Autor Detlev Konnerth und sein Team haben für Spiegel TV und arte zwei Truckerinnen unterwegs begleitet. Exklusiv für „Unterwegs auf der Autobahn“ berichtet der Reporter und Filmemacher vom Dreh und der Begegnung mit dem „Trucking Girl“ und einer Truckerin, die auf keinen Fall ein „Trucker Babe“ sein will.
Redaktion „Unterwegs auf der Autobahn“: Ist der Titel der Reportage „Frauen im Riesentruck: das Ende einer Männerbastion“ nicht ein wenig reißerisch und übertrieben?
Detlev Konnerth: Nun, es ist der Anfang vom Ende. Es gibt immer noch wenige Frauen, die Schwertransporte fahren. Aber was bisher nur die „harten Jungs“ machen konnten, machen jetzt auch Frauen und genauso gut. Der Titel stammt von der Redaktion. Unser Arbeitstitel hieß „Zwischen Medienstar und Maloche.“
UA: Wie sind Sie auf die Fahrerinnen gestoßen, die Sie in der Reportage porträtieren?
DK: Wir haben in ganz Europa gesucht und natürlich habe ich in den Sozialen Medien recherchiert. Iwona Blecharczyk ist schon ein Social-Media-Star und sehr präsent im Netz. Anja Bowens haben wir über Mundpropaganda gefunden.
UA: Iwona inszeniert sich selbst als „Trucking Girl“. Ist Ihre Dokumentation eine Art Gegenentwurf zu der Serie „Trucker Babes“?
DK: Ich selbst habe die Serie „Trucker Babes“ gar nicht gekannt, als wir die Reportage für arte bzw. Spiegel TV drehten. Aber Anja selbst verweist darauf, dass sie sich nicht als Trucker Babe sieht.

UA: Richtig. Sie selbst sagt im Film „sie möchte nicht das Klischee der sexy Truckerin bedienen“. Dennoch ist aber gerade Iwona sehr hübsch, hat deshalb auch viele Follower und Sie zeigen sie explizit, wie sie sich in der Lkw-Kabine schminkt…
DK: Die Reportage ist nicht explizit ein Gegenentwurf. Die Frauen arbeiten hart und lassen sich beide nicht auf ihr Äußeres reduzieren. Dennoch legen sie beide Wert auf ihr Äußeres – die beiden Frauen haben sich zum Beispiel die Haare gewaschen, während wir sie begleitet haben. Bei Männern, denen man begegnet, ist es nicht immer unbedingt der Fall, dass sie so auf Sauberkeit achten…
UA: Wenn man mit Truckerinnen spricht, kommt unweigerlich die Aussage, dass es für sie ein „Traumjob“ ist. Trotz aller Unannehmlichkeiten, die das Leben „auf der Straße“ mit sich bringt, Wie bewerten Sie diese Aussage, wo Sie selbst Szenen gefilmt haben, die eher unappetitliche Waschgelegenheiten zeigten?
DK: Ich persönlich finde es erstaunlich, auch wenn ich mich sonst als Reporter mit so einer Meinung zurückhalten muss. Das Leben im Truck umweht immer noch das Flair von Freiheit und Abenteuer. Die Frauen verzichten bewusst auf Komfort und nehmen die schwere Arbeit in Kauf. Beide gehen insgesamt mit einer großen Gelassenheit damit um. Dafür zolle ich ihnen Respekt.
UA: Am Ende der Reportage wird nach dem Beziehungsstatus und Lebenspartner gefragt… Ist das nicht auch ein bisschen klischeehaft? Hätten Sie das einen Fernfahrer auch gefragt?
DK: Das hätte ich ihn auf jeden Fall auch gefragt. Gerade in so einem Job ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Problem, wie bei mir als Reporter, der viel unterwegs ist, übrigens auch. In diesem konkreten Fall lag die Frage auf der Hand. In diesem Job ist man viel getrennt und das ist nicht leicht… Vielleicht ist die Frage klischeehaft, aber in dem Fall gesellschaftsnah.
UA: Was soll bei den Zuschauern hängen bleiben, nachdem er oder sie die Reportage gesehen hat?
DK: Im Grunde will ich Vorurteile abbauen. Ich will, dass Männer da zusehen und sagen „Verdammt, das können die auch!“ Frauen schaffen es immer wieder, ihre Frau zu stehen – ob beim Militär, am Bau und eben auch im Schwertransport. Sie alle verdienen unseren Respekt.
UA: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Konnerth.
Was einst die Königsdisziplin der Trucker war…
…haben nun auch Frauen erobert. Für die arte-Reportage: „Frauen im Riesentruck – Das Ende einer Männerbastion“ war Autor Detlev Konnerth mit seinem Team im Juli 2020 vier Tage unterwegs. Gedreht wurde allerdings vor allem in den drei Nächten dazwischen, da Großtransporte nur nachts fahren. Ende Januar 2021 waren es weitere vier Nächte. Das Team bestand jeweils aus drei Personen: Zwei sind mit den Truckerinnen in der Kabine gesessen und einer/eine hat das Wohnmobil gesteuert, das für das Team dabei war. Die Reportage ist in der arte-Mediathek verfügbar.
Porträtiert werden: Iwona Blecharczyk (35). Sie fährt seit zehn Jahren von Polen aus durch ganz Europa. Die Kamera begleitet sie bei ihrer Tour mit einem 35 Tonnen schweren Windkraft-Rotor in den Stückguthafen Bremen Neu-stadt. Immer mit dabei: Iwonas Follower. Hundertausende folgen den Abenteuern des „Trucking Girl“ auf den sozialen Medien. Was am Anfang nur ein Zeitvertreib für die langweiligen Stunden auf Rastplätzen war, ist für Iwona Blecharczyk zum lukrativen Zweitjob geworden. Sogar eine Barbiepuppe wurde nach ihrem Vorbild gestaltet.