Lkw-Kartell: Die Verjährung rückt näher

Für rund eine Million Lkw laufen bereits die Klagen auf Schadenersatz vor Gericht. Dennoch ist vier Monate vor der Verjährung ein großer Teil des Mittelstands bisher nicht aktiv. Wer noch Ansprüche anmelden will, muss sich jetzt beeilen.

 Von 1997 bis 2011 hatten die Lkw-Hersteller nach den Feststellungen der EU-Kommission ein Kartell gebildet, bei dem es offenbar zu Absprachen bei Preisen sowie bei der Einführung der Euro-Abgasnormen III bis VI gekommen ist. (Bild: Pixabay)
Von 1997 bis 2011 hatten die Lkw-Hersteller nach den Feststellungen der EU-Kommission ein Kartell gebildet, bei dem es offenbar zu Absprachen bei Preisen sowie bei der Einführung der Euro-Abgasnormen III bis VI gekommen ist. (Bild: Pixabay)
Christine Harttmann
(erschienen bei Transport von Christine Harttmann)

Bereits in den Jahren 2016 und 2017 hatte die EU-Kommission mit Rekordbußgeldern von 3,8 Milliarden Euro den Weg für Schadensersatzklagen gegen die großen Lkw-Hersteller freigemacht. Nach einer Untersuchung war die Behörde zum dem Schluss gekommen, dass MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen hatten. 14 Jahre sprachen sie die Verkaufspreise für Lastkraftwagen ab und gaben so die mit der Einhaltung der strengeren Emissionsvorschriften verbundenen Kosten in abgestimmter Form an die Käufer weiter.

Dieses Urteil ist nun Basis für die Schadensersatzforderungen der Unternehmen gegenüber den Lkw-Herstellern. Aktuell sind es in der EU rund 30.000 Firmen, die klagen. Sie stehen für knapp ein Million Lkw. Das geht aus dem Case Report „Das Lkw-Kartell vier Monate vor Verjährungseintritt“ hervor, den Unilegion gerade veröffentlicht hat und der den Stand der Klagen analysiert. Laut der Studie ist die Mehrheit der Unternehmen in vielen Mitgliedsstaaten noch nicht aktiv geworden. Die Stiftung, die eigens gegründet wurde um die Schadensersatzansprüche von Lkw-Käufern geltend zu machen, rechnet damit, dass es noch rund 2,6 Millionen Lkw gibt, die im Kartellzeitraum erworben wurden, für die aber noch keine Ansprüche geltend gemacht wurden.

Gleichzeitig sei der Reifegrad der ersten Prozesswelle in vielen EU-Mitgliedstaaten fortgeschritten, so dass eine Vielzahl von Urteilen vorliege. Laut Studie war der Ausgang in den allermeisten Fällen positiv für die Kläger. Zu lesen ist, dass – soweit bereits Schadensersatzbeträge ausgeurteilt wurden – sich die Größenordnung bei bis zu 10.000 Euro pro Lkw bewegt.

Es ist das erste Mal, dass eine so große Zahl an geschädigten Unternehmen Schadensersatz wegen eines Kartellverstoßes einklagt. Die verlangten Schadenssummen sind erheblich und belaufen sich insgesamt auf mehrere Milliarden Euro. In den letzten Jahren seien – auch auf Betreiben der EU-Kommission – die rechtlichen Voraussetzungen der Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche deutlich verbessert worden. Wie es in der Studie weiter heißt, hat sich in vielen EU-Mitgliedstaaten eine weitgehend klägerfreundliche Entscheidungspraxis herausgebildet.

Für ihre Marktstudie hat die Unilegion Truck Claims Stiftung knapp 3.500 Transport- und Industrieunternehmen aus den vier EU-Staaten Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien zum Lkw-Kartell befragt, um ein Stimmungsbild zu erstellen. Die Ergebnisse zeigen, dass große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern in der Regel gut informiert sind und entweder eigenständig oder in Sammelklagen gegen das Lkw-Kartell vorgehen. Anders ist es bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Hier sind die Unternehmen vor allem dann aktiv geworden, wenn sie beispielsweise durch die Fachpresse oder Verbandsarbeit entsprechend über die Möglichkeiten der Teilnahme an Sammelklagen aufgeklärt wurden. Die überwiegende Mehrheit des Mittelstands, der keine Nähe zu Verbänden hat und die Fachpresse nicht aktiv verfolgt, ist bislang außen vor geblieben. Noch aber haben die Unternehmen vier Monate Zeit, bis in vielen EU- Mitgliedstaaten im Juli 2021 die Verjährung aller Ansprüche droht.

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