Interview Lamborghini-CEO Stephan Winkelmann: Der Zeitpunkt passt ideal!
„Direzione Cor Tauri“ nennen die Italiener ihre Strategie und bereits im Oktober 2021 angekündigte Roadmap zur Dekarbonisierung und Elektrifizierung. Ab 2025 sollen die CO2-Emissionen mindestens halbiert werden. Und wem es jetzt das Herz zerreißt, der sei beruhigt: „Cor Tauri“ steht lateinisch für Stierherz. Zugleich ist es der Name des hellsten Sterns im Sternbild Stier, der der Marke den Weg in eine elektrifizierte Zukunft weisen soll. E-Maschine statt V8, V10 und V12? CEO Stephan Winkelmann versucht, die Hardcore-Fraktion zu beruhigen: „Der Elektrifizierungsplan von Lamborghini ist ein Kurswechsel, der durch ein radikal verändertes Umfeld unumgänglich geworden ist. Wir wollen damit unseren Beitrag leisten und unsere Umweltauswirkungen durch konkrete Projekte mehr und mehr reduzieren.“ Hier wollten wir etwas tiefer einsteigen und trafen Stephan Winkelmann auf der Auto China in Peking.
Wie kam es zur Entscheidung, den Urus PHEV ausgerechnet auf der Auto Show in Peking vorzustellen?
Winkelmann (lacht): Dafür gab es drei Gründe und die sind schnell aufgezählt. Der Zeitpunkt passt perfekt, das Auto ist wichtig für uns und es gibt leider kaum noch Messen.
Wie sieht denn der typisch chinesische Kunde aus? Unterscheidet der sich von anderen Regionen auf der Welt?
Winkelmann: Es sind die jüngsten Kunden und Kundinnen, die wir haben. Ihr Durchschnittsalter liegt unter 35 Jahren, die jüngste Kundengruppe weltweit. In den USA und Europa liegt das Durchschnittsalter darüber, aber auch dort haben wir den jüngsten Altersschnitt im Vergleich zum Wettbewerb. Im Allgemeinen sehe ich das junge Alter unserer Kunden als etwas sehr Positives an.
Haben diese andere Ideen oder Wünsche als ihre Stammkundschaft oder gar einen Plug-in gefordert? Und welchen Anteil wird der am gesamten Lamborghini-Absatz haben?
Winkelmann: Die Zeit passt jetzt ideal. Wir rechnen mit dem gleichen Absatzmix wie beim Vorgänger, heißt rund 50% Urus und 50% Supersportwagen, wobei sich die nochmal auf 30% Huracan und Derivate und 20% Revuelto und Derivate aufteilen werden.
Letzterer lebt immer noch von seinem V12 und dessen Sound. Können Lamborghini-Kunden da wirklich drauf verzichten?
Winkelmann: Wir leben und planen die Zukunft im hier und jetzt und müssen die automobilen Bedürfnisse für die nächsten fünf bis sechs Jahre voraussehen, was aktuell schwieriger denn je ist. Klar ist: Die Hybridisierung ist wichtig und birgt natürlich ein Risiko, weshalb wir schon immer gesagt haben, dass wir hier nicht die ersten sein müssen. Begonnen haben wir mit der Hybridisierung ja eigentlich schon beim Revuelto und da hat sich das schon ausgezahlt. Er ist für die nächsten drei Jahre ausverkauft. Jetzt sind wir beim Huracán einen ganzen Schritt weiter gegangen, auch weil wir so unsere CO2-Bilanz und die der Kunden massiv verbessern können. Und wenn wir in fünf bis sechs Jahren einen elektrischen Lamborghini haben werden, der eine eigene Baureihe werden wird, ist das der perfekte Weg dorthin. Wichtig ist, dass die Performance vom ersten Meter an passt und das tut sie.
Was zeichnet einen Lamborghini dann noch aus?
Winkelmann: Es sind zum einen die Zahlen und Fakten – starke Performance, jederzeit abrufbar. Und es ist zum anderen das Fahrerlebnis und das ist bei einem Lamborghini immer sehr emotional und steckt voller Gefühl. Das für ein batterieelektrisches Fahrzeug umzusetzen ist jetzt die Herausforderung.
Bei den schweren Akkus gar nicht so leicht…
Winkelmann: Das beeindruckende Gefühl der Leichtfüßigkeit wird in jedem Lamborghini erhalten bleiben, dabei helfen die individuelle Fahrwerksabstimmung, moderne Software und natürlich die Entwicklungsanstrengungen unserer Ingenieure. Damit reagieren wir auf die veränderten Parameter, die Elektroantriebe mit sich bringen.
Stichwort Antrieb und Akkutechnik: Lamborghini hatte einmal mit Supercaps experimentiert und nutzt aktuell als einziger den V12. Könnte man da nicht auch bei elektrischen Antrieben oder der Akkutechnik einen Maßstab setzen oder etwas Spezielles entwickeln?
