Mit John Sinclair durch die Nacht

Am Anfang der Corona-Krise wurden sie als Helden tituliert. Noch immer sind es die „Brummifahrer“, die dafür sorgen, dass wir keine Hamsterkäufe tätigen müssen, sondern dass immer genügend Klopapier im Drogeriemarkt liegt und die Regale im Supermarkt immer gefüllt sind.

 Ein paar Lkw-Fahrer gaben der Redaktion von „Unterwegs auf der Autobahn“ exklusiv Auskunft über ihren Alltag | Bild: pixabay
Ein paar Lkw-Fahrer gaben der Redaktion von „Unterwegs auf der Autobahn“ exklusiv Auskunft über ihren Alltag | Bild: pixabay
Redaktion (allg.)

Lkw-Fahrer sind oft die ganze Woche unterwegs, übernachten auf engstem Raum und sorgen dafür, dass Baustellen, der Bahn und Industrieunternehmen nicht das Material ausgeht. Wer hat nicht die Bilder vor Weihnachten gesehen, als über 10.000 Lkw-Fahrer in der Nähe von Dover mehrere Tage ausharren mussten, als Frankreich die  Grenzen schloss? Nicht nur in dieser Extremsituation braucht es starke Nerven und Geduld. Lkw-Fahrer müssen immer damit rechnen, im Stau zu stehen. Die meisten nehmen es gelassen, auch weil sie es in ihrer Kabine relativ bequem haben. Ein paar Lkw-Fahrer gaben der Redaktion von „Unterwegs auf der Autobahn“ exklusiv Auskunft über ihren Alltag und was sie tun, um der Langeweile ein Schnippchen zu schlagen.

FRAGE 1: Was tun Sie im Stau, um entspannt zu bleiben?

FRAGE 2: Was tun Sie gegen Langeweile, wenn Sie im Lkw übernachten müssen?

FRAGE 3: Was würden Sie machen, wenn Sie in so einem Mega-Stau wie damals vor Weihnachten in Kent stehen würden, als Frankreich wegen des Corona-Virus die Grenzen schloss?

Joachim Hölzel | Bild: Fahrer
Joachim Hölzel | Bild: Fahrer

Joachim Hölzel

Joachim Hölzel fährt einen Mercedes-Benz Actros mit 480 PS und ist sehr zufrieden mit dem schnellen Service, falls etwas zu machen ist. Er fährt im Auftrag der Fuldaer Speditionsgesellschaft Kupplungsteile für Lkw und Traktoren.

Zu 1: Ich bleibe immer entspannt und mache mir dann erstmal einen Kaffee.
Zu 2: Ich übernachte viermal in der Woche im Lkw – auf Raststätten oder Autohöfen. Dann lese ich und gucke fern. Außerdem telefoniere ich regelmäßig mit meiner Verlobten, die auch Lkw fährt. Da geht die Zeit gut rum.
Zu 3: Ich fahre seit 28 Jahren Lkw und da habe ich mir angewöhnt –  egal, was passiert – ruhig zu bleiben. Meine Devise ist immer „Nicht aufregen.“ So würde ich da wohl reagieren.
 

Martin Vilsmeier | Bild: Fahrer
Martin Vilsmeier | Bild: Fahrer

Martin Vilsmeier

Seine Aufmerksamkeit im Stau liegt auf dem Rückspiegel. Ihm selbst ist es schon passiert, dass ein Fernfahrer-Kollege am Stauende auf ihn auffuhr und er mit Rippenprellungen und Schleudertrauma ein paar Wochen ausfiel. Zurzeit fährt er einen MAN TGX im Nahverkehr.

Zu 1: Ich lass mich auch bei einem Stau nicht unter Druck setzen. Ich bin dann beim Kunden, wenn ich da bin, da mache ich mir keinen Stress. Wichtiger ist, dass man gerade bei winterlichen Straßenverhältnissen aufpasst. Bei einer Vollsperrung koche ich mir einen Kaffee, höre Musik oder ein Hörbuch. „John Sinclair – der Geisterjäger“ hat mich schon öfter durch die Nacht begleitet.
Zu 2: Eigentlich wird es mir nicht langweilig. Bei einer längeren Pause von 12 Stunden gehe ich im Autohof essen oder schaue eine Serie auf Netflix. Ich habe einen großen Kühlschrank und eine bequeme Matratze. In einem MAN liegt man sehr bequem. Das ist der einzige Lkw-Hersteller, der Betten mit Lattenrost im Führerhaus anbietet.
Zu 3: Ich bin die ganze Woche unterwegs und habe immer genug Essen für 7 Tage dabei. Bei einem solchen Mega-Stau würde es dann einem schon langweilig werden bzw. die Ungewissheit würde einen unruhig werden lassen. Ein Freund von mir stand in diesem Stau am Hafen, allerdings nicht auf der Autobahn, sondern auf einem Autohof in der Nähe. Da hatte er wenigstens Zugang zu warmen Mahlzeiten und sanitären Einrichtungen. Mit ihm standen vom 21. Dezember bis zum 2. Feiertag über 10.000 Lkw-Fahrer dort. Über die sozialen Netzwerke hat man sich dann informiert, allerdings wusste man ja eben nicht, wie es überhaupt weitergeht. Das ist schon heftig.

