Tour Check BMW iX 50: Alpenüberquerung

Auf den Spuren Hannibals: Unter strikter Vermeidung von Autobahnen wollen mehrere Pässe überquert werden. Einst eine Herausforderung für Hannibals Elefanten, ein Klacks für den weißen Riesen iX 50, der auf der Tour einige Überraschungen bereithielt.

BMW iX 50 | Bilder: Wilfried Wulff, G. Soller
BMW iX 50 | Bilder: Wilfried Wulff, G. Soller
Redaktion (allg.)

Zu Zeiten Hannibals, im Jahr 218 vor Christus, waren Alpenüberquerungen noch ein gigantisches Abenteuer – zumal mit Elefanten! Rund 2.240 Jahre später ist das Ganze zu einer freudigen Tour geworden, auch wenn der große BMW iX 50 in engen Gassen und auf schmalen Passstraßen manchmal zum „kleinen“ Elefanten mutieren kann, der bei Bedarf richtig viel Kraft an seine vier starken „Beine“ bringt. Der 2.240ste Herbst seit Hannibal schickt uns wieder herausforderndes Wetter in die Alpen: Die flachen, aber warmen Sonnenstrahlen, die den Comer See noch tags zuvor in gleißend-goldgelbes Licht tauchten, wichen dunklen Wolken. Ein letzter Espresso an der Bar in Como, und es kann losgehen: Wir schließen das rahmenlose Portal des iX 50, das seltsamerweise eher an einen Ford Mustang als an einen X5 erinnert, starten und schnippen den „Wählhebel“ auf „D“ – und lautlos gleitet der iX 50 von dannen. Als starker „50“ bietet er 385 kW (523 PS), 765 Nm Drehmoment und nach WLTP zwischen 549 und 630 Kilometer Reichweite aus einem üppigen 105,2-kWh-Akku, der trotz Leichtbau das Gewicht auf rund 2,6 Tonnen treibt.

Die Navigation führt uns zielsicher durchs Straßengewirr und die zahlreichen Kreisverkehre in und um Como. Die Klimatisierung hält stoisch die vorgegebene Temperatur und das empfehlenswerte Bowers-&-Wilkins-Soundsystem umhüllt uns mit insgesamt 30 (!) Speakern – auch in Sitzen und A-Säule – mit wunderbarem Klang. Außen bleibt es Grau-in-Grau, was neben dem Wetter auch für die Ostseite des Comer Sees gilt, sobald man sich gen Schweiz nach oben schraubt: Statt George Clooneys Villa dominieren graue Industriegelände und schmucklose Vorortbauten die italienischen Voralpen. Das Getrödel über die Landstraßen lässt den Verbrauch auf gut 18 kWh/100 km sinken und schon sehr bald vergessen wir die Reichweitenanzeige, die stoisch um die 500 Kilometer meldet – das würde knapp in einem Rutsch bis München reichen. Von der SS 36 biegen wir nach Osten ab auf die SS 38 gen Osten, mit dem Fernziel der ersten Etappe, dem Berninapass. Zeit, mit dem neuen iDrive zu spielen, das jetzt zum plexigläsernen Accessoire auf hölzerner Fläche „degradiert“ wurde: Drehdrücken nur noch in den Hauptmenüs, ansonsten bitte sprechen! Denn die Version 8.0 soll sich durch intuitives Sprachverständnis und hohe Lernfähigkeit auszeichnen – per „hey BMW“ aktiviert. Wobei das gar nicht nötig ist, man kann auch einfach so sprechen: „Mir ist kalt“ – und schon erhöht der iX 50 die Temperatur um ein Grad mit der Nachfrage, ob es so angenehm sei. Falls nicht, solle man doch seine Wunschtemperatur kommunizieren.

Wir machen die Gegenprobe am Display, wo immer Sliderflächen für die Temperatur angezeigt sind. Im Alltag auf verwinkelten italienischen Straßen trifft man die leider schlecht und als wir die Temperatur endlich nach unten getoucht haben, beginnt der iX unter Zuhilfenahme der Klimaanlage wie wild zu blasen. Leider kann man nur noch einstellen, ob man das ausgewogen oder eher dynamisch haben möchte, aber nicht mehr, wohin er blasen soll – klarer Rückschritt. Besser: nur noch sprechen! Ein Rückschritt in alte BMW-Zeiten sind auch die leider immer gut sichtbaren Ausströmer unter der Frontscheibe: Sie bestehen aus so dünnem Plastik, dass sie sich optisch teils unschöne „Durchhänger“ leisten. Bei den Produkten aus Dingolfing und München war es einst wichtiger, möglichst viele Fremdfabrikate fahrerisch zu „verblasen“ – dafür ging man es im Interieur dann und wann bayrisch-lässiger an. Kleine „Hänger“ leistet sich auch die Digitalisierung: Der iX unterstützt den Fahrer nicht nur beim Parken und Verzögern vorzüglich, sondern auch beim Lenken und Spurhalten. Und das so elegant, dass man selbst kaum noch Moment aufs kantige Lenkrad bringt. Weshalb einen der BMW dann immer mahnt, doch bitte die Hände am Lenkrad zu lassen. Denn, wie gesagt: anfahren, im Stau rollen und abbremsen – all das klappt auch ohne aktiviertes Navi wie von Geisterhand.