Winkelmann: Grundsätzlich hilft uns hier natürlich der Konzern, Kosten im Rahmen zu halten, zumal der Entwicklungsaufwand immer höher wird. Im Konzern haben wir immer die Leistungsführerschaft. Und auch wenn der Urus ein Plattformprodukt ist, gibt es im Fahrverhalten und bei der Leistungsentwicklung große Unterschiede zu anderen Produkten. Wir machen selbst immer wieder die Probe aufs Exempel und müssen sagen: Alle Konzernprodukte fahren sich tatsächlich grundverschieden.
Nun steigen sie mit dem Urus hier im Konzern ja schon auf der größten Plattform ein. Haben Sie schon mal über ein kleineres Einstiegsmodell nachgedacht?
Winkelmann: Ja damit haben wir uns mal sehr kurz auseinandergesetzt, es aber sofort wieder verworfen. Denn Stückzahlen sind ja das Eine, die Rendite, die ich damit erwirtschafte, ist das andere. Und da sehen wir aktuell unter dem Urus keine Notwendigkeit.
Wie wird sich das künftige Lamborghini-Programm dann staffeln?
Winkelmann: Wir planen mit vier Modellen. Der Urus bleibt der Einstieg, darüber rangiert der Lanzador, darüber dann der künftige Huracan und das Topmodell ist der Revuelto.
Wie viele Lamborghini sind eigentlich gewerblich zugelassen?
Winkelmann (lächelt): da gibt es natürlich Einige, vor allem in Kalifornien, wo man das Leasing geschäftlich anrechnen kann. Aber grundsätzlich ist ein Lamborghini nie das erste Fahrzeug und wird praktisch immer privat gefahren. Das gilt selbst für den Urus, der ja ein nutzwertiges vollwertiges Auto für mindestens vier Personen ist.
Wie viele Autos haben Lamborghini-Besitzer dann in der Regel im Fuhrpark?
Winkelmann: Tatsächlich sind es im Schnitt meist fünf bis sechs Fahrzeuge.
Die Pläne für die nächste Zukunft samt der vierten Modellreihe sind gemacht. Wo wird Lamborghini Ihrer Meinung nach in zehn Jahren stehen? Wird man dann weiterhin Supersportwagen produzieren?
Winkelmann: Das ist eine Grundsatzfrage. Tatsächlich müssen wir Augen und Ohren ganz weit offen haben, um die Zukunft zu erforschen. Wichtig ist, dass wir auch künftig Traumautos bauen, denn wir verkaufen ja nicht Mobilität, sondern Träume. Denn hier müssen wir auch ehrlich sein: Keiner kauft einen Lamborghini, weil er ihn wirklich braucht!
Träume von morgen deuten – stelle ich mir schwer vor…
Winkelmann: Ist es auch, denn aktuell entwickelt sich die Branche eher revo- als evolutionär. Und da herauszulesen, was die Kunden und Kundinnen genau wünschen, ist aktuell tatsächlich nicht ganz einfach.
Wie beurteilen Sie in dem Zusammenhang die Umstellung der Pkw-Flotte auf elektrische oder elektrifizierte Antriebe?
Winkelmann: Grundsätzlich glaube ich, dass Alltagsfahrzeuge eher umgestellt werden. Trotzdem haben wir mit der Elektrifizierung und Digitalisierung auch super Chancen, die wir heute vielleicht noch gar nicht kennen. Dazu zähle ich auch alternative Kraftstoffe, die uns vor allem beim Altbestand helfen würden, CO2 schnell und stark zu reduzieren. Denn Fakt ist: Wir müssen den CO2-Ausstoß dramatisch senken und Sprit macht uns nicht nur bei der Umweltverschmutzung, sondern auch bei den Schadstoffen und Feinstäuben Probleme. Weshalb die Elektrifizierungsstrategie der EU viele Fliegen mit einer Klappe schlägt. Wichtig ist dabei nur, wo der Strom herkommt, weshalb wir auch eine umweltfreundliche Stromerzeugung sicherstellen müssen.
Wie waren die ersten Feedbacks zum Urus PHEV?
Winkelmann: Hier in China extrem positiv, was aber auch daran liegt, dass eine Kilowattstunde Strom hier teils nur neun Cent kostet und damit viel billiger ist als Sprit. Klar, dass sich das dann auch für die Kunden viel schneller lohnt.
Wir haben auf der Messe viele neue Modelle chinesischer Marken gesehen, die Premium-Hersteller interpretieren, aber kein einziges Modell, das die kantige Markanz von Lamborghini zitiert. Warum?
Winkelmann (lächelt): Weil das zu offensichtlich wäre.
2023 hat Lamborghini mit 10.112 Einheiten erstmals mehr als 10.000 Fahrzeuge ausgeliefert. Stimmt diese Zahl für Sie noch oder muss man da auch weiter wachsen?
Winkelmann: Für uns kommen immer Rentabilität und Stabilität des Geschäftes vor allem anderen. Weshalb wir hier immer fein austarieren müssen, dass die Begehrlichkeit und damit die Restwerte hoch bleiben aber auch der Auftragsbestand hoch genug ist, um weiter investieren zu können. Denn grundsätzlich wird die Technik auch für Lamborghini teurer und die Lebenszyklen werden eher kürzer. Aber trotzdem haben wir immer ein Auge auf der Knappheit. Denn Träume müssen begehrenswert sein.
Das Interview führte Gregor Soller