Interview mit Henrik Fisker: Ohne Volumen kann man als Autohersteller nicht existieren

Im Interview gab sich Henrik Fisker entspannt und locker - und verriet einige spannende Hintergründe zum Produktionsstart des Ocean. 

Henrik Fisker in seinem Store in der Kaufingerstraße in München - er kennt die Münchner Innenstadt noch aus seiner Zeit bei BMW. | Foto: G. Soller
Henrik Fisker in seinem Store in der Kaufingerstraße in München - er kennt die Münchner Innenstadt noch aus seiner Zeit bei BMW. | Foto: G. Soller
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Wir trafen Henrik Fisker kurz nach der Eröffnung der beiden Niederlassungen in München in der Fisker Lounge in der Kaufingerstraße. Gegen zwölf Uhr schlendert er mit seiner Frau Geeta Gupta in „sein Geschäft“ - beide sind bestens gelaunt und man hat den Eindruck, sie haben bewusst die Kaufingerstraße, Münchens große Fußgängerzone gewählt: Dort ist gut bummeln und man hat Zeit, sich ein Fahrzeug wie den Ocean auch mal in Ruhe anzusehen. Uns wird angekündigt, dass Henrik an diesem Mittag vielleicht zehn oder 15 Minuten Zeit haben konnte - woraus dann ein längeres, gut halbstündiges Gespräch wird. Fisker, der in seiner Zeit bei BMW selbst länger in München gewohnt hat, bringt die Muse der Fußgängerzone direkt in die Lounge. Wir nehmen in einer Couchecke Platz, wo Fisker uns ganz offen seine Hintergründe und Pläne für die Zukunft erläutert.

Nach dem Aston Martin, BMW Z8, dem Fisker Karma und dem einst geplanten EMotion bringen Sie jetzt mit dem „Ocean“ ein vergleichsweise konventionelles und dezent gestaltetes SUV für die weltweiten Volumenmärkte - woher dieser Gesinnungswechsel?

Fisker: Volumen ist genau das Stichwort. Denn ohne Volumen kann man als Autohersteller nicht existieren. Ich durfte in meiner Karriere viele luxuriöse und exklusive Fahrzeuge gestalten bis hin zum eigenen Modell „Karma“. Doch klar ist: All die Luxusmarken haben Volumenhersteller im Rücken: Sei es BMW bei Rolls Royce oder den VW-Konzern bei Bentley oder Porsche. Das reduziert die Kosten vor allem im Engineering und Einkauf enorm, sodass man auch vierstellige Stückzahlen gewinnbringend produzieren kann. Deshalb war klar: Fisker als Marke muss Volumen generieren, um überlebensfähig zu sein.

Was mit Ocean, Pear und Alaska klappen sollte. Und dann gönnen Sie sich den Ronin?

Fisker (lacht): Natürlich haben wir nach wie vor Spaß an eleganten viertürigen Elektro-Cabrios wie dem Ronin, aber das ist die Kür. Jetzt müssen wir mit Ocean und Pear erst Mal auf Stückzahlen kommen. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass Fahrzeuge heute bei weitem nicht mehr so emotional gesehen werden wie zu meiner Jugend. Da war das erste eigene Auto DAS Tor zur Freiheit. Heute findet man die teils anders – zum Beispiel im digitalen Device.

Das ist eine gute Überleitung zum Pear, den Sie ja mit Foxconn, dem Hersteller des Apple I-Phones produzieren wollen, während der Ocean bei Magna entsteht. Weshalb setzen Sie hier immer auf Auftragsfertiger?

Fisker (lächelt): Weil die es können! Sie haben wahnsinnig viel Erfahrung im Detail, sodass wir uns eine „Produktionshölle“ beim Montagestart sparen können. Und wir können uns selbst klein und flexibel halten. Sehen Sie, bei Fisker sind wir insgesamt nur rund 1.000 Mitarbeiter, das ist für einen Pkw-Hersteller im Volumensegment sehr wenig. So können wir schnell reagieren und halten unsere Kosten gering.

Ist das auch der Grund für den Direktvertrieb?

Fisker: Genau! Denn bei einem herkömmlichen Fahrzeug addieren sich auf den Produktionspreis viele kleine Extrakosten, die sich in Summe zu einem nicht ganz unerheblichen Betrag addieren. Das beginnt bei den Produktionseinrichtungen, die wiederum versteuert und versichert werden müssen bis hin zum Händlernetz, das betreut werden muss. Und so addieren sich in Summe viele Centbeträge auf das Auto, die der Kunde zahlen muss und für den Hersteller von der Marge abgehen. Da investieren wir lieber in Details wie den „California-Mode“ (alle Fenster inklusive der Heckscheibe und der hinteren Seitenscheiben fahren nach unten Anm. d. Red.) oder nachhaltige Oberflächen.

