Klimaschutz: Pendlerpauschale nützt Auto-Fahrern und Gutverdienern

Mehrere Berechnungen kommen zu dem Schluss: Die im Klimapaket intendierte Erhöhung der Pendlerpauschale als Ausgleich zum Spritpreisanstieg hilft vor allem Auto-Pendlern und Besserverdienern. Der Umweltimpuls ist nicht spürbar. Verkehrsminister Scheuer verteidigt niedrigen CO2-Preis.

Auto-Pendler profitieren: Die Erhöhung der Pendlerpauschale als Ausgleich zur Spritpreiserhöhung würde keinerlei Umweltlenkung entfalten, glauben Experten. | Foto: TÜV Süd
Auto-Pendler profitieren: Die Erhöhung der Pendlerpauschale als Ausgleich zur Spritpreiserhöhung würde keinerlei Umweltlenkung entfalten, glauben Experten. | Foto: TÜV Süd
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Wer mehr Auto fährt, der wird belohnt - so lautet das Resümee zweier unabhängiger Berechnungen der Bundestagsfraktion der Grünen sowie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Bezug auf die geplante Erhöhung der Pendlerpauschale im Rahmen des Klimapakets der Bundesregierung. Darüber berichtet hatte Spiegel Online. Die Berechnung zeige zudem, dass Gutverdiener auch mit den leicht steigenden Spritpreisen kaum Grund hätten, auf sparsamere Autos zurückzugreifen. Gemäß dem Klimapaket würden die Preise für Diesel und Benzin startend ab 2021 um etwa drei Cent pro Liter steigen, ab 2026 dann etwas stärker von neun bis 15 Cent. Die Pendlerpauschale würde ab 2021 bei Strecken ab 20 Kilometer für alle Pendler ob mit Auto oder Bahn von 30 auf 35 Cent steigen. Davon würden vor allem Spitzenverdiener profitieren, zeigen die Grünen anhand einer Beispielrechnung mit 220 Arbeitstagen, einer Pendlerstrecke von 60 km und einem Fahrzeug mit 7,0 l/100 km Verbrauch. Geringverdiener mit 15 Prozent Steuersatz würden 510 statt vorher 444 Euro erstattet bekommen, abzüglich der Spritpreiserhöhung blieben aber nur 10,56 Euro mehr im Portemonnaie. Spitzenverdiener erhielten 1614 Euro als Kompensation, 208 Euro mehr als vorher, was abzüglich Spritpreiserhöhung 153 Euro Plus ergäbe, so die Berechnung.

"Weniger Lenkungswirkung geht kaum. Man bekommt zukünftig oftmals Geld heraus, wenn man einfach mit seinem Diesel oder Benziner weiter pendelt", kritisierte Oliver Krischer, stv. Fraktionsvorsitzender der Grünen Bundestagsfraktion.

Am meisten würden allerdings Bahn-Pendler profitieren, weil sie von der Spritpreiserhöhung nicht betroffen wären. Gedeckelt wird hier der Betrag aber bei 4.500 Euro, was einer Pendel-Distanz von 58 km entspräche.

Kein Druck, ein sparsameres Auto zu fahren

Auch das DIW stellte für die FAZ Berechnungen an und kam zu ähnlichen Schlüssen. Der unmittelbare Druck, sich anzupassen sei nicht da, analysiert Stefan Bach vom DIW. Es würde im Gegenteil durch eine höhere Pendlerpauschale nicht nur die höheren CO2-Preise auf Sprit ausgeglichen, sondern auch kein Anreiz geschaffen, ein sparsameres und kleineres Auto zu fahren. Im Modell des DIW stellten die Wissenschaftler einen VW Polo-Fahrer mit geringem Einkommen (verheiratet, zwei Kinder, 20.000 Euro zu verst. Jahreseinkommen, 4,4 l/100 km Verbrauch) einem Spitzenverdiener mit BMW X7 gegenüber (Single, keine Kinder, 300.000 Euro Jahreseinkommen). Beide würden unter dem Strich ab dem ersten Jahr entlastet, der Polo-Fahrer ab 28 km, der Spitzenverdiener aber schon ab einer Entfernung von 25 km, obwohl der BMW mit einem Verbrauch von 7,7 l/100 km angenommen wird. Über die Zeit und die stufenweise Erhöhung profitiere allerdings der Polo-Fahrer erst ab 77 km, die Entlastung des BMW-Fahrers finde immer ab 30 km statt. Die Schlussfolgerung der Forscher:

"Wer ein höheres Einkommen hat, kann auch mit Autos mit einem Verbrauch von sieben oder acht Litern fahren, ohne dabei hohe Mehrkosten befürchten zu müssen", bilanziert Bach.

Er hält zudem unter diesen Umständen einen Wechsel vom Auto auf die Bahn für unrealistisch. Sein Vorschlag: Ein Mobilitätsgeld basierend auf Entfernungskilometern, das alle Pendler einkommensunabhängig entlasten würde. 

Zu ähnlichen Schlüssen kommt auch der SPIEGEL selbst, auf Basis von Zahlen des Statistischen Bundesamts. Von der geplanten Erhöhung der Pendlerpauschale profitierten weit überwiegend Autofahrer, lautet das Fazit. Laut Statistik nutzten mehr als vier Fünftel der Fernpendler mit einem Arbeitsweg von mehr als 20 Kilometern einen Pkw - und entsprechend weniger als ein Fünftel klimafreundliche Verkehrsmittel wie die Bahn. Autofahrer stellten mit zwei Drittel generell die große Mehrheit unter den Pendlern, selbst ohne Berücksichtigung der Fahrstrecke. Bei weiten Entfernungen zum Arbeitsplatz steige der Anteil der Autopendler nochmal stark an. Dann würden 84,3 Prozent den Pkw nutzen, bei Streckenlängen zwischen 25 und 50 Kilometern. Sei der Arbeitsplatz noch weiter entfernt, wählten 78,7 Prozent der Pendler das Auto.

Scheuer und weiter CSU-Politiker insistieren auf niedrigem CO2-Preis

Unterdessen hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den von Wissenschaftlern und Umweltverbänden als deutlich zu niedrig kritisierten CO2-Preis von 10 Euro pro Tonne CO2 ab 2021 verteitigt. Gegenüber dem SWR äußerte er, er halte es für falsch, ein paar Tage nach den Klimabeschlüssen eine neue Diskussion zu beginnen. Die Regierung müsse das "kräftige Klimaschutzprogramm nun als Konjunkturprogramm" umsetzen. Ebenso insistierte CSU-Generalsekretär Blume, man werde das Paket weder aufschnüren noch nachverhandeln, sondern umsetzen. Zuvor hatten sich vor allem SPD-Politiker offen für Nachverhandlungen gezeigt. Die Interims-Chefin der Partei, Dreyer, deutete an, man werde darüber mit den Grünen sprechen, sie könne sich auch einen Preis von 20 Euro je Tonne CO2 vorstellen. Teile des Klimapakets bedürften der Zustimmung der Grünen im Bundesrat.

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