Patrick S. | Bild: Fahrer
Patrick S. | Bild: Fahrer


Patrick S.

Mit seinem Scania 450 S liefert Patrick S. für die Spedition Hüer aus Münster Baustoffe an Baustellen. An seinem Scania gefällt ihm , dass mit dem Zusatzkasten über dem Bett genügend Stauraum vorhanden ist und dass er am Berg aufgrund der guten Übersetzung des Getriebes problemlos hochkommt.

Zu 1: Ich rufe meine Frau oder meine Freunde an oder höre Musik. Fernsehgucken geht ja nicht.
Zu 2: Ich bin Montag bis Freitag im Fernverkehr unterwegs, übernachte also häufig im Lkw. Ich ruhe mich aus oder lese Bücher und Zeitschriften. In meinem Klappsitz kann ich es mir gemütlich machen. Da ich an Baustellen liefere, stelle ich mich auch oft an die Baustelle. Und wenn das eine schöne Ecke ist, gehe ich spazieren.
Zu 3: Die längste Vollsperrung, in der ich mal gesteckt habe, waren vier Stunden. In so einem Mega-Stau in England würde ich schon unruhig werden, telefonieren und in den Medien verfolgen, was passiert.

Reinhard Schücker | Bild: Fahrer
Reinhard Schücker | Bild: Fahrer


Reinhard Schücker

Reinhard Schücker ist mit seinem Volvo FH mit Kühlauflieger unterwegs für die niederländische Spedition Kempen in Venlo an der holländischen Grenze und fährt normalerweise Obst und Gemüse.

Zu 1: Da ich nur nachts fahre, stehe ich nicht oft im Stau. Das letzte Mal war es vielleicht eine halbe Stunde. Und wenn, dann bin ich gegenüber den Autofahrern im Vorteil. Ich sitze bequemer und habe den besseren Überblick. Neben mir steht ein Wasserkocher, mit dem ich mir Kaffee mache und daneben ein Kühlschrank. Außerdem habe ich eine Standheizung und muss nicht frieren.
Zu 2: Während der Woche muss ich normalerweise einmal im Lkw übernachten, bevor ich wieder zuhause bin. Gewöhnlich stehe ich dann neun Stunden, wovon ich circa acht Stunden schlafe. Da bleibt dann, wenn man die Zeit für essen abzieht, kaum Zeit für Langeweile. Wenn ich am Wochenende unterwegs bin, stelle ich mich meist in die Nähe einer Therme oder eines Freizeitbads. Da gehe ich dann zum Entspannen hin.
Zu 3: Ich würde hoffen, dass ich genügend zu essen habe und ansonsten der Dinge harren, die da kommen.

Rico Jasmund | Bild: Fahrer
Rico Jasmund | Bild: Fahrer


Rico Jasmund

Rico Jasmund ist seinem Arbeitgeber, der Transpak Verpackungslogistik in Solms, seit 21 Jahren treu geblieben. Mit seinem Mercedes-Benz 1842 Actros in der Single-Ausführung transportiert er Holzkisten für Übersee und alle Arten von Verpackungsmaterial. Er schätzt es, dass er sich mit dem ausklappbaren Sessel und Tisch eine bequeme Fernsehecke schaffen kann.

Zu 1: Wenn alles steht und der Motor aus ist, dann spiele ich auf meinem Handy das Spiel Candy Crush. Die längste Vollsperrung, die ich mitgemacht habe, waren elf Stunden von Magdeburg nach Berlin wegen Schneeverwehungen. Ich höre dann Musik, oder nerve meine Frau, wenn sie daheim ist.
Zu 2: Ich bin von Montag bis Freitag unterwegs und das schon seit 21 Jahren. Ich stelle mich eher selten auf einen Autohof, auch wegen der Parkgebühren, sondern in ein Industriegebiet oder auf den Hof unserer Kunden. Da gibt es dann auch oft Duschgelegenheiten. Dann mache ich es mir bequem in meinem Ecksessel und sehe fern. Im Sommer fahre ich gerne mal baden an einen See.
Zu 3: Das muss man dann zwar hinnehmen, aber es wäre für mich echt die Krise. Das Wochenende ist mir heilig und an Feiertagen will ich daheim sein. Das weiß auch mein Arbeitgeber. Ich war in den 21 Jahren nur einmal an einem Sonntag unterwegs, sonst bin ich immer Freitagabend wieder zurück von meiner Tour.

Fotos: Pixabay, Bilder der Fahrer

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