einem bunt schillernden breiten Fenster, das dazu beitragen soll, einen organischen Raum zu schaffen. Im Inneren können Besucherinnen und Besucher die drei ausgestellten Modelle betrachten und Beispiele für den Fertigungsprozess des Sustaina-C Concept erleben.
Per se ist der Sustaiona-C ein knackiger und zeitloser Kleinwagen, der für unter 20.000 Euro in elektrisch durchaus „Haben-Wollen-Reflexe“ auslösen kann. Doch statt glänzend rot stand er jetzt in wildem marmoriertem weiß-grau vor uns! Und Kento Ishii, Design Project Leader der Studie trug seinerseits ein marmoriertes T-Shirt. Und klärte uns gleich auf: Die Karosseriebeplankung bestand bei dem Fahrzeug in Mailand aus recyceltem Acrylharz, das aus gebrauchten Rückleuchten gewonnen wird – seltsamerweise führt das trotzdem nicht zu roten Oberflächen…
Erklären wir gleich im Detail, jetzt erstmal zur Ambition der Japaner in Mailand: Denn Honda erforscht mit dem Modell, wie die Gesellschaft die „Einschränkungen“ überwinden kann, die sich aus der Begrenztheit von Ressourcen ergeben. Das Modell wird gemeinsam mit dem Pocket Concept präsentiert, einem kompakten Motorrad, das im Kofferraum verstaut werden kann und Mobilität für die letzte Meile bietet.
Also: Die Verkleidung des Sustaina-C Concept besteht - wie erwähnt - aus recyceltem Acrylharz, das aus gebrauchten Rücklichtern gewonnen wird, und muss nicht lackiert werden. Dadurch ergibt sich ein einzigartiges, unlackiertes Finish, das mit traditionellen Materialien nicht möglich wäre. Die bei der Herstellung erzeugten Emissionen können durch diesen Materialansatz laut Honda um bis zu 45 Prozent reduziert werden – teilweise durch die Verwendung recycelter Materialien, aber auch, indem die Verkleidung nicht lackiert wird, was bis zu 80 Prozent (!) der CO2-Emissionen eines Automobilwerks ausmachen kann! Denn Lack muss hergestellt und getrocknet werden und wer schon mal in die Produktionsplanung einer neuen Lackiererei involviert war, weiß, wie viel Energie das kostet!
Marmoreffekt - aber nicht made in Carrara
Weshalb der Kleinwagen hier einen schwarz-weißen Marmoreffekt trägt (Carrara lässt grüßen), der beim Gießen durch das Mischen von Farben mit unterschiedlichen Schmelzpunkten erzielt wird. Die Marmorierung entsteht, wenn sich das Material in der Gussform absetzt.
Außerdem soll die Fahrzeugverkleidung rissbeständig sein und sich nach leichteren Kollisionen wieder in ihre ursprüngliche Form bringen lassen. Darüber hinaus soll sie sehr beständig gegenüber Witterungsbedingungen und Sonneneinstrahlung sein. Vor allem Fahrer roter Autos mit vielen Kunststoffteilen wissen, dass sie sich hier über die Jahre mit einem blassen rosa anfreunden müssen.
„Sprechen“ kann der kleine Honda auch, denn: Die Heckklappe besteht dank der tollen Transparenz des Acrylharzes aus einem einzigen Teil und fungiert wie ein Smartphone-Display: Über ein kleines LED-Display kann per Text und Bild mit anderen Verkehrsteilnehmern kommuniziert werden.
Kreislauf ist, wenn Honda und Mitsubishi kooperieren
Darüber hinaus zeigt das verwendete Acrylharz auch einen möglichen Ansatz für den zukünftigen Wertstoffkreislauf auf. In dem in Zusammenarbeit mit Mitsubishi Chemical entwickelten Prozess werden die gebrauchten Rücklichter aus Altfahrzeugen gewonnen, zerkleinert und behandelt, bevor sie zu den Teilen für die Studie gegossen wurden. Dies ist einer der Wege, den Honda erforscht, um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren, energieeffizientere, CO2-arme und kostengünstige Recyclingtechnologien zu entwickeln und eine Kreislauf-Wertschöpfungskette von Fahrzeug zu Fahrzeug zu schaffen.