Soundcheck: Welche Stimmung ist gewünscht?

Beim Wählen der Smartphonenummern macht uns eher das wackelige Netz als die Spracherkennung zu schaffen, das klappt sonst fein, weshalb wir jetzt den Soundcheck angehen: Auch das funktioniert gut, sofern man seine Playlist oder Spotify geladen hat. Denn Kollege iX fragt, welche Stimmung es denn sein soll, und versucht, diese umgehend zu spielen. Aus Neugier versuchen wir das auch mit dem Radio, wo er den Wunsch nach „Jazz“ mangels verfügbarer Sender in dezente Schlagermusik uminterpretiert, worauf wir dieses Experiment schmunzelnd beenden. Die ergonomisch einst überragende Dreh-drückerei hat unter dem letzten Update jedenfalls etwas gelitten, da man viel mehr sprechen oder touchen kann und soll, was die Bedienung in Summe leider nicht immer erleichtert. Zumal es noch viele Untermenüs zu entdecken gilt, die alle einen Blick aufs Display fordern und damit einige Sekunden „Blindflug“ auf der Straße erzeugen.

Auf der FSC-zertifizierten hölzernen Oberfläche ließ BMW auch diverse Direkteinsprungstaster ein, die zwar superelegant schimmern und flach integriert sind, aber anfangs jedes Mal per Blickkontakt neu gefunden werden wollen – Freunde der direkten Haptik stellen also eine gewisse „Entrücktheit“ fest. Der iX gibt mehr das Wohnzimmer als den fahraktiven Racer, der per Lenkrad und Knöpfen durch die Kehren am Pass getrieben werden möchte. Den erreichen wir jetzt: In Tresenda windet sich die SS 38 gen Norden in die Alpen und wir nähern uns der ­Schweizer Grenze, wo wir wegen des neuen iX prompt angehalten werden. „Ist elektrisch odr? Wie fährt er sich denn?“, wollen die eidgenössischen Beamten wissen, bevor sie uns passieren lassen.

Dem iX fehlen nur zehn Zentimeter Breite zum schmalen Schweizer Lkw

Die Ortsnamen bleiben vorerst italienisch und immer wieder kreuzen wir die Schmalspurbahn, deren Gleise in den Orten teils mitten auf der Hauptstraße laufen. Aus der SS 38 wird in der Schweiz die „29“ und in manchen Dörfern wird es eng für den mit Spiegeln 2,2 Meter breiten iX, der sich mit dem eckigen Lenkrad dann bisweilen etwas elefantös anfühlt und sich bis auf zehn Zentimeter der maximal zulässigen Breite des schmalen Lkw annähert, einem eidgenössischen „Special“: (Auch) um einst die heimische Lkw-Industrie zu schützen, weisen einige Nebenstraßen eine zulässige Maximalbreite von 2,3 Metern auf, was in engen Bergdörfern teils tatsächlich Sinn macht – und den Lkw-Herstellern, die in der Regel 2,5 Meter breit bauen, konstruktiven Aufwand abverlangt. Aber wenn es ganz eng wird, piepst und „kameralinst“ sich der iX gut durch die engen Gassen.

Auf der wundern wir uns über den explodierenden Stromdurst des iX, der auf einmal weit über 30 kWh/100 km liegt und im Schnitt auf über 26 kWh/100 km klettert – daran merkt man die sanfte, aber kontinuierliche Steigung. Je höher wir kommen, desto nebliger wird es, doch der iX hält Lärm, Kälte und alle Unbilden der Umgebung von uns ab: Zügig schnüren wir bergan und sind fast über den 2.303 Meter hohen Berninapass hinweggeschwebt. Seit Como haben wir gut 2.130 Höhenmeter gemacht, die auch den Verbrauch erklären. Der iX hat mit 26,2 kWh netto am Pass sein Allzeithoch erreicht – womit wir mit 29,3 kWh brutto knapp unter der 30er-Marke bleiben. Wir steigen aus und wundern uns über die nebelige Kälte, die das iX-„Wohnzimmer“ zuverlässig von uns fernhielt. Tatsächlich beschlagen jetzt die Scheiben etwas, was man per Taster für Defrost und heizbare Heckscheibe schnell wieder in den Griff bekommt. Die Restreichweite schmilzt auf unter 300 Kilometer und wir ziehen es vor, am Zwischenstopp in Pontresina über Nacht nachzuladen. Dort kommen wir nach 214,4 Kilometern mit 208 Kilometer Restreichweite und 48 Prozent Ladestand am Hotel an, der Nettoverbrauch betrug 24,6 kWh/100 km – somit war der weiße Riese einigermaßen sparsam. An unserer Ladesäule mit durchschnittlichem Ladeverlustfaktor von 1,12 wären wir bei 27,55 kWh/100 km gelandet, die sich hauptsächlich aus dem langen Aufstieg ergaben. Heißt im Umkehrschluss: Wir haben ja noch einen langen Abstieg vor uns …

