Studie PHEV-Antrieb: Doppelt durstig - selten elektrisch

Fraunhofer ISI und das ICCT werteten global Daten von rund 100.000 PHEVs aus: Mindestens doppelt so hoch sind die Emissionen, bei Flotten sogar vierfach. Viel zu selten wird der E-Modus genutzt.

Ansteckend: Vor allem Premium-Hersteller wie Daimler setzen quer durch alle Fahrzeugklassen auf Plug-in-Hybride als "Brückentechnologie". Doch für einen positiven Umwelteffekt kommt auf die Motivation der Nutzer an. | Foto: Daimler
Ansteckend: Vor allem Premium-Hersteller wie Daimler setzen quer durch alle Fahrzeugklassen auf Plug-in-Hybride als "Brückentechnologie". Doch für einen positiven Umwelteffekt kommt auf die Motivation der Nutzer an. | Foto: Daimler
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

In der Debatte um den Sinn der Förderung von Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen kommt neuer Schwung - und vielleicht auch eine Versachlichung. Denn, was bisher von Umweltverbänden befürchtet wurde, scheint sich auch mit der Praxis zu decken. Zumindest wenn man nach den Ergebnissen einer Untersuchung geht, die das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) sowie die paneuropäische Technik-NGO International Council on Clean Transportation (ICCT) angestellt haben. Sie werteten die Daten von rund 100.000 Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen in Europa, Nordamerika und China aus, die anonym über Plattformen wie Spritmonitor.de oder bei vergangenen Befragungen ermittelt wurden.

In Flotten vierfach höher als die Werksangaben

Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd: Mindestens doppelt so hoch fällt im Schnitt der Verbrauch aus, als vom Hersteller versprochen. Bei Flottenfahrzeugen, wo der Stecker-Hybrid sich vor allem bei Premium-Anbietern großer Beliebtheit erfreut, ist die Bilanz mit vierfach erhöhtem Verbrauch zu den Werksangaben besonders verheerend. Entscheidend für die Flottengrenzwerte der Hersteller sind allerdings die Laborangaben.

Das ist in mehrfacher Hinsicht kaum verwunderlich. Einerseits können die PHEV-Modell doch im 23 Kilometer kurzen WLTP-Zyklus von einem hohen Anteil des emissionsfreien elektrischen Fahrens profitieren (69 % bei Privat-Pkw, 63 % bei Dienstwagen im NEFZ). Dadurch kommen Fabelwerte für teils tonnenschwere Modelle, gerade auch im SUV-Bereich zustande, die offenbar kaum der Realität standhalten, wie die Analyse nahelegt. Andererseits werden die Fahrzeuge speziell in Flotten auch für längere Strecken eingesetzt, auf denen der Vorteil des E-Antriebs bei Pendeleinsätzen Makulatur ist und der Verbrauch häufig deutlich über den Werten von bisher in diesem Bereich favorisierten Diesel-Fahrzeugen liegt.

Vor allem Flottennutzer sind "ladefaul"

Erschwerend hinzu kommt, dass die oft getätigte Behauptung, dass Ladekabel verpackt im Kofferraum verblieben, offenbar ihre Berechtigung hat. Nach der Analyse laden private Nutzer ihren PHEV immerhin an drei von vier Tagen, Dienstwagenpiloten ihren Teilzeitstromer aber nur an jedem zweiten Nutzungstag. Privat genutzte PHEV-Modelle in Deutschland kommen immerhin auf 43 Prozent elektrischen Fahranteil, Dienstwagen-PHEVs nur auf 18 Prozent.

Nach einer Auswertung des CAR-Instituts liegen vor allem die deutschen Premium-Anbieter Audi, Mercedes-Benz, BMW sowie Volkswagen bei den PHEV-Anteilen in Flotten vorn, wo mehr als jeder zweite Wagen als Teilzeitstromer verleast wird. Bei Volvo Cars liegt der Anteil sogar bei zwei Dritteln. Aber auch die Marken der Groupe PSA Peugeot, Citroen und Opel verzeichnen stark steigende Anteile. Volvo scheint die Problematik erkannt zu haben und startete jüngst ein Incentive-Programm mit kostenlosen Ladestrom sowie einer App für PHEV-Käufer. Bisher werden PHEV-Modelle vor allem via Innovationsprämie der Bundesregierung sowie mittels Steuervorteilen massiv gefördert.

