Renault-Nissan/Mitsubishi: Allianz auf neuen Beinen

Die Alarmglocken schrillen verstärkt durch die Corona-Krise derzeit laut bei der Allianz Renault-Nissan-Mitsubishi. Entsprechend reagieren die Partner etabliert ein neues Geschäftsmodell der Zusammenarbeit. Ziel ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität der drei Partnerunternehmen.

Unter Strom: Die Corona-Krise erhöhte den Handlungsdruck auf die Allianz. | Foto: G. Soller
Unter Strom: Die Corona-Krise erhöhte den Handlungsdruck auf die Allianz. | Foto: G. Soller
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Das haben die Unternehmen Groupe Renault, Nissan Motor Co., Ltd. und Mitsubishi Motors Corporation heute im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz angekündigt. Die Leitlinie der neuen Zusammenarbeit ist künftig das sogenannte Leader-Follower-Prinzip für Fahrzeuge und Technologien, um mehr Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit dieser Bereiche zu erreichen. Zudem werden die Unternehmen die Referenz für die Region sein, in der die jeweiligen Schlüssel-Stärken des Referenzunternehmens liegen.

Die drei Unternehmen wollen auf den bestehenden Vorteilen der Allianz aufbauen wie beispielsweise gemeinsamer Einkauf, indem sie ihre jeweiligen Führungspositionen und geografischen Stärken zur Unterstützung ihrer Partner nutzen. Jean-Dominique Senard, Vorsitzender des Alliance Operating Board und Renault Präsident erklärt dazu:

„Die Allianz ist eine einzigartige strategische und operative Partnerschaft in der Automobilwelt und verschafft uns einen starken Vorteil in der sich ständig verändernden globalen Automobillandschaft. Das neue Geschäftsmodell wird es der Allianz ermöglichen, die Stärken und die Leistungsfähigkeit der einzelnen Unternehmen optimal zu nutzen und gleichzeitig auf ihren jeweiligen Kulturen und Traditionen aufzubauen. Die drei Unternehmen werden alle Fahrzeugsegmente und Technologien in allen Regionen abdecken und ihre jeweilige Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltige Rentabilität und soziale und ökologische Verantwortung ausbauen.”

Als Basis für die Zusammenarbeit wurden Grundsätze des „Leader-Follower”-Prinzips im Bereich Fahrzeuge verabschiedet, die so neu und anders als bei anderen Herstellern teils nicht sind. Man setzt auf eine noch stärkere Standardisierung von Plattformen bis zu Karosserieteilen. Pro Fahrzeugsegment sollen ein „Mutterfahrzeug” (Leader-Car) und „Schwesterfahrzeuge” von dem leitenden Unternehmen entwickelt werden. Die Leader-Cars und die ihnen folgenden Fahrzeuge sollen für alle Marken unter Verwendung der wettbewerbsfähigsten Konfiguration hergestellt werden, gegebenenfalls auch durch gemeinsame Produktion. Die Zusammenarbeit bei leichten Nutzfahrzeugen wird fortgeführt. Hier kommt das „Leader-Follower”-Modell bereits erfolgreich zum Einsatz.

Insgesamt erwarten die Allianzpartner eine Reduzierung der Modellinvestitionen um bis zu 40 Prozent für Modelle, die komplett auf Basis dieses Ansatzes entwickelt und gebaut werden. Diese Vorteile sollen zusätzlich zu den bereits heute realisierten Synergien umgesetzt werden. Die Allianz verabschiedete zudem das Prinzip, verschiedene Regionen der Welt als Referenzregionen für die einzelnen Partner zu definieren. Dabei wird sich jedes Unternehmen auf seine Kernregionen konzentrieren mit dem Ziel, dort zu den wettbewerbsfähigsten zu gehören und die Wettbewerbsfähigkeit der Partner zu erhöhen. In diesem Rahmen wird Renault die Referenz für Europa, Russland, Südamerika und Nordafrika. Nissan wird China, Nordamerika und Japan betreuen, während sowie Mitsubishi Motors in den ASEAN-Staaten und Ozeanien als Kernregion ausweist. Indem jedes Unternehmen in den jeweiligen Regionen zum Referenzunternehmen wird, können Fixkosten besser geteilt werden bei gleichzeitiger Nutzung der Stärken jedes einzelnen Partners.

Nach dem „Leader-Follower-Modell” wird die künftige Aktualisierung der jeweiligen Fahrzeugpaletten erfolgen. Beispiele dafür sind: Die Erneuerung des C-SUV-Segments nach 2025 wird von Nissan verantwortet, während die künftige Erneuerung des B-SUV-Segments in Europa von Renault geleitet wird. In Lateinamerika werden die B-Segment-Plattformen standardisiert und von vier auf nur noch eine Plattform für Renault und Nissan umgestellt. In Südostasien und Japan werden die Allianzpartner weitere Möglichkeiten der Kooperation verfolgen, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit im Bereich Kei Cars zwischen Nissan und Mitsubishi Motors. Insgesamt sollen bis 2025 fast 50 Prozent der Modelle der Allianz auf Basis des „Leader-Follower”-Programms entwickelt und produziert werden.

Im Bereich der Technologien werden die Allianzpartner ihre Stärken nutzen, damit jedes Unternehmen von den Investitionen in Plattformen, Antriebstechnik und Technologien profitiert. Diese Teilung hat sich bei der Entwicklung von Antriebssträngen und Plattformen als effizient erwiesen und ermöglichte beispielsweise die erfolgreiche Einführung der CMF-B-Plattform für den Renault Clio und den Nissan Juke oder der Kei-Car-Plattform für den Nissan Dayz und den Mitsubishi eK. Die Plattformen CMF-C/D und CMF-EV werden bald folgen.

Das „Leader-Follower”-Modell wird von Plattformen und Antriebssträngen auf alle Schlüsseltechnologien ausgeweitet. Dabei übernimmt jeweils ein Unternehmen die Führungsrolle: Nissan wird für Autonomes Fahren zuständig sein, Renault für die Fahrzeug-Elektronikarchitektur (e-Body). Bei der Vernetzung teilt man die Zuständigkeiten: Renault ist für Android-basierte Plattformen zuständig, während Nissan für die „China” Plattformen managt. Auch beim E-Antrieb teilt man sich auf: Das kompakte CMF-A/B-Segment ePowertrain leitet Renault, den CMF-EV ePowertrain dagegen Nissan, während der Plug-in-Hybrid im C/D-Segment von Mitsubishi verantwortet wird.

Was bedeutet das?

Mit dem Weggang von Carlos Ghosn kam Unruhe in die Allianz: Durch die Corona-Krise verlieren derzeit alle Autohersteller massiv Volumen. Das Problem der Allianz: Alle drei Marken agieren auf ähnlichem Terrain, was auch in der Vergangenheit schon zu deren Verwässerung geführt hat: So wurde der Dacia Duster in anderen Märkten auch als Nissan oder Renault angeboten – wirklich hohe Margen fahren nur einige Modelle ein, da alle Allianzpartner vorrangig im Kompakt- und Vangeschäft erfolgreich sind. Ein weiteres Problem: Zwischen Franzosen und Japanern existierten bis heute teilweise massive Meinungsunterschiede. Insofern darf man gespannt sein, ob das neue Geschäftsmodell die Allianz in die Lage versetzen kann, ihre Expertise und ihre Wettbewerbsfähigkeit bestmöglich zu nutzen und sie „als Ganzes in einem sich radikal verändernden globalen Automobilumfeld zu stärken“.

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