Jaguar Land Rover: In Zukunft (fast) alles anders

JLR-Deutschland-Geschäftsführer Jan-Kas van der Stelt konnte für 2023 gute Zahlen melden und wagte einen Blick in die Zukunft.

JLR-Deutschland-Geschäftsführer Jan-Kas van der Stelt präsentierte in München Zahlen und Fakten. | Foto: G. Soller
JLR-Deutschland-Geschäftsführer Jan-Kas van der Stelt präsentierte in München Zahlen und Fakten. | Foto: G. Soller
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Obwohl 2023 kein ganz neues Modell anlief, kam Jaguar Land Rover zurück in die schwarzen Zahlen. Das ist tatsächlich zu einem großen Teil der Defender zu verdanken, der einst mit 10.000 Einheiten geplant war und jetzt mit 120.000 Einheiten mit Abstand JLR-Topseller ist, auch auf dem deutschen Markt.

Blättern wir kurz zurück zu den Zahlen: Mit einem Umsatz von £7,4 Mrd., was einem Plus von 22% gegenüber dem dritten Quartal des Geschäftsjahres 2022/23 und von 8% gegenüber dem zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 entspricht, erzielte JLR im dritten Quartal des Geschäftsjahres eine weitere starke Leistung. Der Umsatz für die neun Monate bis zum 31. Dezember 2023 belief sich auf £21,1 Milliardenmit einem Plus von 35% gegenüber dem Vorjahr. Es ist der höchste Umsatz, den JLR jemals in den ersten neun Monaten eines Geschäftsjahres erzielt hat.

JLR schreibt wieder Gewinne und verkauft mehr und hochpreisigere Modelle

Der Gewinn vor Steuern (PBT) belief sich in diesem Quartal auf £627 Millionen, gegenüber £265 Millionen im Vorjahr. Die EBIT-Marge war mit 8,8% positiv und hat sich gegenüber den 3,7% des Vorjahres mehr als verdoppelt. Laut van der Stelt sei man da zwar noch nicht am Ziel, das einen zweistelligen EBIT sieht, aber auf dem richtigen Weg. Zumal man stärker wachse als der Markt: In Deutschland konnte man den Absatz zuletzt von 15.348 auf 16.977 Fahrzeuge steigern. Was gewinnverstärkend hinzukam: Das Wachstum brachten vor allem die größeren, teureren Baureihen mit mehr Marge, deren Absatz zudem unempfindlicher auf wirtschaftliche Abschwünge sei – zumindest aktuell.

Die höhere Rentabilität im Vergleich zum Vorjahr spiegelt aber auch das günstige Volumen und die geringeren Kosten für Chips wider, denen teilweise ungünstige Fixkosten für Marketing, Verwaltung und die Neubewertung von Wechselkursen im Vergleich zum Vorjahr gegenüberstanden.  Der Gewinn nach Steuern belief sich im Quartal auf £592 Millionen, verglichen mit einem Gewinn von £261 Millionen im gleichen Quartal des Vorjahres. Das Profit vor Steuern für das bisherige Geschäftsjahr betrug £1,5 Milliarden und after Taxes für das gesamte Jahr £1,2 Milliarden. Der freie Cashflow betrug im Berichtszeitraum £626 Mio.. Am Ende des Quartals beliefen sich die gesamten Barmittel auf £4,3 Mrd.  und die Nettoverschuldung auf £1,6 Mrd.  bei einer Bruttoverschuldung von £5,8 Mrd.. Die Gesamtliquidität betrug £5,8 Mrd., einschließlich der nicht in Anspruch genommenen revolvierenden Kreditfazilität in Höhe von £1,52 Mrd., die am 1. April 2026 fällig wird.

Mit Blick auf die Zukunft ist das Unternehmen auf dem besten Weg, seine Rentabilitäts- und Cashflow-Ziele zu erreichen. Die EBIT-Marge für das Geschäftsjahr 2023/24 wird voraussichtlich bei über 8% liegen, und wir erwarten weiterhin einen operativen Cashflow, der bis zum Ende des Geschäftsjahres 2023/24 eine Nettoverschuldung von weniger als £1 Mrd. und eine positive Nettoliquidität im Geschäftsjahr 2024/25 ermöglicht.

