Mit dem Polestar 4 setzt die Marke ein optisches Ausrufezeichen, denn er verzichtet komplett auf eine Heckscheibe (was Tatra in en 1930er-Jahren auch schon praktizierte) und er soll die Aerodynamik eines Coupés mit dem Raumangebot eines SUVs in einer neuen Art von SUV Coupé vereinen. Und nachdem Polestar seine Modelle nach Präsentationsdatum nummeriert, steht der 4 nicht über dem 3, sondern unter ihm…
Der Polestar 4 steht auf der von der Geely Holding entwickelten Premium Sustainable Experience Architecture (SEA) und ist ein SUV Coupé im D-Segment mit langem Radstand von 2.999 mm. Das ist viel für die Gesamtlänge von 4.840 mm. Mit Spiegeln baut der Polestar 4 2.139 mm breit und 1.534 mm hoch. Die daraus resultierenden großzügigen Innenraumproportionen sollen vor allem den Fondinsassen nutzen, wo es elektrisch verstellbare Sitze gibt. Kleiner Gag: Die einstellbare Ambiente-Beleuchtung soll vom Sonnensystem inspiriert sein.
Die fehlende Heckscheibe erlaubt ein weit nach hinten gezogenes Glasdach
Durch den Verzicht auf die Heckscheibe reicht das als Standard verbaute Glasdach über die Köpfe der hinteren Fahrgäste hinaus und schafft ein einzigartiges Innenraumambiente. Ein zweiter Bildschirm für die Medien- und Klimasteuerung ist zwischen den Vordersitzen angebracht und ermöglicht die Steuerung von der Rückbank aus. Der Rückspiegel wird durch einen hochauflösenden Bildschirm ersetzt, der ein Echtzeitbild von einer auf dem Dach montierten Rückfahrkamera anzeigt und damit ein weitaus größeres Sichtfeld als in gängigen modernen Autos ermöglicht. Die digitale Übertragung kann deaktiviert werden, damit die fahrende Person bei Bedarf auch die hinteren Fahrgäste sehen kann.
Der Innenraum und seine Materialien wurden unter dem Motto „Soft Tech" konzipiert und sind durch die Mode- und Sportbekleidungsindustrie inspiriert. Die Farb- und Materialauswahl für den Polestar 4 bietet neue Möglichkeiten für Polestar – darunter die neuen Außenfarben Storm und Electron sowie die neuartige Innenfarbe Nebel.
Der Polestar 4 soll den niedrigsten CO2-Fußabdruck aller Polestar Fahrzeuge aufweisen. Er wird in der SEA-Fabrik von Geely Holdings in Hangzhou Bay, China, hergestellt. Das Werk kombiniert grünen Strom, der mit dem I-REC-Wasserkraftzertifikat ausgezeichnet ist, mit Photovoltaikstrom vom Dach der Anlage. Die verstärkte Nutzung von kohlenstoffarmem Aluminium, dessen Schmelzvorgang mit Wasserkraft betrieben wird, trägt dazu bei, die Klimaauswirkungen weiter zu reduzieren. Darüber hinaus wurden erstmals Daten zum Anteil an recyceltem Aluminium in die Bewertung einbezogen.
Dazu liefert Polestar auch Daten: Die Long Range Single Motor Variante hat einen CO2-Fußabdruck von 19,9 tCO2e, während die Long range Dual motor Variante einen CO2-Fußabdruck von 21,4 tCO2e aufweist. Aluminium macht 23 bis 24 % des CO2-Fußabdrucks aus, während Stahl und Eisen 20 Prozent und Batteriemodule mit 36 bis 40 % den größten Anteil am CO2-Fußabdruck der Materialproduktion und -veredelung ausmachen.
