Sitzprobe Jeep Wrangler 2024: Entwarnung!

Eine Vielzahl an Technik- und Design-Neuerungen kündigt Jeep für den 2024er Wrangler an. Wir können Entwarnung geben. Das Urvieh bleibt sich treu!

Freigekehrt: Im Schneetreiben war der neue Grill kaum zu erkennen. | Foto: Dany Heyne/Jeep
Freigekehrt: Im Schneetreiben war der neue Grill kaum zu erkennen. | Foto: Dany Heyne/Jeep
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

In den USA ist er der Offroad-Bestseller unter den Plug-ins – im Gegensatz zu den übrigen Märkten macht der Wrangler hier richtig Stückzahl, zumal er für viele US-Amerikaner alternativlos ist. Sie müssen oder wollen ab und an in RICHTIGES Gelände? Wrangler! Gut, zuletzt verstärkt auch Ford Broncho, was Stellantis zum Handeln zwang.

Weshalb der 2024er Jahrgang ein Facelift(chen) erhielt: Optisch erkennt man den „Neuen“ von außen am dezent geänderten Grill mit schwarzen, strukturierten Schlitzen, grauen Metalleinfassungen, umrandet von einer Einfassung in Wagenfarbe. Aber nicht nur die Optik kam neu: Erkennbar schmaler, sollen die neuen Schlitze trotzdem die Kühlung verbessern. Womit der Wrangler Gott sei Dank nicht „einfach nur anders“ aussieht.

Ansonsten liftet man in den USA gern per Farbe und Rad: Darüber hinaus wird die Sahara-Version gibt es erstmals mit optionalen 20-Zoll-Leichtmetallfelgen und mit dem neuen Lack „Anvil“ erhältlich umfasst die Wrangler-Farbpalette künftig elf Farben. Das Hardtop ist jetzt in schwarz oder unverändert in der jeweiligen Wagenfarbe erhältlich. Viel wichtiger ist aber, was sich darunter abspielt: In Kühtai öffnen wir die Tür des angeblich ersten in Europa angelandeten Modells, das innen noch sehr neu riecht und auch noch die Produktionsaufkleber aus Toledo trägt: Denn man spendierte ihm tatsächlich eine neue, hochwertiger wirkende Armaturentafel mit mehr Soft-Touch-Oberflächen aus Stoff oder Polyurethan mit kontrastierenden Akzentnähten – ohne den kantigen Charakter zu verwässern.

Inhaltlich und optisch gelungen: Der neue 12,3“-Touchscreen

Noch wichtiger ist aber der zentrale Touchscreen, der jetzt von zehn auf 12,3“ anwuchs und das neue, verständigere Uconnect 5 Infotainment-System beherbergt. Neben einer 5x schnelleren Rechenleistung bietet das neue Infotainmentsystem kabelloses Apple CarPlay und Android Auto für schnellere und nahtlose Vernetzung mit dem Smartphone. Die Koppelung hat bei manchen Kollegen sofort bestens geklappt, bei uns ließ sie sich etwas bitten, war aber definitiv besser als beim Vorgänger. Auch die Navigation soll dank der Nutzung von Tom Tom Echtzeit-Verkehrsinformationen noch besser werden.

Wie bei den mittlerweile meisten anderen Stellantis-Modellen kann der Home Screen des Systems nach eigenen Vorlieben mit unterschiedlichen Icons wie bei einem Smartphone personalisiert werden, die persönlichen Einstellungen können dabei in bis zu fünf unterschiedlichen Profilen gespeichert werden. Zugriff auf einen 4G LTE Wi-Fi-Hotspot für bis zu acht Geräte stellt sicher, dass Kunden überall in Verbindung bleiben. Darüber hinaus wird das System über OTA-Updates (Over the Air) ständig aktualisiert, was bedeutet, dass Software-Downloads vorgenommen werden können, ohne das Auto in die Werkstatt zu bringen. Hinten gibt es zumindest in der gezeigten US-Version (erkennbar an den beleuchteten orangen Positionsleuchten und dem Steckeranschluss im Fond mit drei Sclitzen statt zwei Löchern) zudem noch je zwei USB-A- und zwei USB-C-Ports.

Vorn gibt es neue Sitze und ja: Sie „sitzen“ den freudig Fahrenden merklich besser!