Förderung an die E-Nutzung koppeln, Leistung drosseln

Doch die Studienautoren schlagen auch eine Lösung vor, wie man die Teilzeitstromer doch noch zu einem positiven Beitrag für die Umwelt nutzen könnte, den das ICCT durchaus für möglich hält: Die Förderung solle an die tatsächliche Nutzung des elektrischen und (lokal) emissionsfreien Antriebs gekoppelt werden, was über die Bordrechner auslesbar wäre. Die EU solle auch die Anrechenbarkeit von Supercredits senken, wenn kein Nachweis erbracht wird. Zudem fordert man eine weitere Steigerung der bisher eher begrenzten E-Reichweite, die selten mehr als 50 Kilometer beträgt, auf 90 Kilometer. Laut ICCT würde das ausreichen, um 85 Prozent der Tagesstrecken zu bewältigen und etwa 70 Prozent der Jahresfahrleistungen von Privatfahrzeugen. Zugleich schlägt man vor, die Motorleistung zu senken oder abzuriegeln, um die Emissionen im Verbrennermodus zu senken. Laut ICCT ließen sich mit jedem 10-kW weniger Leistung die Emissionen um zwei bis vier Prozent senken. Und 10 km mehr E-Reichweite würden einen Effekt von 8 bis 14 Prozent an Verbrauchs- und Emissionseinsparung bringen. 

Flottenbetreiber sollten Benzinbudget begrenzen

Flottenbetreiber fordern die Autoren auf, genau zu prüfen, wo ein PHEV vom Fahrprofil sinnvoll erscheint. Und sie sollten Anreize zum häufigen Laden schaffen, etwa durch kostenlose Ladkarten oder Begrenzung des Benzin- oder Dieselbudgets bei Tankkarten. Generell fordert man, die juristischen und finanziellen Hemnisse für die Errichtung von Heimladepunkten zu reduzieren. Und der Staat solle PHEV-Förderungen für Firmen an das Vorhandensein von Ladeinfrastruktur am Arbeitsplatz koppeln.

Was bedeutet das?

Genuss ohne Reue - bei dem Versprechen sollte man hellhörig werden. Oder sich an die eigene Nase fassen. Denn die Plug-in-Hybride könnten (Konjunktiv) durchaus einen Beitrag für eine Übergangszeit leisten, wie auch das ICCT konstatiert: "PHEV elektrifizieren viele Kilometer", heißt es in dem Summary, wobei die PHEVs halt auch zu den Meilenschrubbern gehören. Das Potenzial zu heben geht einerseits mit höherer realer elektrischer Reichweite als den paar Kilometern, die wir auch in unseren Tests regelmäßig ermittelten. Einhergehend mit entsprechend üppigen Verbräuchen über die Langstrecke. Wobei es auch Ausnahmen gibt: Allerdings ist Daimlers Diesel-Hybrid natürlich die Kreuzung zweier teurer Technologien, wie Kritiker meinen.

Andererseits stiege der Umweltnutzen mit höherer Ausschöpfung des elektrischen Potenzials durch die Käufer. Wenn man das schon staatlich subventioniert, sollte sich der Staat auch dafür interessieren, dass es den von der Incentivierung (aus allgemeinen Steuergeldern!) gewünschten Effekt hat. Sonst ist das nichts anderes als wieder nur verkappte Subventionierung durch die Hintertür nach altbekanntem Schema. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Aber es geht auch anders: Wem am Arbeitsplatz ein Ladeanschluss zur Verfügung steht, vielleicht sogar kostenfrei, der stöpselt seinen Hybriden eventuell doch ein. Und stromert emissionsfrei durch den Pendleralltag. Die Urlaubsfahrt fällt dann kaum ins Gewicht. Und die kann man dann ja auch per Zertifikat kompensieren. Und für pausensensible Handelsvertreter gilt wahrscheinlich ehrlicherweise: Wir haben zu früh den Stab über den Diesel gebrochen. Denn für Kilometerfresser ist die CO2-Bilanz wohl ungeschlagen, zumindest im Rahmen der "alten" Welt. Die Dienstwagen-Avantgarde fährt da wohl schon mal mit den Fahrzeugen einer kalifornischen Marke voraus. Tendenziell aber nicht mehr allzu lange.

 

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