„Der Sustaina-C zeigt, wie vielfältig die Möglichkeiten auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit sind“, sagte Kento Ishii und ergänzt:
„Dies gilt nicht nur für die Fahrzeugverkleidung, sondern auch für andere Elemente, die von außen nicht sichtbar sind. Ob es um die Beschaffung von umweltfreundlicherem Stahl für das Fahrwerk oder von recycelten Materialien für den Innenraum geht – es gibt so viele Möglichkeiten, wie wir bei der Herstellung von Fahrzeugen etwas bewirken können. Und nichts davon geht auf Kosten des Erscheinungsbildes unserer Produkte – mit den neuen Materialien kreieren wir eine einzigartige Ästhetik und bietet unseren Kunden einen Mehrwert.“
Der Roller Vetro: Ein „glasklares“ Statement
Gut, der Sustaina-C ist eine Studie, gibt es auch schon Konkreteres? Ja, erklärt uns Ishii: Um die CO2-Emissionen in der Fertigung in Europa zu reduzieren, hätte man die „Vetro“-Version des Rollers SH125i mitgebracht. Der übrigens im Werk Honda Italia Industriale produziert wird. Der „Vetro“ (Italienisch für Glas) ist ein Sondermodell mit halbtransparenten, unlackierten grünen Verkleidungsteilen – ein bisschen so, als wäre er in coolen Altglas-Mattlack gehüllt. Die Fertigungsprozesse rund um die Nutzung dieser Komponenten im Werk Atessa senken die CO2-Emissionen im Vergleich zur Herstellung konventioneller lackierter Verkleidungen um bis zu 9,5 Prozent…immerhin.
Das gemeinsam mit Honda Motor in Japan entwickelte Material ersetzt den ABS-Kunststoff, der für nicht tragende Teile und Komponenten verwendet wird, und sorgt für einen eleganten, einheitlichen Karosseriestil und ein hochwertiges Erscheinungsbild. Einziger Minuspunkt ist, dass der klöternde SH125i Vetro nicht elektrisch ist, aber immerhin die neuen Euro-5+ Emissionsziele erfüllt, die bis Ende 2024 für alle neuen Modelltypen gesetzlich vorgeschrieben sind. Marcello Vinciguerra, Managing Director von Honda Italia Industriale, erklärte dann auch stolz:
„In unserem Atessa-Werk arbeiten wir hart daran, die Effizienz unserer Produktionsmethoden zu optimieren und unsere Emissionen zu reduzieren.“
Ein zentraler Bestandteil dieses Bestrebens ist die „Triple Action to Zero“-Initiative, die CO2-Neutralität, saubere Energie und Ressourcenkreislauf abdeckt. Letzterer verfolgt das Ziel, einen Ressourcenkreislauf von Fahrzeug zu Fahrzeug zu etablieren und bis zu 100 Prozent nachhaltige Materialien zu verwenden. Sowohl der Sustaina-C Concept als auch der Pocket Concept sind erste Beispiele dafür, wie dies in Zukunft aussehen könnte.
Änderungen müssen schrittweise stattfinden
„Der Sustaina-C Concept, der Pocket Concept und der SH125i Vetro zeigen, welche Änderungen wir erreichen wollen, während wir unseren Übergang von einem Geschäftsmodell, das auf Massenkonsum basiert, zu einem Geschäftsmodell der Kreislaufwirtschaft beschleunigen“, sagte Victoria Friend, Head of Product Compliance & Sustainability, Honda Motor Europe und ergänzte:
„Dies geschieht natürlich nicht über Nacht. Aber indem wir kleine Veränderungen identifizieren, die jetzt schon möglich sind – wie jene in unserem Atessa-Werk – können wir immer wirksamere Maßnahmen umsetzen, die uns auf unserem Weg zur CO2-Neutralität bis 2050 über alle Produkte und geschäftlichen Aktivitäten hinweg unterstützen.“
Auch der SH 125i Vetro verfügt über eine recyklierte Hülle - in grüner matter Glasoptik. | Foto: Honda
Fun Fact: Der Scooter kommt aus dem Ursprungsland der Roller - Italien! | Foto: Honda
Ein Scooter als Koffer: Viel weniger geht nicht! | Foto: Honda
Trotzdem: Markanter Scheinwerfer. | Foto: Honda
Alles an Bord - auch eine Kamera und Screen. | Foto: Honda
Die Marmorierung erkennt man erst im Detail. | Foto: S. Soller
Immer noch zu groß und üppig? Dann hätte Honda noch sein Pocket Concept dabei, einen Roller im Köfferchen-Format, der sich zum Fahrzeug aus- und aufklappen lässt. Zwar passt der „Koffer“ nicht unbedingt in eine „(Hosen-)Tasche“, wie es der Name verheißt, doch viel weniger (recyceltes) Material kann ein Scooter nicht verwenden. Auch sehr nachhaltig das…
Weshalb wir damit am liebsten zum Bahnhof düsen würden, wo wir das Pocket-Concept zusammenfalten, um es in die Gepäckablage des Zuges zu packen. Denn mit dem Pocket-Concept über die Alpen zurück nach Deutschland – das wäre uns dann doch etwas zu weit…aber per Zug trotzdem nachhaltig!
Was bedeutet das?
Auch nach dem Krieg gab es schon mal dieses marmorierte Mischplastik, das jedes daraus hergestellte Produkt zum Unikat machte. Womit man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hätte: Man hätte ein marmoriertes oder irgendwie gestaltetes Fahrzeug, das sonst absolut NIEMAND sonst hat! Ein toller Ansatz für viel mehr (in dem Fall marmorierte) Nachhaltigkeit!