Was man auch sofort spürt: Die Sitze wurden merklich komfortabler: Sahara und Rubicon sind jetzt serienmäßig mit den neuesten 12-fach verstellbaren Vordersitzen (inkl. 4-fach verstellbarer Lordosenstütze) ausgestattet, die für „Offroad-Expeditionen und den individuellen Komfort des Fahrers entwickelt wurden“. Nun gut, wir würden einfach sagen: Sie sind besser konturiert und man sitzt nicht mehr gar so plump auf ihnen wie im Vorgänger – wozu wir im Anschluss noch kommen werden. Diese Sitze, bezogen mit Vinyl-Leder bei der Sahara- und Nappa-Leder bei der Rubicon-Version wurden laut Jeep strengen Wassertests unterzogen und sollen außergewöhnlich langlebig sein. Wobei ihnen über die Jahre die UV-Strahlung der Sonne in Moab, Utah oder Arizona, Nevada oder Kalifornien mehr zusetzen dürfte als Nässe…

Aber auch bei den Assistenzsystemen wurde nachgelegt: Neu ist der Aufmerksamkeitsassistent, der bei Müdigkeit oder Unaufmerksamkeit warn, der schon beim Grand Cherokee teils nervige Spurverlassenswarner und das neue Verkehrszeichenerkennungssystem, das hoffentlich immer alles korrekt erkennt. Und die Schilder im Idealfall mit den Kartendaten des Navi abgleichen kann…wobei man das artgerecht abseitig bewegt so wenig brauchen dürfte wie das neue 12,3“-Display. Dazu kommen noch zusätzliche Seiten-Airbags für die erste und zweite Reihe, die die bereits verfügbaren Seitenairbags ergänzen und die Insassensicherheit im Falle eines Seitenaufpralls erhöhen.

Maximal mutig von Jeep: Mit All-Terrain-Pneus durch Schnee auf gefrorenem Boden!

Auch das fragliche Neuerungen bei einem Auto, bei dem man die Türen abmontieren und die Windschutzscheibe wegklappen kann. Ersteres hat Jeep beim Vorgängermodell, das sich genauso fährt wie der 2024er-Jahrgang mal gemacht und uns auf abseitiges Terrain geschickt. Der Gag: Mit Allterrain-Reifen auf verschneiten, darunter gut glattem Untergrund. Weshalb wir schon ohne ESP-Deaktivierung schnell dezent quer kamen und uns gefreut hätten, über die neuen, griffigeren Sitze. Denn die alten haben sich dem Ur-Willys gefühlt gar nicht so viel geändert…Und drifteten wir (dann auch ohne ESP) freudig im Kreis, bevor wir einen 30%igen-Hügel erklommen, bei dem man dann bitte auf dem Gas bleiben sollte, denn wenn man hier zu viel Schwung verlor war es vorbei.

Bergab war es das dann ohnehin, denn wir waren einen Bruchteil einer Sekunde zu lang auf der Bremse und trotz ABS zog der Wrangler hinten sofort so quer, dass er sich diagonal ins Gefälle bohrte. Als der Radlader kommen musste, rutschte die Kette erstmal an der offenen (?) Zurröse ab und es dauerte etwas, bis das rote Spaßmobil wieder freikam. Dann Schwung holen, den nächsten 30%er-hochknattern und sofort vom Gas, denn dahinter ging es gut bergab und der Tiroler Instruktor bemerkte nur vorsichtig, dass wir ja jetzt „scho sehr schnöi“ unterwegs seien, zumal man bergab kaum bremsen konnte. Mit dezenter zu Hilfenahme der Schneewände, und hoffend dass sich dahinter - anders als bei Walter Röhrl einst im Opel Commodore – kein Steinbrunnen verstecken möge, brachten wir die Fuhre wieder nach unten und drifteten und carvten uns langsam ein. Tatsächlich saß man im 2024er aber etwas akkurater…

Wer offroad arbeitet, braucht solide, handschuhbedienbare Schaltprügel und Sperrenschalter – und eher kein 12,3“-Display

 

Und nachdem wir teils auch mit Untersetzung und Sperren arbeiteten, war uns schnell klar, warum es vielen Wrangler-Fahrern vollkommen egal sein dürfte, ob es oben ein taubes 10- oder ein verständiges 12,3“-Touchdingsplay gibt. Es ist genauso egal wie Seitenairbags, denn wo weder Dach noch Türen existieren, bleibt wenig Platz zum entfalten irgendwelcher Luftsäcke.

Spannender ist hier schon, wie der Wrangler Strom und Sprit zum Vorankommen nutzt – und ja, er müht sich redlich: Die meisten Drifts, An- und Abstiege erströmte er schweigend, nur wenn man ihm allzu stark die Sporen gibt, holt er brüllend den Benziner hinzu. Perspektivisch warten wir trotzdem auf den rein elektrischen Reckon – auch er kommt kantig und optional türlos zum Kunden. Und dürfte sogar günstiger werden als das mindestens 81.500 Euro teure Urvieh, das sich auch nach dem Facelift treu blieb.

Was bedeutet das?

 

Ein Jeep-Mitarbeiter hat es so formuliert: Der Wrangler ist in den 2020er-Jahren angekommen. Wir sagen jetzt mal: Was das Display angeht, stimmt das, ansonsten wäre es gar nicht nötig gewesen!

 

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