Die TRATON-Marken MAN, Scania und Volkswagen Caminhões e Ônibus (VWCO) setzen auf Elektromobilität als Ergänzung zum Verbrennungsmotor. Das hat Traton-Vorstandschef Andreas Renschler bei einem Innovationstag der jüngst an die Börse gestarteten VW-Tochter im schwedischen Södertälje bekräftigt. „Unser Ziel ist es, führender Hersteller von E-Lkw und E-Bussen zu werden“, sagte Andreas Renschler, der auch Vorstandsmitglied der Volkswagen AG ist. Deshalb investiere man in zunehmendem Maß in beim Forschungs- und Entwicklungs-Budgets (F&E) in diese Technologie und gemeinsame Plattformen der Marken: „Bis 2025 wollen wir in Summe mehr als eine Milliarde Euro für F&E in Elektromobilität aufwenden“, kündgit Renschler an.
Aktuell bremsten neben der mangelnden Ladeinfrastruktur vor allem die Anschaffungs- und Betriebskosten für batterieelektrische Fahrzeuge eine stärkere Marktdurchdringung, analysiert Renschler. Diese Kosten seien für Speditionen entscheidend. „Aber das Interesse unserer Kunden an E-Mobilität wächst bereits deutlich“, meint der CEO zu spüren.
„Mittelfristig erwarten wir, dass batteriebetriebene Lkw im Verteilerverkehr und Stadtbusse über ihren Lebenszyklus hinweg TCO-Parität (Total Cost of Ownership) mit fossilen Antrieben erreichen werden“, erklärte der CEO weiter.
Als Grund sieht Renschler, dass Batteriezellen günstiger würden und über eine noch längere Lebensdauer verfügten.
„Wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, könnte in zehn bis 15 Jahren jeder dritte Lkw und Bus unserer Marken mit alternativen Antrieben fahren – die meisten davon voll elektrisch.“
Als Voraussetzung müsse aber die entsprechende Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und Elektrizität vorhanden sein, mahnte er an. Er sieht einen Vorteil in der Gruppe, weil man Entwicklungskosten von den drei Marken teilen könne.
Modularer elektrischer Antriebsstrang in der Entwicklung
„Wir entwickeln als Gruppe einen gemeinsamen modularen elektrischen Antriebsstrang, der 2020 in den ersten elektrischen Serien-Stadtbussen von Scania und MAN zum Einsatz kommen wird“, präzisierte Christian Levin, Chief Operating Officer sowie Forschungs- und Entwicklungschef der TRATON SE. Er könne je nach Marke und Anwendung individuell angepasst werden. So lasse sich mit einem Minimum an Bauteilen und Kosten ein Maximum an individuellen Lösungen generieren.
In der Gruppe wurde erstmals ein markenübergreifendes Entwicklungsbudget für Elektromobilität implementiert und Teams aus der gesamten Gruppe vereint. Sie arbeiteten an der nächsten gemeinsamen Generation der E-Antriebe, einer Software für das Batteriemanagement und einer entsprechenden Rahmenkonstruktion, heißt es weiter. Man halte bereits heute in Summe mehr als 1.000 Patente für Elektromobilität, 25 Prozent mehr als noch im Jahr 2018.
Scania als Innovationsführer, MAN als breit aufgestellter Nfz-Anbieter
Die Marken sieht man dabei klar positioniert. Scania soll als Innovationsführer an vielen verschiedenen nicht-fossilen Lösungen arbeiten mit dem Anspruch, den Transport nachhaltiger zu machen. MAN verfolge als breit aufgestellter Business Partner eine weiter gefasste Strategie, die vom leichten Nutzfahrzeug bis zum schweren Lkw reiche. VWCO bietet mit einem bestmöglichen Preis-Leistungs-Verhältnis kostengünstige Lösungen insbesondere für Märkte wie Lateinamerika und Afrika. Die bis heute weltgrößte Bestellung für E-Lkw hat VWCO erhalten – 1.600 Stück sollen für den brasilianischen Bier- und Getränkehersteller Ambev rollen. Die Auslieferung beginnt ab 2020.
