Lancia-Comeback: Deutschland wird der wichtigste Markt nach Italien
Großer Bahnhof in Dreieich: Dort gaben sich Produktmanagement und Kommunikation das Mikro in die Hand, um die Lancia-Zukunft zu skizzieren. Paolo Logottoli, Nicolo Biogoli, Silvia Cassani und Francesco Colonnese erklärten uns, wie man ab 2024 neu starten will – und gab sich dabei erstaunlich dezidiert und zurückhaltend, denn: Eine fast tote Marke (die im einzigen Markt Italien 2022 immer noch das zweitbestverkaufte Modell stellte, den gut abgehangenen Y) wiederzubeleben erfordert ein feines Händchen, weshalb Lancia auch eher vorsichtig startet.
Das künftige Lancia-Programm: Ypsilon, Gamma und Delta
2024 mit einem neuen Y, der in die Vier-Meter-Klasse aufrückt und auch elektrisch angeboten wird. Er wird auch als starke HF-Version kommen. 2026 folgt dann das 4,6 Meter große C-Segment-CUV „Gamma“ und 2028 dann der 4,4-Meter lange „Delta“. Gamma und Delta kommen nur noch elektrisch, 2028 werden auch die letzten Verbrenner-Y verkauft.
Dezenter Start: Sieben Länder mit 70 neuen Händlern, 100 Servicebetriebe im Hintergrund
Bezüglich der Händler und Märkte bleibt man ebenso vorsichtig: In Italien führt man das Business mit 50 Händlern weiter, welche ihr CI dafür komplett umkrempeln werden. Dazu kommen 70 weitere Händler in 7 Ländern Europas, wobei Deutschland der wichtigste Markt sein wird, was Stückzahlen angeht. Zwischen den Zeilen hört man auch schon die Aufteilung: Es sind zum großen Teil Alfa-Händler, die ihre Programme um Lancia ergänzen (was auch glaubwürdig ist), dazu kommen einige Stellantis-Händler, die auch andere Marken vertreiben. Neben den 70 Händlern und dem Internet sollen rund 100 Servicebetriebe die Lancias im Hintergrund am Laufen halten und warten.
Und was kommt jetzt von der Studie Pu+Ra HPE in Serie? Auch hierzu gibt es zwischen den Zeilen schon konkrete Ansagen: Das LED-Dreieck an der Front, die runden Rückleuchten im Stratos-Stil, die Infotainment-Tafel im Innenraum (auch wenn die beim Y noch nicht so extrem kommen wird wie in der Studie) und wahrscheinlich zumindest optional flauschige Sitze in Lounge-Optik, die sicher nicht ganz so cassinahaft-sesselig sein werden wie in der Studie.
S.A.L.A: Lancias „Wohnzimmer“ mit KI
Die Studie Lancia Pu+Ra HPE ist außerdem das erste Fahrzeug, das mit der virtuellen Schnittstelle S.A.L.A. ausgestattet ist, die auch im neuen Ypsilon zu finden sein wird. S.A.L.A. bedeutet im Italienischen so viel wie Wohnzimmer. Die vier Buchstaben stehen gleichzeitig als Abkürzung für Sound, Air, Light und Augmentation. S.A.L.A. ermöglicht Lancia als erste Marke innerhalb der Stellantis Gruppe, die Technologien Chamaleon und TAPE (Tailored Predictive Experience) anzubieten. Diese Systeme zentralisieren die Funktionen von Audio- und Klimaanlage sowie Beleuchtung.
So ist es zum Beispiel möglich, Sound und Ambiente durch Berühren einer einzigen Taste oder durch Sprachbefehle zu steuern. Hoffentlich kann man das auch trennen: Denn nicht jeer will mit warmer Musik auch eine warme Beleuchtung und eine Temperaturerhöhung um x Grad…S.A.L.A. stellt laut Lancia drei Modi zur Wahl:
„Immersive“ verstärkt das Fahrerlebnis dank der Technologie Stellantis Chamaleon, die zum ersten Mal in einem Automobil zum Einsatz kommt. Das System Chamaleon soll das Ambiente im Innenraum an die äußere Umgebung anpassen können, indem es Audioanlage, Lüftung und Lichteinfall entsprechend reguliert.
„Wellbeing“ nutzt die Künstliche Intelligenz „Stellantis Tape“, um Stimmungen der Passagiere vorherzusehen. Audioanlage, Lüftung und Lichteinfall werden entsprechend geregelt, um das Wohlbefinden der Passagiere durch eine bessere Atmosphäre an Bord zu verbessern. Man darf gespannt sein, wie intelligent das System in der Praxis tatsächlich ist, denn allzu leicht kann man sich hier auch bevormundet fühlen.
„Entertainmenmt“ soll schließlich das Unterhaltungsprogramm machen: So ist es unter anderem möglich, Filme zu streamen, Videospiele zu aktivieren oder in sozialen Netzwerken zu surfen. Der neue Lancia Ypsilon wird als erstes Modell mit der S.A.L.A.- Schnittstelle ausgestattet. Um ein noch umfassenderes Fahrerlebnis zu realisieren, wird Stellantis die Technologieplattform S.A.L.A. kontinuierlich weiterentwickeln. So werden nach Lancia auch die anderen Marken der Gruppe in die Lage versetzt, spezifische Funktionalitäten den verschiedenen Fahrzeugmodellen anzupassen.
Und um den Service hier komplett zu machen, soll das Ganze samt Rundfunkgebühren auch in einer All-in-Leasingrate verrechnet werden können – auch damit der neue Y nicht so dramatisch teurer werden wird, wie es der Sprung in Technik und Größe nahe legen.
Was bedeutet das?
Hat Lancia eine Zukunft? Wenn es die Italiener sehr geschickt anstellen, ja! Zwar arbeiten alle Autohersteller mit KI und können elektrisch, aber das Wohnzimmer, die Immobilie auf Rädern, die Lancia als Kokon bieten will, das gibt es in letzter Konsequenz noch nicht. Dazu kommen wenige Händler und erstmal nur drei Modelle, was auf einen langsamen, aber nachhaltigen Aufbau der Marke schließen lässt. Und auch eine gewisse Entspanntheit gegenüber Stückzahlen – da helfe die schiere Größe von Stellantis enorm, um sich die nächsten 116 Jahre Lancia zu trauen!