Auch zu den Programmen äußerte sich van der Stelt und hier sieht es wie folgt aus: 2024 wird Jaguar XE, XF und F-Pace einstellen – mit den neuen EU-Richtlinien gemäß der EU-Verordnung 2019/2144 sind viele Assistenzsysteme bereits seit dem 6. Juli 2022 für komplett neu entwickelte Autos verpflichtend. Ab dem 7. Juli 2024 müssen sie in allen neu zugelassenen Pkws vorhanden sein. Autokäufer müssen beachten, dass Fahrzeuge, die vor dem 6. Juli 2022 ihre Typzulassung erhielten, diese Assistenten nicht enthalten. 2025 werden auch E-Pace, F-Pace und I-Pace eingestellt und Jaguar startet ganz neu mit einem viertürigen, rein elektrischen GT, der ab ca. 120.000 Euro kosten wird und auf einer Jaguar-eigenen Plattform, der „Jaguar Electric Architecture“, kurz JEA steht. Damit startet die Marke ganz neu und wird wieder zwischen den deutschen Premiums und den britischen Luxusmarken positioniert. Perspektivisch seien drei Modelle geplant und das erste Modell soll komplett eigenständig sein, eine „Copy of nothing“….klappt das auch? Van der Stelt bejaht unsere Nachfrage:

„Ich wusste nicht, ob es möglich war, aber sie haben es geschafft!“

Das bestätigen auf Nachfrage auch andere Insider, die den neuen Jaguar bereits gesehen haben. 2025 ist Jaguar damit rein elektrisch.

Discovery könnte künftig raumeffizient sein – und siebenssitzig

Bei Land Rover tritt man hier dagegen auf die Bremse und sortiert das Programm neu: Noch 2024 kommt der rein elektrische Range Rover, der mit Evoque, Velar und Sport eine eigene Untermarke bildet. Aber auch hier könnte es perspektivisch „Bereinigungen“ geben. Dazu kommen die neuen Untermarken „Defender“ und „Discovery“, wobei wir uns mit Letzterer Marke am schwersten tun. Dem Defender könnte man einen kleineren Baby-Defender zur Seite stellen, aber Disco und Disco Sport? Sind eher die siebensitzigen Vernunftalternativen zu asiatischen Anbietern und deutschen Premiums. Van der Stelt habe noch nicht mal Designskizzen der neuen Discoverys gesehen, man kann aber davon ausgehen, dass Discovery eher für „raumeffizient“ und „sieben Sitze“ stehen wird.

Die Händler werden ebenfalls umstellen: Nein, es kommt kein Agenturmodell, aber Jaguar werden wohl einige „abgeben“. Man versuche jedoch, sie zumindest als Servicepartner für die neuen Elektrokatzen zu halten.

Und die Stromer bei Land Rover? Vier bis sechs sind jetzt angekündigt und da ließ sich van der Stelt auch nicht auf eine konkrete Zahl festlegen…auch nicht, welche Baureihen das neben dem Range Rover konkret sein werden.

Die Fertigung wird dezent umstrukturiert: Solihull als neues Stammwerk

Auch die Fertigung wird umgekrempelt: Das einstige Hauptwerk Bromwich Castle in Birmingham wird verkleinert zum reinen Karosserie (und damit Press-)werk. Wolverhampton wird weiter Drei- und Vierzylinder fertigen und die neuen E-Antriebe und die Fahrzeugmontage der großen Baureihen wird im Ex-Rover-Werk Solihull zusammengezogen, während die kleinen Modelle (Disco Sport, Evoque) weiter in Halewood bei Liverpool gebaut werden. Dazu kommt ein neues Akkuwerk in UK. Zu den Plänen mit Tata in Indien äußerte man sich nicht. Dazu kommen neue Entwicklungszentren, eines davon in München.

Auch JLR bietet Mietmodelle an

Und man ändert die Angebotsstruktur und bietet jetzt auch All-in-Mieten unter JLR Rent an – ab einem Monat Laufzeit und übers Wochenende, ab 99 Euro pro Tag. Dazu kommen eigene Business-Events und eine einfachere Konfiguration: Künftig soll jedes Modell in sechs Klicks konfiguriert werden können. Einzelne Optionen werden zu Pakten zusammengezogen und es wird in den jeweiligen Ländern jeweils gleich die meist georderte Konfiguration angezeigt. Auch der Service soll digitaler werden und man möchte die Schnittstellen zwischen digital und physisch optimieren, wobei Papier künftig komplett entfallen soll.

In der Realität kämpft auch JLR immer wieder mit einzelnen Fehlteilen und Softwarebugs, befindet sich hier aktuell aber in guter Gesellschaft mit praktisch allen anderen Autoherstellern. Die Zukunft bleibt spannend!

Was bedeutet das?

Jaguar Land Rover hat sich aus der Krise gekämpft. Weniger mit neuen, als vielmehr mit hochwertigeren Modellen. Man darf gespannt sein, wie sich die Angebotsstruktur künftig ausrichtet – tendenziell eher nach oben, soviel ist schon klar. Nur beim Defender bleibt man bodenständig auch an Behörden, dem Baugewerbe und Einsatzkräften dran – immerhin gibt es ihn weiter auch als zugstarken Lieferwagen mit zwei Sitzen und Laderaum dahinter…

Printer Friendly, PDF & Email