Vollelektrischer Verteiler für Brasilien geht 2020 in Serie
Auf dem Innovationstag stand das Fahrzeug erstmals in Europa für Testfahrten zur Verfügung. Um E-Mobilität noch schneller in den brasilianischen Markt einzuführen, hat VWCO zudem heute die Gründung eines Konsortiums mit weiteren Partnern an seinem brasilianischen Produktions- und Forschungsstandort bekanntgegeben. Erstmals baut ein Fahrzeughersteller eine komplettes Netzwerk für E-Lkw auf, das alles einbezieht – von der Fertigung über die Ladeinfrastruktur bis hin zum Lebenszyklus der Batterien. Dabei werden die Kompetenzen der vollintegrierten Lieferkette des Unternehmens genutzt.
Scania-Brennstoffzellen-Lkw in der Lebensmitteldistribution
Ende 2019 soll ein Scania-Bus für Nobina Fahrgäste im Großraum Stockholm elektrisch und autonom befördern. Zusammen mit Norwegens größtem Lebensmittelhändler Asko testet Scania Brennstoffzellen-Lkw mit elektrischem Antriebsstrang, wobei der Wasserstoff der Brennstoffzelle aus erneuerbaren Energien stammt. Asko plant zudem, einen elektrischen Fernverkehr-Lkw von Scania zu testen. E-Lkw von MAN mit 26 Tonnen Gesamtgewicht laufen bereits im Test bei österreichischen Kunden – in diesem Jahr soll die Produktion weiterer eTGM für die Ausweitung von Kundentests starten. Der neue elektrische MAN-Transporter eTGE erfreue sich ebenfalls zunehmender Beliebtheit. In den letzten zwölf Monaten habe man mehr als 150 Fahrzeuge verkauft.
LNG, CNG, Ethanol und Hybrid, zunehmend elektrisch: Die Mischung macht's
Aktuell haben neben hocheffizienten Dieselantrieben alternative Antriebe und Treibstoffe wie Biokraftstoff, Ethanol oder die Gastechnologien LNG und CNG sowie Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Lösungen zur CO2-Reduktion eine große Bedeutung. Bei alternativen Antrieben sieht man die drei Marken gut aufgestellt, MAN etwa als führender Anbieter gasangetriebener Stadtbusse. Scania verfüge das derzeit breiteste Angebot für alternative Treibstoffe – von Bioethanol-Lkw und -Bussen bis hin zu mit Biogas angetriebenen Fahrzeugen. Der Hersteller rechnet allerdings damit, dass die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen kurz- und mittelfristig weiter steigen wird, da elektrisch angetriebene Fahrzeuge zunehmend günstiger in Anschaffung und Unterhalt werden und so ihre Vorteile bei den Energiekosten voll ausspielen können.
Neue MAN-Generation mit optimiertem Diesel steht in den Startlöchern
Daneben müssen aber vor allem konventionelle Diesel-Modelle weiter verbessert werden. Wenige Monate vor der Präsentation der neuen MAN-Truck-Generation erläuterte Joachim Drees, Vorstandsvorsitzender der Münchener Marke MAN Truck & Bus, in dem Kontext, welche Rolle Modularisierung bei der Entwicklung von MAN-Fahrzeugen spielt. Durch die richtige Konstruktion und eine geschickte Kombination von wenigen Teilen seien bessere Varianten möglich – und damit eine passgenauere Konfiguration für spezifische Kundenanforderungen.
Drees erwähnte auch andere Beispiele aus der Gruppe und ging gemeinsam mit Niklas Bruce, Spezialist für Modularisierung, auf den neu entstehenden Baukasten der Gruppe (schwedisch: “Byggladan“) ein, der vom Antriebsstrang bis zum Fahrzeugrahmen die Fahrzeuge im Konzern abdecken soll. Angelehnt ist das Konzept an das Baukasten-Modell der schwedischen Marke Scania. Unberührt bleibe dabei aber die klar abgegrenzte Positionierung der drei Marken, betont man eigens.