Subjektiv-Fahrer von Beruf

Aleix Alcaraz heizt beruflich für Hankook über das Testgelände, damit am Ende ein richtig guter Reifen bei raus kommt.  Aber wie wird man eigentlich „Subjektiv-Fahrer“ in der Reifenentwicklung?

Subjektiv-Fahrer von Beruf
Subjektiv-Fahrer von Beruf
Redaktion (allg.)

Aleix, du hast ja quasi einen Traum Job für alle Auto-Verrückten da draußen. Wie kommt man zu so einem Job?

Beginnen wir ganz am Anfang. Ich fing an zu fahren, als ich gerade 3 Jahre alt war und bin quasi vom Bobbycar direkt aufs Kart umgestiegen. Mein Vater war in der Motorsportwelt unterwegs und hat mich früh mit seiner Leidenschaft angesteckt. Mit 7 Jahren nahm ich endlich an meinem ersten offiziellen Kartrennen teil. Vor diesem Alter ist ein Start in Spanien bei einem offiziellen Wettbewerb nicht gestattet. Bis 16 steckte ich einen Großteil meiner Freizeit ins Kart. Ich war spanischer Meister, 5. in der Weltmeisterschaft, 8. in der Europameisterschaft und gewann mehrere internationale Rennen.

Als ich 16 Jahre alt war, hatte ich meine erste Probefahrt im Einsitzer. Im folgenden Jahr stieg ich vom Kartsport auf Einsitzer um und fuhr Rennen im Formel Renault 2.0 Eurocup und in der Formel 2.0 Italien. Zusätzlich hatte ich einige Wildcard-Einsätze in der spanischen Formel-3-Meisterschaft. Im Jahr darauf stieg ich wieder auf, und zwar in der World Series by Renault 3.5, und war damals der jüngste Fahrer, der in die Punkteränge fuhr.

Danach verlangsamte sich meine Rennaktivität, als die globale Finanzkrise einsetzte. Ich war Teil des Young Drivers-Programms aus Katalonien, aber das Budget wurde infolge der Krise erheblich gekürzt. Später stellte mich mein ehemaliger Teamkollege und langjähriger Freund Miguel Molina, der zu dieser Zeit in der DTM für Audi fuhr, Hankook vor, da man auf der Suche nach einem Fahrer mit Renn-/Motorsport-Hintergrund und gutem Gefühl für die Reifen war. Und hier bin ich und arbeite seit 2012 für Hankook als subjektiver Testfahrer.

Und wie genau sieht dann so ein stinknormaler Arbeitstag für Dich aus? Ich nehme mal an, Du gehst morgens nicht mit einer Aktentasche ins Büro, richtig?

Nein – ich starte meistens ziemlich früh in den Tag und es geht dann direkt zum Testgelände in Idiada, Spanien. Hier haben wir eine „Box“ – quasi eine Garage und Büroräume. Das Gelände ist bewacht wie ein Hochsicherheitstrakt, denn viele Fahrzeuge werden hier getestet, lange bevor sie auf den Markt kommen. Alle Kameras, auch die am Mobiltelefon, werden versiegelt und Journalisten haben normalerweise keinen Zutritt.  

Wir kennen den wöchentlichen Testplan eine Woche im Voraus. Jeden Morgen haben wir eine Teamsitzung, um zu besprechen, was an diesem Tag getestet werden soll und um die letzten Hinweise und Informationen mit den Mechanikern vor Ort auszutauschen. Dann testen wir in der Regel den ganzen Tag lang, mit einer Mittagspause um 12 Uhr. Nachdem die Tests abgeschlossen sind, schließe ich den Bericht über die Reifenleistung mit meinen Bewertungen und Kommentaren ab und gebe ihn an die Entwicklungsmannschaft weiter. Oft gehe ich danach direkt ins Fitnessstudio, da es auch wichtig ist, eine gute körperliche Verfassung für diese Arbeit zu erhalten.


Was sind die besten – und was die anstrengendsten Aufgaben an deinem Job?

Ich liebe es, dass es Teil meiner Arbeit ist, täglich Sportwagen und andere High-End-Modelle zu fahren und bei der Beurteilung der Reifenleistung bis an ihre Grenzen zu gehen, denn Fahren ist meine Leidenschaft. Außerdem ist die Automobilindustrie eine riesige Branche und es ist eine tolle Erfahrung, Menschen aus anderen Unternehmen kennenzulernen, mit denen man so viele Gemeinsamkeiten hat.

Ich finde, es ist eine dankbare Aufgabe, die Reifenentwicklung Schritt für Schritt zu begleiten und die Verbesserungen zwischen den einzelnen Entwicklungsschritten live beim Fahren zu erleben. Wenn die Reifenleistung besser wird, ist es ein tolles Gefühl zu wissen, dass mein Input berücksichtigt worden ist und ich einen beitragen dazu leisten konnte, dass der Reifen wieder einen Ticken besser geworden ist. Am anstrengendsten ist es, dass ich während des gesamten Tests super konzentriert sein muss, um die sehr kleinen Unterschiede zu entdecken, die unterm Strich aber nötig sind, um das Beste aus einem Reifen raus zu holen. Wenn ich nicht voll konzentriert bin, besteht das Risiko, dass ich den Entwicklern möglicherweise die falsche Richtung vorgebe. Das ist eine große Verantwortung. Aus diesem Grund muss ich im Auto alles hinter mir lassen, was ablenken könnte, und mich ganz aufs Fahren und die Reifenleistung konzentrieren.

Foto: Hankook

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