Innen sollen „Monomaterialien“ für bessere Recyclierfähigkeit sorgen
Der Monomaterial Ansatz, der erstmals im Polestar Elektro Roadsters Konzeptfahrzeug 2022 vorgestellt wurde, wird auf die Materialien im Innenraum angewandt. Dabei werden alle Schichten bestimmter Komponenten aus demselben Grundmaterial hergestellt und können so effektiver und effizienter recycelt werden. Unvereinbare Materialien müssen dadurch vor dem Recycling nicht mehr getrennt werden. Zu den neu entwickelten Materialien innen zählen ein maßgeschneidertes Stricktextil, das zu 100 % aus recyceltem PET besteht, sowie MicroTech-Vinyl mit Bio-Anteil und rückverfolgbares Leder von Bridge of Weir: Die rohen Häute sind Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie und stammen von schottischen Bauernhöfen, die unabhängig durch den Animal Protection Index bewertet und dem weltweit höchsten Standard entsprechend eingestuft wurden.
Kiefern- statt Erdöl!
Die maßgeschneiderten Stoffbezüge sind eine Neuheit in der Automobilbranche. Das erstmals im Konzeptfahrzeug Precept gezeigte Textil besteht zu 100 % aus recyceltem Polyester. Das Material und das Design wurden von Polestar Designerinnen und Designern in Zusammenarbeit mit der schwedischen Textilhochschule (Borås Textilhögskolan) konzipiert und mit Zulieferern weiterentwickelt. Es wird passgenau gefertigt, sodass kaum Verschnitt anfällt und der Abfall insgesamt reduziert wird. Die Teppiche im Innenraum werden aus recyceltem PET und die Bodenteppiche aus ECONYL hergestellt, das auch wiederverwertete Fischernetze enthält. Spezielle Türverkleidungen aus NFPP (Naturfaser-Polypropylen), sorgen dafür, dass bis zu 50 % weniger neuer Kunststoff benötigt und eine Gewichtseinsparung von bis zu 40 % erzielt wird. MicroTech, das erstmals im Polestar 3 eingeführt wurde, ist ein „bio-attributed“ Vinyl, bei dessen Herstellung Erdöl durch Kiefernöl ersetzt wird, und verfügt über einen Träger aus recyceltem Textil.
Performance: Wahlweise 200 oder 400 kW
Bei den Motoren handelt es sich um permanentmagnetische Synchronmotoren, die 400 kW (544 PS) leisten und 686 Nm Kraft bieten. Der Sprint von 0 auf 100 km/h soll in nur 3,8 Sekunden klappen. Die Long range Single Motor Variante verfügt über einen 200 kW (272 PS) und 343 Nm starken Motor im Heck und hat eine vorläufige Reichweite von bis zu 610 km nach WLTP, während der Dual-Motor Long Range bis zu 580 km bieten soll. Real kann man also selbst im Worst Case mit 300 bis 350 km planen. Immer ab Bord ist ein 100-kWh-Akku. Wichtig: Eine Trennkupplung ermöglicht es, den vorderen Elektromotor zu entabzukoppeln, wenn er nicht benötigt wird, um die Reichweite und Effizienz zu maximieren.
Die semiaktive Federung der Dual Motor Variante sorgt für eine zusätzliche Abstimmung zwischen Komfort und Leistungsdynamik. Die Räder sind je nach Konfiguration zwischen 20 und 22 Zoll groß und werden von Pirelli und Michelin geliefert.
Laden: Bis zu 22 kW AC und 200 kW DC
Beide Varianten können mit bis zu 200 kW Gleichstrom und 22 kW Wechselstrom geladen werden. Die Hardware für bidirektionales Laden ist enthalten, wobei die Vehicle-to-Load (V2L)-Funktion, die dafür sorgt, dass externe Geräte Strom vom Polestar 4 beziehen können, zu einem späteren Zeitpunkt verfügbar sein wird. Serienmäßig ist eine Wärmepumpe eingebaut, die der Effizienz hilft.