Cool: Die Reichweitenanzeige reagiert nicht sofort auf kleinste Änderungen

Am nächsten Morgen geht es frisch geladen weiter und der iX rechnet uns dezente 414 Kilometer Gesamtreichweite vor. Wir wechseln von der 29 gen Osten auf die 27, die Graubünden im Südosten der Schweiz durchquert. Und der Verbrauch fällt kontinuierlich: Am vorerst niedrigsten Punkt in Martina liegen wir noch bei 16,2 kWh/ 100 km (das wären an unserer Säule mit Ladeverlust gut 18,1 kWh) und haben die Wahl zwischen zwei Grenzübergängen: geradeaus weiter Richtung Innsbruck oder rechts die Passstraße nach Nauders rauf. Wir wählen letztere und lassen dem iX freien Lauf! Und wechseln ins Sport-Programm, das hier nicht gleich als Reichweitenkiller fungiert, heißt: Die angezeigte Reichweite bricht nicht schlagartig ein, sondern wird nur bei Abrufen der zusätzlichen Leistung angepasst – korrekt so! Der iX stürmt wild bergan, wobei allein das eckige Lenkrad den Flow des Kurven- und Kehrenwedelns stört. Denn trotz Größe und den 2,6 Tonnen Gewicht – womit der iX dezent Richtung Lkw tendiert – gibt er hier klar den BMW, heißt: Freudig über alle Viere eindrehend, leicht mit dem Heck drängend, strebt er souverän bergan, bis die Reifen pfeifend das Erreichen der Haftgrenze andeuten. Denn die beiden E-Maschinen pumpen bis zu 765 Nm an alle Viere, sodass die Reifen immer wieder winseln, aber hier nie die Traktion ausgeht. In Nauders an der Norbertshöhe angekommen bleiben uns nach 144 Kilometern noch 493 Kilometer Restreichweite, womit wir satte 637 Kilometer Gesamtreichweite hätten. Über den nächsten Pass erreichen wir das Pitztal, wo wir auf die B 171 wechseln. Von dort aus unterqueren wir die Autobahn nach Mieming – Mittagspause auf der Stöttlalm. Der Verbrauch bleibt trotz Auf und Ab dezent, was auf die gute Rekuperationsfähigkeit des iX verweist: Wir stehen bei 17,4 kWh netto und 650 Kilometer Gesamtreichweite. Auf der B 189 geht es über die 179 und 187 Richtung Fernpass, wo wir auf der B 23 hinter dem Zugspitzmassiv gen Garmisch-Partenkirchen fahren. Und da wir die Autobahn bisher so brav gemieden haben, darf es zum Schluss die A 95 nach München sein, die locker mal 200 km/h zulässt – was wir auch kurz antesten, bevor wir uns auf einen forschen 150er-Reiseschnitt einpendeln. Am Ende landen wir nach 367,2 Kilometer mit 32 Prozent Restakku und verbleibenden 193 Kilometern Reichweite in Garching. Wir wären auf dem zweiten Teil der Tour bei 19,1 kWh Durchschnittsverbrauch (fakturiert mit Ladeverlusten 21,4 kWh) 560 Kilometer weit gekommen – doch zusammen mit den 26,4 kWh des Vortages hätte es mit den durchaus lustvollen 581,6 Kilometern nicht ganz geklappt. Die Direttissima oder weniger freudiges Fahren hätte eine Tour Como – Garching allerdings ohne Ladestopp möglich gemacht.

Ein dieselnder X5 hätte keine 6,0 l/100 km brauchen dürfen

Am Ende kamen wir über die Gesamtstrecke auf 22,58 kWh/100 km, was mit Ladeverlusten 25,29 kWh bedeutet. Absolut gesehen kein ganz günstiger Wert, aber für Fahrzeuggröße und -gewicht trotzdem sparsam. Vor allem, wenn wir es in Relation zu Diesel setzen: Denn wenn man pro kWh 0,35 Euro rechnet – und für den Liter Diesel 1,50 Euro –, hätte ein X5 für 51,47 Euro 34,31 Liter Diesel tanken dürfen, was 5,89 l/100 km entspricht. Womit man einen X5 nie derart lustvoll hätte bewegen dürfen. Oder über das Energieäquivalent gerechnet: Die 25,29 kWh/100 km entsprächen 13,33 g CO2 pro km beim deutschen Kraftwerksmix von 0,527 kg für eine Kilowattstunde Strom. Auf einen Liter Diesel mit 2,64 kg umgerechnet, wären es gar nur 5,05 l/100 km – womit man die Geschwindigkeit des X5 bei einer Alpenüberquerung etwas an das Tempo von Hannibals Elefanten hätte anpassen müssen.

Printer Friendly, PDF & Email