VDA Technischer Kongress 2022: Qualität vor Quantität

Zu Beginn des zweiten Tages stach gleich am Morgen die Diskussion heraus, die Dr. Joachim Damasky, VDA-Geschäftsführer mit Dr. Christian Malorny von der Managementberatung Kearney und Tim Rokossa, Deutsche Bank Managing Director, führte: Denn der Kapitalmarkt sieht die Automotive-Welt nochmal anders als sie sich selbst.

Spannende Diskussion: Dr. Christian Malorny, Partner & Managing Director, Head of Global Automotive Practice at Kearney und Tim Rokossa, Deutsche Bank Managing Director in der Diskussion mit VDA-Geschäftsführer Dr. Joachim Damasky (v.l.) (Foto: Christian Lietzmann)
Spannende Diskussion: Dr. Christian Malorny, Partner & Managing Director, Head of Global Automotive Practice at Kearney und Tim Rokossa, Deutsche Bank Managing Director in der Diskussion mit VDA-Geschäftsführer Dr. Joachim Damasky (v.l.) (Foto: Christian Lietzmann)
Christine Harttmann
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Der Kapitalmarkt sieht die Welt anders – er kann überall investieren. Das war die wichtigste Aussage von Tim Rokossa, Deutsche Bank Managing Director, Head of German Company Research & Global Coordinator Automotive Sector. Heißt: Er kann auch da investieren, wo mehr Rendite winkt. Und: Seiner Meinung nach werden sich die Gewinner  immer stärker von den Verlierern unterscheiden. Worauf wir wissen wollen, wie sich Gewinner von Verlierern unterscheiden?

Rokossa fragt hier gern nach, ob die Strategien der Unternehmen weit genug tragen? Oder ob man nicht weiter in die Zukunft schauen muss – in der Tat gerade jetzt kein ganz einfaches Unterfangen, was aktuell auch gern dazu führt, Unternehmen zu teilen. In eine Pkw- und Lkw-Sparte, in eine Elektro- und Verbrenner- in eine Hardware- und eine Softwarewelt. Korrekt findet Rokossa, das Neue braucht oft andere Strukturen. Interessant ist auch die Aussage von t Dr. Christian Malorny, Partner & Managing Director, Head of Global Automotive Practice at Kearney: Verbinden wir zum Beispiel bei Ford mit Marken alte Gedankenmuster – auch wenn sich eine Marke gerade komplett transformiert.

Dazu kommt die schnellere und ganz andere Kultur, der Techindustrie: Die probiert wahnsinnig viel aus und kann unheimlich viel Schmerz aushalten, tickt schneller und komplexer. Wobei festzuhalten bleibt, dass „alt“ in dem Fall nicht „schlecht“ heißt, sondern eher für etabliert steht, aber da müsse man genau wissen was man da will!

Interessant sind Rokossas Zahlen und seine Ableitungen daraus: Die Autoindustrie mache weltweit rund 100 Milliarden Euro Umsatz, davon machen Deutsche Hersteller 40 Millionen, weil sie Premium können. Man bezahlt weltweit Premiumpreis und diese Qualitäten gelte es zu verteidigen. Das Auto als mechatronisches Produkt profitiert im Premiumsegment von Design, Qualität, und Marke. Den Einwurf Damaskys, dass eine Fahrzeugentwicklung immer extrem aufwändig und teuer sei, lässt Malorny nur bedingt stehen:

„Software ist nicht so teuer. 200 gute Leute bauen das ganze Betriebssystems eines Autos!“

Da bräuchte man keine tausende von Mitarbeitern.

Schwierig sieht Rokossa die Kapitaldecke der Zulieferer, zumal die Autohersteller tendenziell wieder insourcen. Denn: Software gilt als eine neue Kernkompetenz, da ergebe es Sinn, die selbst zu machen. Deshalb muss der Zulieferer mehr denn je beweisen, was er kann. Und sie müssen sich laut Rokossa nach dem Kapitalmarkt richten. Der Kapitalmarkt glaubt an Elektromobilität, Software und Digitalisierung. Weshalb die Teilung eines Konzerns absolut sinnvol sein könne, denn Software verlangt eine andere Kultur, Elektromobilität verlangt andere Kultur – und diese Bereiche stünden in Konkurrenz zu neuen, teils ganz anderen Playern auf dem Markt!

Trotzdem sehen die Experten die Position der deutschen Autoiundustrie als gut an. Bis auf Lucid Motors gebe es wenige Bestrebungen, Premium made in Germany anzugreifen. Schwierig sei, dass aktuell alle Unternehmen Tec-Company werden wollen. Hier müsse auch ein Mindshift stattfinden. Malorny erklärt:

„Wir reden uns gern klein, doch ein Auto zu bauen ist nicht so einfach. Das hat auch das Silicon Valley mittlerweile verstanden.“

Laut Rokossa täte sich die deutsche Autoindustrie aber schwer, 10.000 oder auch 20.000 Euro-Autos zu bauen, deshalb sei der Rückzug aus dem Kompaktsegment der richtige Trend. Denn wenn die deutsche Industrie versuche, günstig mitzuschwimmen könne das danebengehen, denn: Das Wachstum im Volumen ist nicht mehr da! Man könne qualitativ und von den Gewinnen her wachsen, aber nicht quantitativ. Und das sähe auch der Kapitalmarkt so.

Was bedeutet das?

Qualität statt Quantität, Digital und Analog, aber nicht zwingend mehr unter einem Dach – so skizzierte das Morgenpanel die Zukunft der deutschen Autoindustrie – und schnitt damit gleich ein paar alte Zöpfe radikal ab! Spannend!

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