Die alle sehr wertig wirken. Aber wie schaffen Sie dennoch diesen Preis? Auch Fisker kann ja nicht zaubern?

Fisker: Das stimmt! Natürlich müssen auch wir an der ein oder anderen Ecke sparen, aber als Designer ist es mir wichtig, dass der Kunde davon nichts sieht!

Können Sie uns hier trotzdem so ein unsichtbares Beispiel zeigen?

Fisker (lächelt und deutet auf die vordere Haube): Die „Motorhaube“ ist bei uns ein Deckel, den nur der Service abnehmen kann. Der Kunde muss hier nicht mehr ran, außer um Scheibenwaschflüssigkeit nachzufüllen. Deshalb haben wir den Nachfüllstutzen logischerweise nahe an die Wischerblätter verlegt. Der Service kann die Haube abnehmen, aber nur mit Werkzeug. Hätten wir sie als herkömmliche Haube mit Scharnieren ausgeführt, hätten wir sie mit anderen Dichtungen, einer Öffnungsmimik und auch bezüglich des Crashverhaltens viel aufwändiger konstruieren und fertigen müssen. Was sie auch nicht sehen, sind die Rückseiten der Innenverkleidungen, die wir auf der Montageseite sehr günstig ausführen konnten. Dafür haben wir auf den Flächen, die sie sehen, fühlen und anfassen können, richtig viel Geld für teure Werkzeuge in die Hand genommen.

Weshalb?

Fisker: Aus zwei Gründen: Erstens nutzen sich die Oberflächen bei hochvergüteten Werkzeugen nicht so schnell ab, man kann sie ohne Revision für zigtausend Einheiten einsetzen. Zweitens kann man mit ihnen präziser und schneller produzieren und spart so wieder Stückkosten.

Die beim Pear ja noch wichtiger werden. Warum soll dem Ocean ein noch günstigeres und nicht erst mal ein teureres Imagemodell folgen?

Fisker: Wir müssen hier realistisch bleiben. Für die meisten Kunden auf der Welt ist selbst der günstigste Ocean noch teuer! Und wie Sie wissen, arbeiten alle Konzerne fieberhaft an Modellen, deren Einstiegspreis mit einer drei oder besser noch einer zwei beginnt. Das größte Problem für Autohersteller, die weltweit aktiv sein wollen, ist die Fahrzeuggröße: In Indien oder Südostasien akzeptieren Kunden auch 3,5 Meter kurze Kleinwagen, in den USA gilt schon der Ocean als „Compact“. Kaum jemand fährt dort gern mit einem Kleinwagen herum, wenn es überall genug Platz für große Modelle gibt. Weshalb wir für den Pear ein Maß und eine Optik finden mussten, die in den USA gerade noch akzeptiert wird und im Rest der Welt noch als „kompakt“ gilt, also 4,4 bis 4,5 Meter.

Spart weniger Material nicht auch erheblich Produktionskosten?

Fisker (lacht): Oh nein! Wenn ich nur den Rohbau betrachte, liegen zwischen dem kleinsten und größten Modell vieler Hersteller keine tausend Euro! Weshalb die US-Hersteller ihre riesigen Pick-ups für vergleichsweise günstiges Geld herstellen können. Hier ist also nicht viel zu holen.

Wodurch wird sich der Pear dann auszeichnen?

Fisker: Wie der Ocean durch Design, intelligente Details und noch weniger Teile. Denn jedes Teil, das verbaut werden muss, kostet Arbeitszeit! Weshalb der Pear nochmal 35 Prozent weniger Komponenten haben wird. So sind zum Beispiel die Türverkleidungen innen vorn und hinten identisch. Und natürlich kann man bei den Oberflächen in dieser Klasse nochmal etwas günstiger werden. Gleichzeitig wollen wir aber auch mit neuen Ideen punkten, um einen USP zu haben.

Wollen Sie hier schon mehr verraten?

Fisker: Nur so viel: Sie kommen auch an den Kofferraum heran, wenn sie eng eingeparkt sind!

Das klingt alles wohldurchdacht und auch der erste Fahreindruck des Ocean überzeugt. Weshalb mussten Sie dann die geplanten Stückzahlen immer wieder nach unten korrigieren?

Fisker: Weil die Realität manchmal anders läuft als man geplant hat. Wir haben ja nicht nur Magna als Auftragsfertiger, sondern mehrere Zulieferer. Der Hersteller einer Komponente für ein sichtbares Teil des Interieurs hatte unvorhersehbare Probleme – aber mittlerweile haben wir das geklärt und sind mit unserer Produktion voll auf Kurs.

das Interview führte Gregor Soller

Printer Friendly, PDF & Email