Bei der Long Range Dual Motor Variante kann man zwischen einem Reichweiten- und einem Performancemodus zu wählen. Der Performancemodus verbessert das Ansprechverhalten des Antriebsstrangs und schaltet beide Motoren ein, um die volle Kraftentfaltung und beste Performance zu gewährleisten. Der Reichweitenmodus setzt den Schwerpunkt auf Effizienz, passt den Antriebsstrang an einen ruhigeren Fahrstil an und aktiviert nur den hinteren Motor.
Auch der Polestar 4 setzt digital auf die Snapdragon Cockpit-Plattform und Google
Im Polestar 4 nutzt das Infotainmentsystem, das auf Android Automotive OS und der Snapdragon Cockpit Plattform basiert, jetzt einen 15,4-Zoll-Bildschirm im Querformat.
Durch die Integration von Google, einschließlich Google Assistant, Google Maps und Google Play, bietet Polestar weiterhin ein führendes vernetztes Fahrerlebnis. Dank der engen Zusammenarbeit mit Google kann Polestar die Grenzen des Systems immer weiter verschieben.
Am Sound wurde viel gefeilt
Ein Harman Kardon Audiosystem mit 12 Lautsprechern und 1.400-Watt-Kanal-Hybridverstärker ist optional erhältlich. Mit dem zusätzlichen Nappa-Paket werden zwei weitere Kopfstützen-Lautsprecher, insgesamt also 16, an den Vordersitzen integriert. Darüber hinaus ist natürlich auch kabelloses Apple CarPlay im Lieferumfang enthalten.
Wie bei anderen Polestar Fahrzeugen werden neue Funktionen und Verbesserungen über regelmäßige Over-the-Air-Updates (OTA) per Fernzugriff auf alle Fahrzeuge übertragen, sodass kein Werkstattbesuch mehr nötig ist, um die neueste Software zu erhalten.
Und natürlich wird auch Sicherheit groß geschrieben: Serienmäßig bringt der Polestar 4 insgesamt zwölf Kameras, einen Radar und zwölf Ultraschallsensoren mit. Dazu gehört eine Fahrerüberwachungskamera, die nur Daten weiterleitet und keine Videos aufzeichnet, um die Augen und Kopfbewegungen der fahrenden Person zu überwachen. Dadurch können Unfälle aufgrund von Müdigkeit oder Fahruntüchtigkeit vermieden werden. Zusammen mit der Hands-On-Erkennung im Lenkrad trägt das Fahrerüberwachungssystem dazu bei, dass die fahrende Person aktiv am Fahren teilnimmt, wenn dies erforderlich ist. Ein 10,2-Zoll-Fahrerdisplay ist vor der Lenksäule angebracht und zeigt Informationen zu Geschwindigkeit, Batterie und Reichweite an.
Wenn verschiedene Assistenzsysteme aktiviert sind, kann eine virtuelle Umgebung andere Verkehrsteilnehmer, aktuelle Fahrassistenzfunktionen und Navigationsinformationen einblenden. Um die Ablenkung zu verringern und die Aufmerksamkeit zu erhöhen, überträgt ein Head-up-Display (HUD) mit einer 14,7-Zoll-Projektionsfläche vor der fahrenden Person wichtige Fahrzeug-, Telefonie- und Navigationsinformationen auf die Windschutzscheibe.
Neu und sehr skandinavisch: Ein „Schneemodus“ fürs Head-Up-Display
Eine clevere „Schneemodus"-Funktion für das HUD wechselt die Textfarbe von weiß auf gelb und verbessert so die Sichtbarkeit in verschneiter Umgebung. Das optionale Pilot-Paket umfasst einen erweiterten Pilot Assist mit Spurwechselassistent, der durch Antippen des Blinkerhebels in die gewünschte Richtung ausgelöst wird.
Was bedeutet das?
Mit dem Polestar 4 setzt die Marke ein starkes Statement. Bleibt zu hoffen, dass er zusammen mit dem überarbeiteten Polestar 2 und dem großen SUV Polestar 3 die nötigen Stückzahlen zum Überleben der Marke bringt, die sich 2023 noch mit knapp 55.000 Einheiten begnügen musste…