Lkw-Fahrer: Wenn der Arbeitsplatz zu viel Privatleben frisst

Studien und Befragungen zeigen: Lkw-Fahrer klagen überdurchschnittlich häufig über massiv gestörte Work-Life-Balance. Sie sind vielen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Das könnte den Fahrermangel befeuern. Das Logistikunternehmen Quicargo sucht Ansätze für Lösungen.

Lkw-Fahrer empfinden ein sehr viel höheres Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Privatem, als andere. (Quelle: Quicargo)
Lkw-Fahrer empfinden ein sehr viel höheres Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Privatem, als andere. (Quelle: Quicargo)
Christine Harttmann
(erschienen bei Transport von Christine Harttmann)

Die Niederländische Statistikbehörde CBS hat Ende 2020 eine Studie durchgeführt, um herauszufinden, welche Jobs eine schlechte Work-Life-Balance verursachen. Dabei bestätigten 18 Prozent der befragten Lkw-Fahrer, dass sie oft oder sehr oft ein Ungleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben verspüren. Unter allen Befragten zusammen waren es hingegen nur 7,6 Prozent, die von einem regelmäßigen Ungleichgewicht berichteten. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass Lkw-Fahrer im Vergleich anderen Berufen deutlich häufiger – Quicargo hat 237 Prozent ausgerechnet –über ein Ungleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben berichten.

Dies wird durch eine weitere Studie aus dem Jahr 2020 gestützt, die besagt, dass Arbeitsplätze in der Transport- und Logistikbranche zu den zwölf Berufen mit der höchsten mentalen Ermüdung gehören. Mit Blick auf die Zukunft werden Stress und Erschöpfung am Arbeitsplatz höchstwahrscheinlich zu einer höheren Fluktuationsrate führen, zitiert Quicargo aus noch einer anderen Studie. 

Die Sorge Arbeitssuchender, aufgrund der Automatisierung keinen Job in der Logistikindustrie zu bekommen, könne sich umkehren. Unternehmen müssten sich dann vielmehr Sorgen machen, keine Arbeitskräfte zu finden. Obwohl arbeitsbedingter Stress durch eine Kombination vieler verschiedener Faktoren verursacht wird und von Person zu Person unterschiedlich ist, gehören einige branchenbezogene Faktoren sehr häufig zu den Hauptstressoren.

Untersuchungen in der Türkei legen nahe, dass 20 Prozent der Unterschiede in der Zufriedenheit der Arbeitnehmer auf die wahrgenommene Arbeitsplatzunsicherheit und den Stress zurückzuführen sind. Die Kombination aus Zeitdruck, langen Arbeitszeiten und Wochenendarbeit könne extrem belastend sein, zitiert Quicargo aus anderen Studien. Ein geringer Kompetenzumfang und hohe physische und psychische Anforderungen gepaart mit geringer Entscheidungskompetenz erhöhen oft die psychische Belastung. Auch kann körperliche Überanstrengung, beispielsweise durch Schichtarbeit und lange Fahrten, die psychische Gesundheit beeinträchtigen und die Beschäftigten zusätzlich belasten.

Stellt sich die Frage, mit welchen Symptomen haben Lkw-Fahrer hauptsächlich zu kämpfen haben. Ein Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben wirkt sich sowohl auf die Einzelperson als auch auf das Unternehmen aus, in dem sie arbeitet. So senken beispielsweise höhere Fluktuationsraten und Fehlzeiten die Unternehmensmoral und die allgemeine Motivation.

Um die Arbeitsbedingungen und damit die physische und psychische Gesundheit von Logistikmitarbeitenden zu verbessern, müssten mehr Forschungsarbeiten durchgeführt werden, die sich mit den Herausforderungen der Arbeit in Logistikberufen befassen, so Quicargo. Aus den bereits vorhandenen Daten können jedoch einige Schlussfolgerungen gezogen werden. So sollte es eine Ausgleichszeit für unerwartete Ereignisse, wie Verkehrsstaus, geben. Helfen würde es außerdem, wenn der Zeitdruck durch längere Vorlaufzeiten für Lieferungen reduziert wird. Wo immer möglich empfehlen Studien flexible Arbeitsregelungen. Hilfreich wären zudem eine größere Arbeitsplatzsicherheit und die Verbesserung der ergonomischen Bedingungen der Lkw. Seitens Kollegen und Vorgesetzte wünschen die Fahrer mehr soziale Unterstützung und eine offene Kommunikation im Unternehmen.

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